Kommunalwahl Landkreis München:Der orange Faden

Grasbrunn, Otto Bußjäger in seinem Wald

"Wir müssen mit vielen Dingen achtsamer umgehen": Otto Bußjäger, der Landratskandidat der Freien Wähler, setzt auf Nachhaltigkeit.

(Foto: Angelika Bardehle)

Otto Bußjäger war Bürgermeister, ist Gemeinderat und einer von fünf Stellvertretern des Landrats. Zumindest das will der Kandidat der Freien Wähler auch nach dem Wahltag bleiben.

Von Martin Mühlfenzl

Ganz richtig liegt Otto Bußjäger mit seiner Farbenlehre nicht. Orange, sagt der Landratskandidat der Freien Wähler, setze sich aus Grün, Rot und möglicherweise noch Blau zusammen - also den Farben von Grünen, SPD und CSU. Tatsächlich ergibt die Mischung aus Rot und Gelb die Farbe Orange. Aber diese leichte Unschärfe dürfte dem 49-Jährigen egal sein, geht es ihm doch um den "orangen Faden", der sich - seiner Einschätzung nach - durch sein politisches Leben zieht: Und den beschreibt Bußjäger als "tief sozial, tief ökologisch und wertkonservativ."

Bußjäger, der einer von fünf Stellvertretern von Landrat Christoph Göbel (CSU) ist, empfängt vor der Pension Jagermo in Grasbrunn, dem Stammsitz seiner Familie gewissermaßen. Bis ins Jahr 1730 reichen die Wurzeln der Familie an diesem Standort zurück. Direkt an der Einfahrt streckt Bußjäger seinen Arm aus und deutet auf eine etwas karge Stelle an der Grundstücksgrenze. Dort habe bis vor wenigen Jahren ein "riesiger Baum" gestanden, den die Familie unbedingt erhalten wollte, sagt er. Bei der Planung der Pension habe man extra auf ein paar Quadratmeter Wohnfläche verzichtet und den Bau etwas kleiner gehalten, damit sich der Riese frei entfalten konnte. Aber dann musste der Baum doch gefällt werden, er sei nicht mehr lebensfähig gewesen und habe daher eine Gefahr dargestellt. "Wirklich schade", sagt Bußjäger. Der Schmerz über den Verlust ist ihm noch anzumerken.

"Ich war sozusagen der ökologische, soziale Flügel der CSU."

Bußjäger wohnt mit seiner Frau Alexandra und den zwei Kindern in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, wo er auch im Gemeinderat sitzt. Doch hier in Grasbrunn ist Bußjäger groß geworden, in Neukeferloh und anschließend in Haar zur Schule gegangen. Er hat Heizung-, Sanitär- und Lüftungsbau beim damaligen Zweiten Bürgermeister von Grasbrunn, Johann Schmidt, gelernt und sich 1993 selbständig gemacht. Die Firma hat er neun Jahre später aufgegeben - aus gutem Grund: Er wurde zum Bürgermeister seiner Heimatgemeinde gewählt, für die CSU. "Die haben mich Mitte der Neunzigerjahre geschnappt", sagt Bußjäger rückblickend. "Ich war sozusagen der ökologische, soziale Flügel der CSU. Ich bin ein durch und durch kommunaler, sozialer Mensch. Heimat und die Gemeinden sind mir wichtig."

Das ist auch in der Pension Jagermo zu spüren, in dem im klassisch bayerischen Stil eingerichteten Gastraum. An den Wänden hängen alte Ansichten des Hauses, von der Brennerei in Grasbrunn, die es längst nicht mehr gibt, und vom Feuerwehrhaus. Politik, sagt Bußjäger, habe anfangs bei ihm selbst überhaupt nicht im Fokus gestanden. "Schon mein Großvater hat immer gesagt: Engagiert euch in eurer Gemeinde, da könnt ihr aktiv mitgestalten, es muss nicht unbedingt eine Partei sein", erinnert sich der Enkel. "Ich war lange in der Jugendarbeit aktiv, bei den Ministranten, in Elterninitiativen." Sein Bruder Johannes ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr am Ort.

