Nach der Europawahl:Grüne nehmen Rathäuser ins Visier

Taufkirchen, Wahlplakate,

Für die Grünen wachsen die Bäume derzeit in den Himmel.

(Foto: Angelika Bardehle)

Nach ihrem Erfolg bei der Europawahl will die Partei bei der Kommunalwahl 2020 mehrere Bürgermeisterposten gewinnen. SPD-Amtsinhaber setzen darauf, sich vom Abwärtstrend der Sozialdemokraten abkoppeln zu können

Von Stefan Galler, Iris Hilberthund Bernhard Lohr, Landkreis München

Wenn der Jubel verhallt ist und die Tränen getrocknet sind, gilt es für die Parteien, ihre Ergebnisse bei der Europawahl genauer zu betrachten und Schlüsse zu ziehen. Denn nach der Wahl ist bekanntlich vor der Wahl, und die steht bereits in weniger als zehn Monaten mit der Kommunalwahl ins Haus. Während sich die CSU nach Zugewinnen auf einem guten Weg sieht und die zweitplatzierten Grünen hoch motiviert in den nächsten Wahlkampf ziehen, versuchen sich die Sozialdemokraten Mut zu machen, indem sie beide Wahlen als völlig getrennt zu betrachtende Ereignisse sehen.

Die Chefin der Bayern-SPD gibt die klare Richtung vor: "Da unsere Bürgermeister vor Ort einen richtig guten Job machen und sehr anerkannt sind, gehen wir auch nach dem Wahlergebnis vom Sonntag sehr entschlossen und positiv in die kommende Kommunalwahl", sagt die Neubibergerin Natascha Kohnen. Es mag klingen wie das Pfeifen im Walde, doch an diesen Strohhalm klammern sich auch die SPD-Bürgermeister. Man müsse eine Bürgermeisterwahl von der Landes- oder Bundespolitik abkoppeln, sagt etwa Garchings Rathauschef Dietmar Gruchmann. "Das ist eine Persönlichkeitswahl. Die Bürger sprechen denjenigen das Vertrauen aus, denen sie zutrauen, dass sie Probleme lösungsorientiert angehen." Da sei die Stadt Garching der Bundes-SPD voraus: "Wir haben das Thema Umwelt längst angepackt."

Ähnlich argumentiert Christoph Böck aus Unterschleißheim: "Bei einer Kommunalwahl geht es um ganz andere Faktoren, nämlich darum, was vor Ort passiert. In unserer Stadt sehen die Leute, was wir alles tun im Bereich Klimaschutz und Digitalisierung." Er sei überzeugt, dass die Wähler "sehr klar" unterscheiden bei ihrer Stimmabgabe. Grasbrunns Klaus Korneder bläst ins gleiche Horn: "Vor der Kommunalwahl habe ich keine Angst, schließlich bin ich ja nicht zum Bürgermeister gewählt worden, weil ich bei der SPD bin." Korneder hat sogleich Zahlen parat, die seine These stützen: So sei die SPD in Grasbrunn bei der Europawahl 2009 mit 10,9 Prozent ähnlich abgestraft worden, ein Jahr zuvor jedoch habe er das Bürgermeisteramt erobert. "Daran sieht man, wie weit Personenwahlen vom Trend abweichen können." Das sei bei der Kreistagswahl anders: "Da spielt eher eine Rolle, welcher Partei der Wähler auch bei überregionalen Wahlen seine Stimme gibt", sagt Korneder.

