In diesem Sommer geht auf der Bahnstrecke zwischen dem Giesinger Bahnhof und der Station in Höhenkirchen-Siegertsbrunn vier Wochen lang nichts mehr. Die in die Jahre gekommenen Gleise auf der Trasse der S 7 werden runderneuert und die Technik an den zwei vollkommen veralteten Bahnübergängen in der Gemeinde Ottobrunn auf den neuesten Stand gebracht. Pendlerinnen und Pendler müssen daher auf die Busse des Schienenersatzverkehrs ausweichen. Ein seit Jahrzehnten von vielen an der Strecke wohnenden Menschen gehegter Wunsch wird sich mit der Baumaßnahme aber nicht erfüllen: der Ausbau der Trasse auf zwei Gleise. Im Gegenteil – dieser könnte nach Meinung von Kritikern durch die nur auf ein Gleis ausgelegte Erneuerung der Bahnübergänge jetzt sogar noch weiter in die Ferne rücken.
Doch nicht nur am Schienennetz wird in diesem Sommer in Ottobrunn gebaut. Am 15. Juli beginnt auf der Rosenheimer Landstraße – neben der Putzbrunner Straße eine der beiden Ottobrunner Hauptverkehrsachsen mit Tausenden Fahrzeugen am Tag – die Sanierung der Fahrbahn. Hierfür wird die Strecke in zwei aufeinander folgenden Bauabschnitten voll gesperrt, es werden weiträumige Umleitungen vorwiegend über die B 471, die Ottobrunner Westumfahrung, eingerichtet. Der erste Abschnitt reicht von der Ottostraße bis zur Putzbrunner Straße und wird voraussichtlich am Donnerstag, 25. Juli, fertiggestellt. Der zweite reicht von der Putzbrunner Straße bis zur Alten Landstraße und wird in der Folge bis zum 8. August dauern.
Noch bevor der erste Bauabschnitt der viel befahrenen Straße fertiggestellt ist, wird am 26. Juli der Betrieb auf der S 7 eingestellt und auf dem Abschnitt zwischen Giesing und Höhenkirchen-Siegertsbrunn ein Schienenersatzverkehr eingerichtet. Bis zum 26. August werden die Arbeiten an der S 7 dauern. Und welche Auswirkungen die beiden parallel verlaufenden Baustellen haben werden, wird an einer Maßnahme der Ottobrunner Feuerwehr deutlich, die es so bisher nicht gegeben hat: Kommandant Eduard Klas und seine Kameraden, die eigentlich von ihrer Wache an der Ottostraße westlich der S-Bahn zu Einsätzen aufbrechen, haben östlich der Gleise auf einem Grundstück an der Grundschule an der Lenbachallee eine provisorische Zweigstelle eingerichtet. Weil sie wegen der Sperrung der Bahnübergänge an der Putzbrunner und der Ottostraße erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr befürchten, seien sie schon nach dem bayerischen Feuerwehrgesetz dazu verpflichtet, einen zweiten Stützpunkt einzurichten, teilen die Feuerwehrler mit: „Umleitungen kosten Zeit. Zeit hat die Feuerwehr aber beim Alarm nicht.“

Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) sieht der mehrwöchigen Belastungsprobe zwar nicht mit großer Sorge entgegen, spricht aber von „Strapazen“, die auf die Bürgerinnen und Bürger zukommen würden – und vor allem für die Gewerbetreibenden, die an der „Rola“ ansässig sind, wie die Rosenheimer Landstraße auch genannt wird. „Das ist für die Firmen wie die Bäckerei Fiegert, die an der Mozartstraße ihren Hauptproduktionsstandort und an der Rosenheimer einen weiteren hat, schon ein Problem“, sagt der Rathauschef. Anlieferungen würden durch die Baustellen erheblich erschwert. Die Vollsperrung der S-Bahn würde nach Einschätzung Loderers durch die bestehenden Buslinien aufgefangen. „Den Schienenersatzverkehr bräuchten wir gar nicht so dringend. Aber klar ist, dass die Vollsperrung der Rosenheimer Landstraße vor allem den 210er-Bus betreffen wird“, sagt der Bürgermeister mit Blick auf eine der meistgenutzten Buslinien im Landkreis München von Neuperlach-Süd durch das Ottobrunner Zentrum bis zur Zusestraße.