Spätestens aber seit seiner Zeit als Rathauschef ist die Politik nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken. Wenn Bußjäger über die sechs Jahre spricht, in denen er die Geschicke im Rathaus in der Hand hatte, überschlägt er sich nahezu und rattert all die Themen und Projekte herunter, die ihn damals beschäftigt haben und die er umgesetzt habe: der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, die heute noch ausreichend seien, das Pflegeheim, das er auf den Weg gebracht habe, der Sportpark, die Erweiterung des Grasbrunner Feuerwehrhauses, die Digitalisierung im Rathaus, die Grundschule, das Feuerwehrhaus in Harthausen, die neue Ortsmitte in Neukeferloh, die Umstrukturierung des Gewerbeparks. "Ich blicke sehr positiv auf diese Zeit zurück. Es waren anfangs wirtschaftlich schwierige Zeiten, aber wir haben viel auf den Weg gebracht", sagt Bußjäger. Rückblickend, findet er, sei das Tempo vielleicht manchmal zu hoch gewesen.

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Motor und Korrektiv - so will Bußjäger gestalten

Möglicherweise hat auch dieses Tempo zur Entfremdung zwischen ihm und der CSU geführt. "Das ist in der Politik manchmal so. Wir waren in vielen Dingen unterschiedlicher Auffassung." Das führte 2008 zur Trennung. Bußjäger überlegte lange, noch einmal anzutreten, gründete dann eine unabhängige Wählervereinigung, scheiterte bei der Bürgermeisterwahl im selben Jahr aber in der ersten Runde. Wahlen dürfe man verlieren, sagt Bußjäger, nicht aber seine Überzeugungen.

Die Abkehr von der CSU und die verlorene Bürgermeisterwahl bedeuteten für Bußjäger aber keinen Ausstieg aus der Politik. "Wahrscheinlich war ich danach sogar politischer unterwegs als je zuvor", sagt er. Bußjäger gründete seine Agentur "Bußjäger Kommunalberatung", organisierte unter anderem den Landtagswahlkampf des Ismaningers Nikolaus Kraus und wurde dessen Büroleiter im Landtag. Kraus war es auch, der Bußjäger zurück in die Kommunalpolitik holte, als Landratskandidat der Freien Wähler im Jahr 2014. Damals erreichte Bußjäger 10,2 Prozent der Stimmen. "Der Nick hat wohl mein Potenzial erkannt", vermutet Bußjäger, ohne darauf einzugehen, dass das Verhältnis der ehemaligen Partner zerrüttet ist. Beide hatten voriges Jahr um die Landratskandidatur der Freien Wählern gekämpft, es fielen wechselseitig nicht eben freundliche Worte. Am Ende setzte er sich durch.

Seitdem ist er mit einer Botschaft im Wahlkampf unterwegs, die er unablässig wiederholt: "Ein moderner Landkreis im Grünen - liebenswert und leistungsfähig." Viel sei in den vergangenen sechs Jahren im Kreistag erreicht worden, sagt Bußjäger, und viel hätten die Freien Wähler und er selbst auf den Weg gebracht. "Ich war derjenige, der gesagt hat, wir brauchen einen neuen Schulbedarfsplan. Der alte beruhte auf Zahlen von Anfang des Jahrtausends. Wir wollen aber Schulen für die Zukunft bauen", so der Kreisrat. "Wir brauchen soziale Mobilität, die alltagstauglich ist und natürlich brauchen wir soziales Bauen. Ich sage bewusst nicht Sozialbauten."

Der Landkreis könne an seinem Erfolg auch ersticken, warnt Bußjäger, wenn sich Menschen, die hier seit 40 Jahren lebten, und selbst studierte Fachkräfte das Leben und die Miete nicht mehr leisten könnten. Dass er bei der Wahl auf drei Mitbewerber von 2014 trifft, bezeichnet Bußjäger als Zeichen der Kontinuität. "Das ist gut in einer Zeit der großen Umbrüche", sagt er. "Ich und die Freien Wähler wollen dabei Ideengeber, Motor und Korrektiv sein." Und er zumindest wieder Landratsstellvertreter werden.

Für ihn, der nach eigenen Worten aus einer landwirtschaftlich geprägten Familie kommt, spiele das Thema Nachhaltigkeit eine große Rolle. "Wer so geprägt ist, denkt nicht in Legislaturperioden, sondern in Generationen. Da pflanzt man einen Baum und weiß, da habe ich nichts davon und mein Kind auch nicht, aber die übernächste Generation vielleicht." So wie er als Bürgermeister Bäume auf einer 25 000 Quadratmeter großen Fläche pflanzen ließ. "Wir müssen mit vielen Dingen achtsamer und ökologischer umgehen", sagt Bußjäger - mitten in seinem Wald. Vielleicht ist genau das der orange Faden.

Alle Berichte, Reportagen und Analysen zur Kommunalwahl unter www.sueddeutsche.de/thema/Kommunalwahl_im_Landkreis_München.

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