Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Pullach:Tauziehen um Mandat

Pullachs erfolglose CSU-Bürgermeisterkandidatin Christine Eisenmann will nun doch ihren Sitz im Gemeinderat annehmen, Grünen-Rathauschefin Tausendfreund lehnt das ab. Beide Seiten haben Anwälte eingeschaltet

Von Michael Morosow, Pullach

Als am Abend der Stichwahl um den Bürgermeisterposten Christine Eisenmann (CSU) ihr Ergebnis erfuhr, wich die anfängliche Enttäuschung schnell Stolz und Zufriedenheit. 46,7 Prozent hatte die Herausforderin eingefahren, nur 320 Stimmen lag sie hinter der amtierenden Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne).

Anschließend bedankte sie sich bei ihren Wählern unter anderem in einem Beitrag im Isaranzeiger und teilte gleichzeitig mit, dass sie "leider" das Mandat im Gemeinderat nicht annehmen könne, weil sie als Vollzeitkraft in der Gemeindeverwaltung nicht im Gemeinderat sitzen könne; für sie nehme Benno Schroeder als Nachrücker den Platz ein.

Diesem ruhigen, unaufgeregten Ausklang eines spannenden Wahlabends folgt nun der Kracher: Die CSU-Frau hat es sich anders überlegt, will in Teilzeit gehen, notfalls sogar ihren Job im Rathaus an den Nagel hängen, um damit den so genannten Amtshinderungsgrund aus dem Weg zu räumen. Allein, sie hat Fristen versäumt, weshalb der Wahlausschuss der Gemeinde sowie Bürgermeisterin Tausendfreund ihren Wunsch nicht berücksichtigen. Eisenmann will nun einen Rechtsanwalt einschalten, die Gemeinde hat das schon getan.

Zwei Lager gibt es innerhalb der CSU

Der plötzliche Sinneswandel der 55-Jährigen und die erhaltene Absage haben in jedem Fall jetzt schon große Aufregung im politischen Betrieb der Gemeinde ausgelöst. Die ganze Geschichte hat inzwischen eine Eigendynamik angenommen.

schießen Spekulationen ins Kraut, wonach die Verweigerungshaltung von Tausendfreund machtpolitischen Überlegungen geschuldet sei, es zeigt sich auch deutlicher als je zuvor, dass sich innerhalb der Pullacher CSU zwei Lager gebildet haben, und im Ort wird heftig diskutiert, was wichtiger sei: die Einhaltung gesetzlicher Kündigungsfristen oder die Erfüllung des Wählerwillens, worauf jetzt Christine Eisenmann drängt.

Die rechtlichen Fragen lässt die Gemeinde derzeit klären, Tausendfreund hat auch die Aufsichtsbehörde im Landratsamt sowie den Städtetag und den Gemeindetag um Expertisen gebeten. "Zwei Juristen, fünf Meinungen", sagt Tausendfreund. Bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Gemeinderats am 12. Mai muss das Ergebnis feststehen. Eine Sprecherin des Landratsamtes teilt unterdessen auf Anfrage mit, dass laut Stellungnahme der Kommunalaufsicht Eisenmann als gewählt zu führen sei, solange offen sei, ob das Amtshindernis ausgeräumt werden könne. Zu personalrechtlichen Fragen aber habe die Kommunalaufsicht bislang noch keine Stellungnahme abgegeben.

Den Schuh, dass hier politisch entschieden werde, ziehe sie sich nicht an, sagt Tausendfreund. "Mir kann doch wurscht sein, wer für die CSU in den Gemeinderat kommt." FDP-Gemeinderat Alexander Betz dagegen wüsste schon einen Grund, legt aber Wert auf die Feststellung, dass dies nur eine Überlegung sei: Ausgehend von der Tatsache, dass die drei Fraktionen WIP, FDP und CSU zusammen mit zwölf Stimmen die Mehrheit haben im 20-köpfigen Gremium und zwei aus dieser Allianz ausscheren müssten, damit Grüne (sieben mit Bürgermeisterin) und SPD zu einer Mehrheit kämen, könne die Besetzung der CSU-Fraktion eine große Rolle spielen.

"In so einem Fall einigt man sich doch."

Dabei sieht Betz im CSU-Fraktionsvorsitzenden Andreas Most und Nachrücker Benno Schroeder die möglichen Abweichler. Wenn also statt Schroeder Christine Eisenmann in den Gemeinderat ziehen würde, wäre dies nicht im Sinne von Susanna Tausendfreund.

Was "Eisenmann und Pullach angeht", dazu wolle er keinen Kommentar abgeben, sagt Most. Er und Schroeder bestätigen aber, dass es innerhalb der CSU einen Richtungsstreit gebe. Die Frontlinien zieht Most zwischen den alten Gemeinderäten und den Neulingen, diese seien "bei wichtigen Themen unterschiedlicher Auffassung".

Am Mittwochabend haben sich die Bürgermeisterin, Personalreferentinnen, Fraktionssprecher sowie Geschäftsführer Heinrich Klein und der persönliche Referent von Tausendfreund, Andreas Weber, zusammengesetzt und laut Most "eine intensive Erörterung" betrieben. Ein relevantes Ergebnis dabei war, dass der Gemeinderat überhaupt nicht über den Antrag von Christine Eisenmann zu entscheiden hat, sondern dem Wahlausschuss diese Aufgabe obliegt. Und dessen Mitglieder müssen nun eine endgültige rechtliche Klärung abwarten.

SPD-Fraktionschef Holger Ptacek findet es nach eigenen Worten sinnvoll, wenn kein politisches Gremium darüber entscheidet. "Das Ergebnis ist offen. Aber wir wollen uns aus allen Querelen raushalten", sagt WIP-Chef Reinhard Vennekold, der sich selbst ums Bürgermeisteramt beworben hatte. "Aber eigentlich sollte der Wählerwille akzeptiert werden."

FDP-Fraktionschef Johannes Burges spricht von "politischem Geschacher, das typisch ist für Pullach". Eisenmann habe Fristen nicht eingehalten und erwarte nun Zugeständnisse der Gemeinde. "Unerträglich" sei die Situation für sie, sagt Eisenmann. Sie habe ein faires Angebot gemacht, das von der Gemeinde abgelehnt werde. "In so einem Fall einigt man sich doch."

Nach Darstellung von Rathausgeschäftsführer Klein ist eine Einigung rechtlich nicht möglich. Eisenmanns Antrag auf Teilzeit hätte im Januar eingereicht werden müssen statt erst am 7. April. Auch ihrer Bitte um Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 1. Juli könne nicht entsprochen werden, da die Kündigungsfrist sechs Monate betrage. Auf Kulanz kann Eisenmann nicht hoffen: Wenn sie das gestatte, könnten sich andere darauf berufen, sagt die Bürgermeisterin. Ersatz zu bekommen, könne außerdem ein Dreivierteljahr dauern. "Ich habe auch eine Fürsorgepflicht gegenüber anderen Mitarbeitern", so Tausendfreund.

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SZ vom 25.04.2020
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