Ruhestand:Auf dem Weg zum Himalaja

Grünwald, Silvia Horn von der gleichnamigen Buchhandlung hört zum Jahresende auf

Abschied vom Buchladen, Aufbruch ins Ungewisse: Silvia Horn beginnt ein neues Leben. Bücher liest sie dann nur noch privat.

(Foto: Angelika Bardehle)

13 Jahre lang hat Silvia Horn als Besitzerin die Grünwalder Buchhandlung geleitet, jede Woche mindestens sechs Romane gelesen und ihren Kunden Lust auf Bücher gemacht - jetzt hat sie ihren Laden verkauft.

Von Claudia Wessel, Grünwald

Nichts hat Silvia Horn vor. Wirklich nichts. Sie setzt nur einfach um, was sie irgendwann mitten im Buchhandlungsstress gedacht hat: "So eine große Pause wäre schon schön." Nachdem sie diesen Gedanken hatte, hörte sie sich um. Jemand sagte, wenn sie ihre Buchhandlung aufgeben wolle, müsse sie das sehr lange vorher in die Wege leiten, denn es könne dauern. Also begann die heute 58-Jährige Ende 2018 damit, in Buchhändlerkreisen von ihrem Vorhaben zu berichten. "Ich plante eigentlich zwei bis drei Jahre", sagt sie. "Aber da klingelte schon das Telefon."

Silvia Horn hat nicht von heute auf morgen verkauft und auch nicht ohne Bedingungen. "Er hat es nicht kampflos bekommen", sagt sie. Sechs Gespräche hat sie mit dem schließlich erfolgreichen Kaufinteressenten geführt, auch alle ihre Mitarbeiterinnen durften mitreden. Das Ergebnis: Sie werden zu denselben Konditionen bleiben, und vor allem soll die Atmosphäre der Buchhandlung erhalten bleiben. "Es wird kein unpersönlicher Bestseller-Laden werden." Das habe das Ehepaar Maria und Johannes Rupprecht versprochen.

Die Nachfolgerin tritt in große Fußstapfen

Die beiden besitzen eine Buchhandlungskette in Bayern mit bisher 44 Filialen. Die Buchhandlung Horn war die 43., inzwischen wurde noch eine dazu gekauft. Auch dass die Leitung ihres Ladens weiter in Frauenhänden bleiben wird, freut Silvia Horn. Die Rupprechts haben eine Filialleiterin eingestellt. Und die nimmt sich auch bereits ein Beispiel an Silvia Horn. "Sie liest sehr viel", das habe sie berichtet. Und dass sie das Gefühl habe, in große Fußstapfen zu treten.

Allein schon was das Lesepensum betrifft, ist das auf jeden Fall zutreffend. Sechs Romane liest Silvia Horn in einer normalen 60-Stunden-Arbeitswoche, neben der Zeit in der Buchhandlung versteht sich. "Im Urlaub schaffe ich zehn", sagt sie. Schließlich möchte sie ihren Kundinnen und Kunden - die Mehrzahl ist weiblich - kompetente Antworten geben. Während mancher sich damit quält, überhaupt ein einziges Buch zu Ende zu lesen, bekennt Horn: "Ich bin süchtig." Schon als sie noch ein Kind war, sei ihre Mutter verzweifelt gewesen, weil sie nichts hörte, wenn sie in ein Buch vertieft war. Wenn sie einmal angefangen hat und ihr ein Buch sprachlich gefällt, dann gibt es oft kein Halten mehr. Sie schafft dann auch 1000 Seiten an einem einzigen Tag.

Den Wälzer "Ein wenig Leben" etwa bekam sie am 24. Dezember 2017 vom Hanser Verlag zugestellt. Gleich am nächsten Morgen um 8 Uhr fing sie an, um 22 Uhr war die letzte Buchseite erreicht. Ihre Freundinnen wissen um ihre Leidenschaft. Wenn sie sie sprechen wollen, sagt Silvia Horn schon mal: "Du, ich kann nicht, ich bin grad am Himalaja", weil sie ein Buch liest, das sie dorthin entführt.

Die Begeisterung für Bücher lässt nach

Natürlich war es wunderbar, dass ihre Leidenschaft auch ihr Beruf war. Seit ihrem 19. Lebensjahr hat sich Silvia Horn mit Bücher befasst, erst in der Buchhändlerinnen-Ausbildung, dann im Germanistikstudium und dann wieder im Buchhandel. Aber dann kam eben der Gedanke, dass es auch mal schön wäre, richtig viel Zeit zum Lesen zu haben ohne andere Termine, ohne Organisatorisches und seit einigen Jahren mit immer mehr Technischem und Digitalem. Und ohne am nächsten Tag eine Bewertung abgeben zu müssen. Denn in ihrer Buchhandlung lagen immer kleine, meist von Silvia Horn selbst handgeschriebene Zettelchen in den gelesenen Büchern auf einem speziellen Tisch.

Richtig viel Zeit zum Lesen wird Silvia Horn vom 2. Januar an haben. Worauf sie sich auch freut, ist, dass sie nicht mehr das anstrengende "Lust aufs Buch-Machen" auf sich nehmen muss. Denn das hat die Bücherfrau in den letzten Jahren zunehmend beobachtet: Immer weniger Menschen lesen von sich aus, immer weniger nehmen sich die Zeit, weil sie so viel mit digitalen Kontakten zu tun haben. Auch die wichtigste Gruppe, die Frauen zwischen 40 und 60, war nicht mehr so begeistert wie früher. Wie viel Zeit und Energie hat Silvia Horn in die Motivation von Leserinnen und Lesern investiert, seit sie vor 13 Jahren die Buchhandlung übernommen hat, und auch schon vorher seit 1995 als Angestellte dort. Sie hat gemerkt, dass ihre Bemühungen immer weniger auf fruchtbaren Boden fallen. Dass es immer anstrengender wird und immer mehr Kraft kostet. Und dass eine große Pause deshalb sehr schön wäre.

Die hat sie nun bald. Nach dem letzten stressigen Weihnachtsgeschäft und der letzten Inventur kommt im neuen Jahr die große Stille. "Ich hab schon Zähneklappern", gibt Horn zu. Und vermutet, dass sie "erst mal weinen" wird. Was aus dem Nichts dann schließlich werden wird, ist auf jeden Fall spannend.

Die große Abschiedsfeier mit allen Bücherfreunden steigt am Freitag, 27. Dezember, ab 19 Uhr in der Buchhandlung, Schlossstraße 14.

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