Süddeutsche Zeitung

Baukosten:Ein ganz normales Gymnasium - für 94 Millionen Euro

Lesezeit: 3 min

Von Christina Hertel, Kirchheim

Es klingt nach großem Luxus: Rund 94 Millionen Euro soll das neue Gymnasium in Kirchheim kosten - es gehört damit zu den teuersten rund um München. Eigentlich wollte der Gemeinderat die Kosten auf 75 Millionen Euro begrenzen. Inzwischen steht allerdings fest, dass dies nicht klappt und der Bau sogar die erste Kostenschätzung von 88 Millionen überschreitet, über die sich damals so viele Menschen empört haben. Goldene Wasserhähne und Marmorböden gibt es in der Schule trotzdem nicht. Doch was macht das Gymnasium dann so teuer?

Bauphysiker Philip Leistner vom Fraunhofer Institut kennt sich mit Schulgebäuden in Deutschland aus. Alle paar Jahre organisiert er in Stuttgart den Kongress "Zukunftsraum Schule" - das nächste Mal im Herbst. Architekten, Pädagogen und Wissenschaftler tauschen sich dort über neue Konzepte und Probleme beim Schulneubau aus. Leistner hat einen Blick auf die Pläne in Kirchheim geworfen. Sein Fazit: "Den Bau kann man nicht als luxuriös bezeichnen." Es sei schlicht eine große Schule für viele Schüler und deshalb so teuer.

Laut Leistner ist es üblich, dass in Schulbauten ein Quadratmeter Nutzfläche etwa 3000 bis 4000 Euro kostet. Kirchheim liegt mit rund 3600 Euro pro Quadratmeter in dieser Preisspanne. Anders als Unterföhring, wo ebenfalls ein Gymnasium für mehr als 90 Millionen Euro entsteht. Dort kostet der Quadratmeter nach derzeitigem Stand 4200 Euro. Das geht aus einer Präsentation hervor, die die Kirchheimer Verwaltung erstellt hat.

Dass die Schule in Kirchheim so teuer wird, liegt also hauptsächlich an ihrer Größe. 1350 Schüler aus Aschheim, Feldkirchen und Kirchheim sollen sie besuchen. Die Nutzfläche ist im neuen Gymnasium etwa 15 Prozent größer als in der alten Schule - so gebe es die Möglichkeit, neue Unterrichtskonzepte auszuprobieren, schreibt Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU). Die Klassenzimmer sind mit Wlan, interaktiven Displays und Whiteboards ausgestattet. Tische und Stühle sind so beschaffen, dass man sie schnell zu Arbeitsgruppen zusammenstellen kann - fast fünf Millionen Euro kostet die erste Einrichtung. Außergewöhnliche, besonders innovative bauliche Experimente erkennt Schulexperte Leistner in Kirchheim allerdings nicht. Eine moderne Ausstattung der Räume sei inzwischen Standard. Denn es sei normal, dass in Klassenzimmern nicht mehr nur Frontalunterricht stattfindet.

Nichts, sagt der Experte vom Fraunhofer Institut, sei an der Kirchheimer Schule in puncto Kosten besonders auffällig. Es gebe aber durchaus Elemente, die den Preis in die Höhe treiben und die sich nicht in jeder Schule finden lassen - etwa eine Tiefgarage. In Kirchheim soll sie 100 Parkplätze haben und fast drei Millionen Euro kosten. Ein Parkplatz an der Oberfläche, sagt Leistner, wäre sicherlich günstiger - wenn auch nicht zwangsläufig sinnvoller. "Früher war es manchen Kommunen und Planern egal, wie viel Fläche sie für Parkplätze verbrauchen. Und heute merken sie: Das war falsch."

Auch die große Aula, in der bis zu 600 Menschen Platz haben, sei sicher wertvoll, aber nicht selbstverständlich. Ebenso sei die Fotovoltaikanlage, die auf das Dach des Kirchheimer Gymnasiums soll, in den meisten Schulen kein Standard. Doch Leistner findet: Nicht nur der Preis sollte bei einem Gebäude entscheidend sein, sondern auch dessen Nachhaltigkeit.

Von willkürlichen Kostendeckeln hält der Experte nach eigenen Worten wenig. Im Schnitt werden laut Leistner Schulneubauten bis zu 80 Prozent teurer als zunächst geplant. Ein Grund dafür sei, dass nicht gründlich geplant und das Budget nicht realistisch bestimmt wurde. Und wenn die Planer später bemerken, dass etwa ein weiterer Chemiesaal oder eine zusätzliche Toilette benötigt wird, werde das ungleich teurer.

Auch in Kirchheim sind die Kosten im Vergleich zu den ersten Schätzungen gewachsen. Grund für die Steigerung von 88 auf 94 Millionen Euro: Die Berechnungen seien am Anfang noch zu ungenau gewesen, schreibt der Kirchheimer Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU). Dabei wiesen die Architekten schon 2017 daraufhin, dass es ein Risiko für Kostensteigerungen gebe. Sie plädierten für einen Puffer von rund elf Millionen Euro. Insgesamt kamen sie damit schon damals auf Kosten, die über denen von heute liegen: 98 Millionen Euro. Nur sprach über diese Zahl lange niemand mehr. Stattdessen einigten sich die Gemeinderäte auf einen Kostendeckel von 75 Millionen Euro - den sie willkürlich festlegten und den sie nun nicht einhalten können.

Das Gymnasium ist Teil der neuen Ortsmitte, die zwischen Kirchheim und Heimstetten gebaut wird. Die Gemeinde informiert am Montag, 3. Juni, von 19 Uhr an in der Aula des Gymnasiums über den aktuellen Stand dieses Vorhabens. Anlass für die Veranstaltung ist, dass die Gemeinde die Bürger auf den nächsten, gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensschritt vorbereiten will. Von 26. August an liegen die Pläne öffentlich aus und die Bürger können Einwände vorbringen.

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SZ vom 29.05.2019
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