Der Auftritt von Landrat Christoph Göbel (CSU) im Festsaal des Landratsamts passte ins Bild: Humpelnd kam er in den Finanzausschuss, weil er sich, wie er bemerkte, „nicht beim Sport, sondern aus purer Dummheit“ daheim am Knöchel verletzt hatte. In der Sitzung wurde dann deutlich, dass es auch für den Landkreis München nicht rund läuft – er geht finanziell am Stock.
Was sich schon vergangenes Jahr bei den Haushaltsberatungen gezeigt hat, als Kämmerei und Kreisräte ein 50 Millionen Euro großes Haushaltsloch zu stopfen hatten, setzt sich bei der Erstellung des Budgets für 2025 fort. Wie Kreiskämmerer Felix Heinrich am Montagnachmittag im Finanzausschuss ausführte, beläuft sich die Unterdeckung im Verwaltungshaushalt derzeit auf 90,3 Millionen Euro. Diese vorläufige Berechnung ist das Resultat aus deutlich reduzierten Einnahmen – etwa minus zwei Millionen Euro Grunderwerbsteuer – sowie massiv steigenden Ausgaben: beispielsweise plus fünf Millionen beim Personal, plus 14,8 Millionen beim Unterhalt der weiterführenden Schulen und plus 8,3 Millionen bei der Jugendhilfe.
Insgesamt rechnet man im Landratsamt mit Mindereinnahmen von 46,3 Millionen Euro. Gleichzeitig dürfte die Umlage an den Bezirk Oberbayern um 6,5 Millionen steigen. So summiert sich das Loch im Etat auf 90,3 Millionen. „So eine Herausforderung ist mir noch nicht begegnet“, sagte Landrat Göbel. Nun gelte es, Möglichkeiten zu finden, um diese Unterdeckung auszugleichen. Doch viele Potenziale wurden bereits bei der Aufstellung des Haushalts 2024 ausgeschöpft. Deshalb werde eine nochmalige Sparrunde bei Weitem nicht die Tragweite haben, so Göbel. Dennoch schaue man sich alles an: den Personalhaushalt, die kreiseigenen Schulen, die Jugendhilfe und den Nahverkehr.
Letztendlich wird nach Göbels Worten jedoch eine Erhöhung der Kreisumlage, also der Abgabe von Städten und Gemeinden an den Landkreis, unumgänglich sein. Und diese dürfte drastisch ausfallen: Müsste der Fehlbetrag von 90 Millionen ausschließlich durch die Kreisumlage aufgefangen werden, würde diese von gegenwärtig 48,8 um 6,6 Prozentpunkte auf 55,4 steigen. Vor einer Entscheidung will Göbel mit den Bürgermeistern darüber sprechen, welche Auswirkungen dies auf die kommunale Leistungsfähigkeit hätte.
Den Grund für den finanziellen Engpass sieht der Landrat in der Lage der deutschen Wirtschaft: „Die Effekte schlagen auf uns nieder.“ Beispielhaft nannte Göbel im Ausschuss Medienunternehmen, wie sie etwa in Unterföhring ansässig sind. Diese seien ein Indikator für die Wirtschaft. In guten Zeiten profitierten sie von Werbepartnern. Das sei nun nicht der Fall. Der frühere CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch sagte, dass wegen der falschen Wirtschaftspolitik der Ampelkoalition in Berlin überall in Deutschland Geld fehle. Der Haarer rundete die 90 Millionen Defizit auf hundert auf und äußerte die Hoffnung, dass nach der Bundestagswahl schon 2026 „alle miteinander wieder genügend finanzielle Mittel“ hätten.
Der SPD-Kreisrat und Garchinger Bürgermeister Dietmar Gruchmann zeigte sich im Finanzausschuss von dem 90-Millionen-Loch „schon überrascht“. Zugleich sagte Gruchmann: Die Zeiten, in denen der Landkreis „sehr großzügig war, weil er es sich leisten konnte“, seien definitiv vorbei. Für die Stadt Garching erwartet deren Rathauschef bei einer Erhöhung der Kreisumlage 2025 noch keine gravierenden Auswirkungen. „Aber 2026 bricht es uns das Genick.“
Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) bleibt auf Nachfrage eher vage: „Jeder zusätzliche Prozentpunkt bedeutet für uns eine steigende Last, die in der derzeit herrschenden angespannten finanziellen Situation noch schwerer wiegt“, teilt er schriftlich mit. Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) wird da deutlicher: Er sieht die Kommunen im Landkreis München längst an der finanziellen Belastungsgrenze und bringt als „Ultima ratio“ sogar eine Klage gegen eine mögliche Erhöhung der Kreisumlage ins Spiel. Selbst für Ismaning, von den Finanzen her die fünftstärkste Kommune im Landkreis, werde der Handlungsspielraum eng. „Es müssen Projekte verschoben werden“, so Greulich. „Was sollen da andere Kommunen sagen, denen es nicht so gut geht wie uns?“
So wie etwa Unterhaching. „Bei uns waren 2023 die Steuereinnahmen hoch, deshalb wird uns die höhere Umlage für 2025 mit doppelter Wucht treffen“, schwant Wirtschaftsreferent Simon Hötzl. Jeder zusätzliche Punkt in der Kreisumlage belaste Unterhaching mit 650 000 Euro, bei einem Plus um 6,6 Prozentpunkte also mit 4,3 Millionen Euro. Sauerlachs Bürgermeisterin Barbara Bogner (Unabhängige Bürgervereinigung) warnt gar vor einer „Katastrophe“ für die Kommunen. „Ich weiß nicht, wie viel uns übrig bleibt. Es kommt ja auch immer weniger Grunderwerbssteuer rein, ebenso weniger Gewerbesteuer.“
„Das Geld war da, und es war sinnvoll, es auszugeben.“
Das kleine Sauerlach kämpft seit jeher mit geringen Steuereinnahmen, steht aber unter anderem wegen des Baus eines Gymnasiums vor enormen Herausforderungen. Dass der Landkreis in der jüngeren Vergangenheit über seine Verhältnisse gelebt hätte, sieht Bogner nicht. „Das Geld war da, und es war auch sinnvoll, es für die Menschen auszugeben.“ Etwa für den ÖPNV auf dem Land.
Pragmatisch reagiert Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund. „Der Landkreis erfüllt seine Aufgaben so gut es geht und das allermeiste davon sind Pflichtaufgaben“, sagt die Grünen-Politikerin. Sie ärgert sich über den Freistaat Bayern, der immer mehr Aufgaben auf die Kommunen abwälze. Pullach werde eine Erhöhung der Kreisumlage besser bewältigen können als finanziell schlechter aufgestellte Städte und Gemeinden. „Es braucht jetzt eine Gesamtschau, was wir alle gemeinsam verkraften können“, sagt sie.