Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Im Landschaftsschutzgebiet ist Platz für Windräder

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Der Landkreis München weist im Hofoldinger und Höhenkirchner Forst Zonen für den Bau von Windrädern aus. Damit ist der Weg frei für einen wichtigen Baustein bei der Energiewende - die Planungshoheit behalten aber die Gemeinden.

Von Martin Mühlfenzl, Sauerlach/Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Am Ortsrand von Sauerlach blickt man über die Felder auf die dunkle Front des Hofoldinger Forstes. In nicht allzu ferner Zukunft könnte sich diese Sicht dramatisch verändern, wenn sich Windräder mit einer Gesamthöhe von mehr als 250 Metern über den Bäumen drehen. Klar ist, die Energiewende wird auch die Landschaft verändern, davon zeugen etwa die moderne Geothermie-Anlage am östlichen Ortseingang von Sauerlach oder im Brunnthaler Ortsteil Kirchstockach - am prägendsten werden aber Rotoren das Landschaftsbild wandeln.

Jahrzehntelang war der Bau von Windkraftanlagen im Landkreis München ein Tabuthema. In den Landschaftsschutzgebieten, die etwa ein Drittel der Fläche im Landkreis ausmachen und zu denen auch der Großteil des Hofoldinger sowie des Höhenkirchner Forstes gehören, waren sie sogar untersagt. Nun aber hat der Ausschuss für Energiewende, Landwirtschaft und Umweltfragen den Weg mit einer Änderung der Verordnung über die Landschaftsschutzgebiete in den beiden Forsten frei gemacht - und Zonen festgelegt, in denen Rotoren gebaut werden dürfen. Die bis zuletzt gültige Fassung der Verordnung stammte aus den Siebzigerjahren. Damals habe noch niemand an Windräder im Landkreis gedacht, sagte Landrat Christoph Göbel (CSU).

Im Höhenkirchner und Hofoldinger Forst sollen jeweils drei Windräder gebaut werden. Um die Pläne im Hofoldinger Forst zu verwirklichen, haben sich die Gemeinden Aying, Sauerlach und Otterfing mit den Landkreisen München und Miesbach in einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) zusammengeschlossen, die ursprünglich ebenfalls beteiligte Gemeinde Brunnthal ist im vergangenen Jahr aus der Kooperation ausgestiegen. Der Arge Höhenkirchner Forst gehören Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Egmating und Oberpframmern sowie die Landkreise Ebersberg und München an. Und es werden letztendlich die Gemeinden sein, die über die Errichtung von Windrädern entscheiden. Seit 2011 befinden sich die beiden Waldgebiete, die einst gemeindefrei waren, in gemeindlichem Besitz - damit liegt die Planungshoheit bei den Rathäusern.

Zonen für den Bau von Rotoren aber kann nur der Landkreis festlegen - und das hat er nun auch unter dem Druck sich wandelnder Rahmenbedingungen getan: 1155 Hektar im Höhenkirchner Forst und 1688 Hektar im Hofoldinger Forst wurden dafür ausgewählt.

Das "Osterpaket" von Minister Habeck zeigt erste Wirkung

Zwar versucht die CSU-geführte Staatsregierung im Grunde weiterhin verzweifelt an der sogenannten 10-H-Regelung festzuhalten - wenn auch mit Ausnahmen -, allerdings hat sich auch der Freistaat zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Hinzu kommt das von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geschnürte "Osterpaket", das deutliche Erleichterungen bei der Genehmigung erneuerbarer Energieträger zum Ziel hat, und in dem festgehalten ist, dass in Deutschland zwei Prozent aller Flächen für die Stromerzeugung mit Windkraft freigehalten werden müssen. Wenn der Landkreis München diese Vorgabe erfüllen will, sagte Sören Schöbel-Rutschmann, Professor für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume an der TU München, müssten zwingend Landschaftsschutzgebiete mit einbezogen werden. "Und auch der Bund weist darauf hin, dass Windkraftanlagen bevorzugt in Landschaftsschutzgebieten errichtet werden sollen", erläuterte Schöbel-Rutschmann im Ausschuss.

Im Auftrag des Landkreises hat Schöbel-Rutschmann ein Gutachten erstellt, das nun als Grundlage für die Änderung der Verordnung diente. Der Experte wies die Kreispolitiker darauf hin, dass sich die Erhaltung eines Landschaftsschutzgebietes und die Energiewende nicht zwingend entgegen stehen müssten, allerdings gelte es, insbesondere den "Gebietscharakter" der beiden Forste als geschlossene Waldgebiete zu erhalten.

Zwar werde diese Geschlossenheit etwa durch die Massivität der Autobahn A 8 oder auch die Stromtrasse durchbrochen, außerdem gebe es immer wieder Eingriffe in den Wald, etwa durch eine Bewirtschaftung und auch durch Kahlschlag, sagte Schöbel-Rutschmann. "Beim Gebietscharakter geht es aber auch darum, dass der Wald nicht zu viele solcher Windkraftanlagen erhält", machte er deutlich, zudem dürfe die "Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes" nicht beeinträchtigt werden.

Und wenn es um den Charakter des Waldes geht, spielt natürlich vor allem eine Rolle, wo die Windräder platziert werden - "um nicht zu dominant zu wirken". Vor allem die Übergänge vom Wald in das offene Gelände an den Rändern müssten geschützt werden, daher schlug Schöbel-Rutschmann vor, von diesem Bereich aus einen Abstand von 750 Metern bis zur Windkraftanlage im Wald einhalten zu müssen.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht hätte gegen den Bau von Windrädern sprechen können, dass das sogenannte Postkartenmotiv getrübt werden könnte, die Rotoren also das Sichtfeld massiv stören würden. Dies sei in den beiden Forsten aber nicht zu befürchten, sagte der Experte, auch Erholungssuchende sollten durch die sechs Windräder kaum gestört werden. Die Windenergieanlagen würden nur in einem sehr kleinen Teil, etwa zehn Prozent des Waldes, überhaupt zu hören und sehen sein, so Schöbel-Rutschmann.

Damit ist der Weg frei für den großflächigen Einstieg in die Windenergie im Landkreis München. Nach den Sommerferien wird der Kreistag dann ein nahezu identisches Projekt im Forstenrieder Park auf den Weg bringen.

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