Gerade an Grund- und Mittelschulen ist der Lehrermangel seit Jahren ein Thema. Denn der anhaltende Fachkräftemangel hat zur Folge, dass auch im neuen Schuljahr im Landkreis München der Unterricht nur mit dem Einsatz zahlreicher Zusatzkräfte aufrechterhalten werden kann. Doch obwohl im Landkreis die Schülerzahlen an beiden Schularten erneut gestiegen sind, werden die Klassenleitungen ausschließlich mit Personen besetzt, die ein reguläres Lehramtsstudium absolviert haben.
An diesem Dienstag, 10. September, starten im Landkreis München insgesamt 19 050 Grund- und Mittelschüler, voriges Jahr waren es noch 17 615. Die Zahl der Mittelschüler ist etwa um 700 gestiegen. Schulamtsdirektor Ulrich Barth führt das zum Teil darauf zurück, dass es nun keine eigenen Brückenklassen mehr für die ukrainischen Schüler gibt und diese zu den regulären Schülerzahlen hinzugezählt werden. Bei den Grundschülerzahlen kann Barth nur Vermutungen anstellen. Er geht davon aus, dass sich die Corona-Pandemie zum Teil noch auswirken könnte und im Sinne von Aufholeffekten Kinder eingeschult werden, die zuvor zurückgestellt worden waren.
Um den Unterricht abdecken zu können, wird auch in diesem Schuljahr auf sogenannte zusätzliche Lehrkräfte gesetzt. Es werden 120 Kräfte mit 1350 Wochenstunden im Einsatz sein, die in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium „mit Bezug zum schulischen Fächerkanon“ nachweisen können, also kein Lehramtsstudium absolviert haben. Das kann jemand sein, der etwa Germanistik oder Physik studiert hat. Diese Kräfte werden bei Förderangeboten oder im „Randbereich“ eingesetzt, sie unterrichten Fächer wie Musik oder Kunst, wie der Schulamtsdirektor sagt. Etwas mehr Stunden hätte sich Barth allerdings bei den sogenannten pädagogischen Unterstützungskräften gewünscht. Sie können nicht eigenständig unterrichten, sind aber bei Förderangeboten wie der Lese- oder Matheförderung im Einsatz, wie er erläutert.
Wenn ein Lehrer ausfällt, etwa wegen Krankheit oder Schwangerschaft, muss er vertreten werden, damit der Unterricht gewährleistet werden kann. Um dafür gewappnet zu sein, wurde eine mobile Reserve mit 127 Lehrkräften gebildet. Unter ihnen sind auch Lehramtsstudentinnen und -studenten höherer Semester oder mit erstem Staatsexamen, die schon vor dem Referendariat zusätzliche praktische Erfahrungen an den Schulen sammeln wollen.
Der Schulamtsdirektor hält die Schulen im Landkreis dank der Zusatzkräfte, die nicht Lehramt studiert haben, für gut aufgestellt. An manchen Schulen funktioniere es besser, an anderen „braucht es mehr Unterstützung durch die Schulleitung oder die Kollegen“, sagt Barth. Aber natürlich sei der Einsatz der Zusatzkräfte eine Notlösung, besser wären studierte Lehrkräfte.
Die Lage an den Grundschulen soll sich in den kommenden Jahren entspannen
Nikola Kurpas, Rektorin der Grund- und Mittelschule Lochham, hat in den vergangenen Jahren selbst erlebt, dass es für ein Kollegium wie auch die Schulleitung aufwendig sein kann, Kräfte zu integrieren, die nicht das jeweilige Lehramt studiert haben. „In den vergangenen Jahren gab es an unserer Mittelschule beispielsweise auch viele Gymnasial-Lehrkräfte, um den Lehrermangel auszugleichen“, sagt sie. In diesem Schuljahr ist sie aber „sehr glücklich über die Personalausstattung“. Denn dieses Jahr werden von der siebten Klasse an nur Mittelschullehrkräfte eingesetzt. „Die wollen das machen, die wollen Mittelschullehrer sein“, sagt die Rektorin. Zudem unterrichten an ihrer Schule dieses Jahr nur Lehrkräfte, wenn auch der eine oder andere sein Studium im Ausland absolviert hat. Insbesondere freut sich Kurpas, dass sie eine Förderlehrerin zugeteilt bekommen hat.
Claudia Sanders, Rektorin der Mittelschule Oberhaching, sieht den Einsatz von zusätzlichem Lehrpersonal vor allem als „große Unterstützung“, um den Unterricht gemäß der Stundentafel abzudecken. Alle unterrichtenden Personen an ihrer Schule gehörten zum Team und unterstützten einander, sagt sie. Es sei natürlich wichtig, das Personal, das noch nicht mit allen Besonderheiten des hiesigen Bildungssystems vertraut ist, speziell zu fördern. An ihrer Schule etwa hospitieren neue Kräfte bei anderen Klassenleitungen oder Fachlehrern. Dennoch bedauert sie es, dass durch den Lehrermangel seit einigen Jahren „wertvolle und meines Erachtens auch wichtige Zusatzangebote“ wie Arbeitsgemeinschaften nicht mehr stattfinden könnten.
Einen Lichtblick gibt es derweil für die Grundschulen: Im Landkreis München wurde durch die Regierung von Oberbayern ein zusätzliches Seminar für die Ausbildung von künftigen Grundschullehrern eingerichtet, das die bisherige Konrektorin der Grundschule Deisenhofen in Oberhaching, Anastasia Dietrich, leitet. Schulamtsleiter Barth führt das darauf zurück, dass die Zahl der Grundschullehramtsanwärter wieder steigt und sich die Nachfrage wieder dem Bedarf annähert. Diese Entwicklung bestätigt auch das Kultusministerium: „Nach Lehrerbedarfsprognose wird sich an der Grundschule die Lage in den kommenden Jahren entspannen“, sagt eine Sprecherin.
Wobei die Lehrer nicht nur im normalen Unterricht landen dürften. Denn, wie die Sprecherin auch sagt, nähmen die Aufgaben an den Grundschulen ständig zu. So werde zusätzliches Personal auch für die Ein- und Ausführung von Sprachstandard-Tests und die Ausweitung von Deutschfördermaßnahmen benötigt. Auch zusätzliche Differenzierungsstunden und Angebote von Arbeitsgemeinschaften, die in der Vergangenheit wegen Personalmangels reduziert werden mussten, sollen künftig wieder ausgeweitet werden können.