„Vergessen Sie die Zweigleisigkeit“, sagt der Bürgermeister
Dass mit dem Ausbau und der technischen Nachrüstung der beiden Bahnübergänge in Ottobrunn auf lange Zeit hinaus Fakten in Bezug auf die Realisierung der erhofften Zweigleisigkeit geschaffen werden könnten, glaubt Loderer indes nicht. Vielmehr hat sich der Rathauschef von dem Projekt innerlich bereits verabschiedet. „Vergessen Sie die Zweigleisigkeit“, sagt er. „Die ist in so weiter Ferne. Ich hätte sie zwar auch gerne, aber ich muss auch darüber nachdenken, was derzeit realistisch möglich ist.“ Daher wäre es aus seiner Sicht auch „grob fahrlässig“, die Schrankenanlagen jetzt nicht technisch auf den modernsten Stand der Technik zu bringen.
Es ist vor allem die Infrastruktur der Münchner S-Bahn, die immer wieder Probleme bereitet und sowohl die Qualität als auch die Pünktlichkeit der Züge beeinträchtigt. Dies wurde auch auf dem Ost-Ast der S 3 über Unterhaching und Sauerlach bis nach Holzkirchen deutlich. Auf Sauerlacher Gemeindegebiet müssen seit Anfang 2023 ebenfalls mehrere Bahnübergänge technisch nachgerüstet werden; an der Schrankenanlage im Ortsteil Lochhofen sichern seit Monaten Schrankenwärter den Übergang.

Die Notwendigkeit des Austauschs der Technik an den beschrankten Bahnübergängen betont auch Markus Büchler, Landtagsabgeordneter der Grünen aus Oberschleißheim und verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Diese seien teilweise „absolut störanfällig“ und niemand – am allerwenigsten die Deutsche Bahn – könne ein Interesse daran haben, dass Anlagen ausfallen und es zu Unfällen kommt. Mit Blick auf den Ost-Ast der S 7 widerspricht er allerdings Ottobrunns Bürgermeister Loderer vehement. Der zweigleisige Ausbau der Trasse befinde sich ja in der Vorplanung; Loderers Parteikollegin Kerstin Schreyer aus Unterhaching habe in ihrer damaligen Funktion als bayerische Verkehrsministerin der Bahn den Planungsauftrag erteilt. „Statt den Ausbau ständig totzureden, sollte Herr Loderer lieber bei seinen Parteikollegen auf Landesebene Druck machen“, sagt Büchler. „Aus meiner Sicht ist es absolut realistisch, das Projekt umzusetzen, auch wenn klar ist, dass es lange dauern wird und sicher nicht vor 2030 gebaut wird“, so der Abgeordnete.
Ottobrunns Bürgermeister indes sagt, dass vor allem die Verlängerung der U 5 von Neuperlach Süd über Neubiberg und Ottobrunn bis in den Ludwig-Bölkow-Campus vorangetrieben werden müsse. „Darauf müssen wir alle Ressourcen fokussieren“, so Loderer. Die Qualität der S-Bahn und die Stabilität des Fahrplans, ist Loderer überzeugt, lasse sich zudem mit der Digitalisierung sowie dem neuen elektronischen Stellwerk am Ostbahnhof sichern. Und Loderer setzt auf den Fahrplanwechsel, der im Dezember dieses Jahres greifen und Ottobrunn sowie allen anderen Gemeinden am Ost-Ast eine neue Linie bescheren wird. Denn dann wird die S 7 geteilt und als neue Linie die S 5 eingeführt, die von Kreuzstraße bis Pasing fahren wird – und nicht mehr wie bisher im Westen nach Wolfratshausen. Dann könnten an allen Bahnhöfen der neuen Linie Langzüge mit drei Einheiten halten statt wie bisher auf der S 7 nur Züge mit zwei Einheiten, weil einige Bahnhöfe nicht lang genug sind. Ein zusätzliches Gleis wird aber auch die neue S 5 auf absehbare Zeit nicht befahren.