Hundert Tage im Amt:Der grüne Schwarze

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Andreas Bukowski ist der erste CSU-Bürgermeister im lange von der SPD regierten Haar. (Foto: Angelika Bardehle)

Haars neuer Bürgermeister Andreas Bukowski von der CSU setzt vor allem auf ökologische Themen und sieht seine Rolle im Gemeinderat als Moderator.

Von Bernhard Lohr, Haar

Letztens musste Andreas Bukowski doch schlucken. Es gab einen ersten ernsten Konflikt im Gemeinderat und der neue Bürgermeister und sein Amtsverständnis standen gleich im Zentrum der Auseinandersetzung. Der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer, 81, warf dem 40-jährigen, in der Politik noch unerfahrenen CSU-Mann vor, er habe sich naiv von einem Autohaus zu Werbezwecken einspannen lassen. Noch Tage später ärgert sich Bukowski über die Attacke. Sie sei ungerechtfertigt gewesen und die Presse habe alles dann aufgebauscht, sagt er. Die Freude am Amt aber lasse er sich von so etwas nicht rauben.

Dass er ein besonderes Amt übernommen hat, wird Andreas Bukowski aber nicht nur bewusst, wenn er sich im Gemeinderat einer Breitseite vom politischen Kontrahenten zu erwehren hat. Bukowskis Vorgänger haben die Rolle des Bürgermeisters stets machtvoll interpretiert. In Haar laufen alle Fäden im Rathaus beim Rathauschef zusammen. Und jetzt sitzt der 40-jährige Quereinsteiger am Besprechungstisch im sonnendurchfluteten Bürgermeisterzimmer und erzählt, was er alles "auf den Weg bringen will". Anfangs hat Bukowski noch damit kokettiert, dass er, der Neuling, diesen Überraschungscoup hinbekommen hat und als erster CSUler im lange Zeit von der SPD dominierten Rathaus sitzt.

Er will die alten Machtblöcke aufbrechen

Doch das ist vorbei, jetzt will er zeigen, dass er einen neuen, überparteilichen, kommunikativen Stil ins Rathaus bringen und Dinge verändern kann. Immer wieder spricht er davon, die Interessen der Bürger ernstnehmen und Dinge "umsetzen" zu wollen. Er will sich als über den Fraktionen stehender Bürgermeister positionieren. Als erstes machte er sich daran, die alten Machtblöcke im Gemeinderat aufzubrechen. Die SPD wurde bei der Wahl der Stellvertreter des Bürgermeisters ausgebremst. Ulrich Leiner von den Grünen wurde Zweiter Bürgermeister. Die Zeichen für einen Neuanfang waren gesetzt, verbunden mit der Beteuerung freilich, die SPD nicht auszugrenzen.

Dass das funktionieren kann, hat sich bei einigen Abstimmungen sogar schon gezeigt, weil manchmal die CSU mit den Grünen und manchmal die SPD mit den Grünen eine Mehrheit bilden. Die Entscheidungsfindung ist spannender geworden, und es hat sich herausgestellt, dass die Grünen als Zünglein an der Waage neben Bukowski zweite Gewinner der Kommunalwahl vom März sind. Die SPD scheint dagegen langsam in die Rolle einer Art Opposition zu rücken, wie auch der Streit zwischen Gantzer und Bukowski zeigt.

Mit dem Knatsch mit der SPD kann Bukowski leben und noch viel besser mit der neuen Nähe zu den Grünen. Beim Streit um den Autokauf geht es bezeichnenderweise um ein Elektrofahrzeug. Bukowski fand es nach eigenen Worten in Ordnung, dass das Autohaus das werblich publik macht, weil er als CSU-Bürgermeister und oberster Klimaschützer der Gemeinde ein Vorbild abgeben habe wollen. Ökologie war tatsächlich schon Bukowskis Thema, als er noch als Deutschland-Geschäftsführer eines Naturkosmetik-Unternehmens die Akteure in der Kommunalpolitik nur von der Seitenlinie beobachtete.

Als Bürgermeister will Bukowski, wie er beim Gespräch in seinem Büro betont, grüne Themen und eine intensivere Wirtschaftsförderung zusammenbringen. Als Bürgermeister stieß er gleich eine Bürgerbefragung zum Grünflächen-Management in der Gemeinde an. Er ließ kurzerhand Fahrradstreifen auf der Straße markieren. Das Mobilitätskonzept, das mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer vorsieht, soll umgesetzt werden. Gemeinderäte aller Fraktionen sollen in Arbeitsgruppen Konzepte für eine Minibuslinie und für genossenschaftliches Bauen entwickeln. Es gibt Initiativkreise für Digitalisierung, für Wirtschaft sowie Ortsgestaltung und Kunst am Bau. Und Bukowski spricht gerade mit Blick aufs Gewerbe wieder über sein Konzept einer "doppelten Innenentwicklung".

Bukowski hält sich zurück und moderiert die Sitzungen

Er glaubt an die auch vom Bundesumweltministerium als stadtplanerische Idee propagierte Möglichkeit, Flächen für Gewerbe etwa nutzbar zu machen und zugleich ökologisch aufzuwerten. Er wolle "ökologisch nachhaltige Gewerbegebiete", sagt er. Und zwar nachprüfbar. So könnte ein Screening ermitteln, wie es um die Artenvielfalt auf einer Fläche vor einer Gewerbeausweisung bestellt ist und wie hinterher. Das geplante Gewerbegebiet für Kleingewerbe an der Blumenstraße sei völlig versiegelt, sagt Bukowski und könnte in Zukunft anders aussehen.

Neue Impulse will er beim Gemeinde-Marketing setzen und Haar mit seinen Stärken im Ökologischen und Sozialen auch als Klinikstandort für Unternehmen sichtbarer machen. Das Zentrum mit seinen Geschäften möchte Bukowski "gezielt entwickeln" und die Aufenthaltsqualität erhöhen. Und er spricht sich für Radschnellwege aus dem Osten von München über Haar in die Stadt hinein aus.

In den Gemeinderatssitzungen merkt man Bukowski an, dass er neu ist. Er hält sich zurück, moderiert meistens die Diskussion und lässt seinen erfahrenen Verwaltungsleuten den Vortritt. In dem Wortgefecht mit Gantzer um den Autokauf und die Werbung sprang ihm CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer mit scharfen Worten zur Seite. Doch niemand sollte Bukowski, den viele wegen seiner ruhigen Art als angenehmen Gesprächspartner beschreiben, unterschätzen. Er will Menschen und scheinbar gegensätzliche Positionen bei Ökologie und Ökonomie zusammenführen. Aber er stellt gerne auch zwischendurch für alle klar, die es nicht glauben: Er kann kämpfen und klare Kante zeigen. In dem Autostreit mit der SPD, sagt er, sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.

© SZ vom 18.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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