Die Hoffnungen der Sozialdemokraten, ihre lokale Dominanz in einzelnen Kommunen sei durch die jüngsten Misserfolge nicht gefährdet, kann der politische Gegner nicht teilen: "Früher war es bei Wahlen auf kommunaler Ebene immer das Grundduell Rot gegen Schwarz", sagt der CSU-Kreisvorsitzende Florian Hahn. Aber das ändere sich jetzt. "Künftig wird es heißen: Schwarz gegen Grün." Und deshalb dürften die Sozialdemokraten auch nicht darauf vertrauen, dass der Faktor Persönlichkeitswahl im Frühjahr 2020 eine entscheidende Rolle spielen werde. "Fünfzig Prozent der Wähler zu verlieren, geht nicht spurlos an einem vorbei. Auch nicht, wenn man als Bürgermeister vermeintlich sicher im Amt ist." Für Stefan Schelle, den CSU-Fraktionsvorsitzenden im Kreistag und Bürgermeister in Oberhaching, hängt ein Wahlerfolg neben der Persönlichkeit des Kandidaten mehr denn je von den Themen ab, die man setzt. "Wenn die Menschen merken, dass es um was geht, um die Zukunftsthemen Mobilität und darum, ob wir uns den Raum noch leisten können, gehen sie zur Wahl."

Die Grünen sehen sich seit Sonntag darin bestätigt, dass ihr Erfolg bei der Landtagswahl kein Zwischenhoch war. Jetzt halten sie auch für die Kommunalwahl mehr denn je für möglich. Dass sie ihre Sitze in den Gemeinderäten und im Kreistag vermehren wollen, gilt als ausgemacht. In manchen Gemeinden - vor allem wo ein neuer Rathauschef gewählt wird - liebäugeln sie gar mit dem Bürgermeisterposten.

"Es ist super motivierend, was alles drin ist", sagt die Landtagsabgeordnete Claudia Köhler aus Unterhaching. "Überall haben wir tolle Chancen." Damit meint sie nicht nur die Posten, die aufgrund des Rückzugs bisheriger Rathauschefs neu besetzt werden, wie etwa Neubiberg und Höhenkirchen-Siegertsbrunn, sowie die Verteidigung des grünen Rathauses in Pullach, wo Susanna Tausendfreund wieder antritt. Auch in Unterhaching hält sie einen Wahlsieg für möglich. Die Grünen wollen allerdings erst Ende Juni damit herausrücken, wen sie als Kandidaten aufstellen.

Auch die Neubiberger Grünen haben ihren Bewerber um das Bürgermeisteramt noch nicht benannt. Doch sieht der Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat und Kandidat von 2014, Kilian Körner, durch das Ausscheiden von Bürgermeisters Günter Heyland gute Chancen. 25,9 Prozent holten die Grünen bei der Europawahl. Sie seien im Ort präsent und schnitten schon vor fünf Jahren besser als die SPD ab. Auch in Höhenkirchen-Siegertsbrunn (26,2 Prozent) wollen die Grünen bei der Bürgermeisterwahl mindestens in die Stichwahl kommen und zweitstärkste Fraktion im Gemeinderat werden, wie Ortsvorsitzende Gudrun Hackl-Stoll sagt. In Oberhaching ist die Diskussion laut Ortschef Claus Katzer noch nicht beendet, ob die Grünen einen Kandidaten aufstellen. Klares Ziel sei aber, die Sitze im Gemeinderat von zwei auf fünf zu erhöhen und die SPD zu überholen.

Die FDP sieht in dem mageren Ergebnis der Europawahl kein Menetekel. Sie sieht sich im Landkreis München trotz ihrer relativ wenigen Mandate in Rathäusern als etabliert an. Kreisvorsitzender Michael Ritz qualifiziert die EU-Wahl deshalb als "eine komplett andere Wahl, als wir 2020 erleben werden". Kommendes Jahr würden Personen entscheiden. Es werde zählen, ob man am Ort präsent sei oder nicht. Und da habe die FDP in den vergangenen Monaten Aufbauarbeit geleistet, etwa mit den Ortsverbänden in Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Haar. In Taufkirchen und Gräfelfing werde man mit eigenen Bürgermeisterkandidaten antreten, kündigt Ritz an. Starke Ortsverbände habe man auch in Oberhaching und Baierbrunn, wo mit dem EU-Kandidaten Hannes Hartung eine starke Persönlichkeit für die Liberalen Gesicht zeige. "Das gab es früher nicht." Die langfristig ausgerichtete Arbeit der FDP werde sich auszahlen.

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