Grüne:„Wir hatten immer Ups und Downs“

Lesezeit: 3 Min.

Abgang: Der Rückzug der beiden Bundesvorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang stößt bei der grünen Basis auf Verständnis. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Die Grünen-Basis im Landkreis München setzt nach dem Rückzug der Parteispitze auf Neuanfang. Auf Unverständnis stößt die Fundamentalkritik der Jugendorganisation – und das Bashing der Union.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Auch auf kommunaler Ebene kann es passieren, dass es die Grünen personell ordentlich durchschüttelt. Im Taufkirchner Gemeinderat etwa sind nur noch drei der sechs bei der Kommunalwahl im Jahr 2020 gewählten Gemeinderäte der Ökopartei im Gremium – drei haben sich vorzeitig von ihren Ämtern zurückgezogen. Ihre Gründe aber waren gänzlich andere als vergangenen Dienstag beim angekündigten Rückzug der beiden Bundesvorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour. Also weder herbe Klatschen bei einer Wahl noch die daraus resultierende Erkenntnis, einen personellen Neuanfang ermöglichen zu müssen. Sondern sehr viel banalere Gründe wie Umzug oder eine geplante Weltreise.

Der Rückzug der grünen Doppelspitze aber wühlt auch die Parteibasis im Landkreis München auf. Und der Vorstand der Grünen Jugend, der Nachwuchsorganisation der Partei, setzte am Mittwoch mit seinem Ausstieg aus der Ökopartei und der Ankündigung, eine neue, dezidiert linke Partei gründen zu wollen, noch eins drauf. Angesichts dieser Volten in seiner Partei reagiert Christoph Nadler ungewohnt gelassen. „Wir hatten immer wieder Ups und Downs“, sagt der Fraktionschef der Grünen im Münchner Kreistag. „Vor vier, fünf Jahren ritten wir auf der grünen Welle, aber jedem war klar, dass das nicht ewig hält.“

Nadler, der seit Mittwoch für David Grothe als Nachrücker wieder dem Taufkirchner Gemeinderat angehört, findet aber auch kritische Töne zum Zustand seiner Partei – und zur Grünen Jugend. „Mit Aufgeben ist noch nie etwas vorwärtsgegangen“, so der Alt-Grüne. „Ich verstehe aber auch die Jungen, die beste Ideen haben und dann einsehen müssen, dass diese in einer Koalition schwer umzusetzen sind.“ Den Rückzug des Bundesvorstands aber hält Nadler für richtig: „Wir müssen uns neu aufstellen.“ Und auch wieder wehrhafter werden, findet der 68-Jährige mit Blick auf die ständigen Attacken aus der Union und insbesondere des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gegen seine Partei. „Da haben wir zu viel geschluckt. Wir hätten uns früher wehren müssen, aber in angemessener Weise – und nicht so primitiv wie er.“

Der Ottobrunner Gemeinderat Leon Matella, 25, kritisiert die eigene Jugendorganisation und setzt auf das „Momentum“ für einen Stimmungswechsel. (Foto: privat)

Als junger Grüner geht der 26-jährige Ottobrunner Gemeinderat Leon Matella mit seiner eigenen Jugendorganisation sehr viel härter ins Gericht als der erfahrenere Christoph Nadler. „Ich bin der absoluten Überzeugung, dass der Rückzug der falsche Weg ist“, sagt Matella. „Wenn jemand die Richtung einer Partei verändern will, muss er das von innen heraus machen.“ Die beiden Bundesvorsitzenden der Grünen Jugend, Svenja Appuhn und Katharina Stolla, hatten erklärt, die Grünen würden „immer mehr zu einer Partei wie alle anderen“ – und kritisierten etwa die Räumung von Lützerath, das Sondervermögen für die Bundeswehr oder Asylrechtsverschärfungen. „Ich bin auch mit vielen Dingen in der Bundesregierung nicht zufrieden“, sagt Matella. „Aber solche Statements sind schwierig. Und es ist ein alter linker Reflex: Wenn man nicht mehr weiter weiß, wenn die Maximalforderungen nicht erfüllt werden, dann kommt die Zersplitterung – und die Rechtskonservativen schließen die Reihen.“

„Ich werde mir auch nicht mehr so viel bieten lassen.“

Dass die Grünen derzeit so im Feuer stehen und auch bei Wahlen nicht mehr reüssieren können, schiebt die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler aus Unterhaching vor allem auf die Attacken des „Pseudo-Landesvaters“, wie sie Söder nennt. Statt dafür zu sorgen, dass das demokratische Spektrum so groß wie möglich ist, setze dieser auf „Hetze und Niedermachen“. Diesen Weg wolle sie nicht einschlagen. „Ich werde mir auch nicht mehr so viel bieten lassen“, so Köhler. „Es gibt auch viele in der CSU, die den Kurs von Söder nicht mittragen. Mit denen muss man im Gespräch bleiben – aber auch streitbar bleiben.“ Der Rücktritt ihrer beiden Parteivorsitzenden, sagt Köhler, ringe ihr Respekt ab.

Wohin der neue Kurs mit neuem Personal die Grünen führen wird? „Wir sollten uns mehr um soziale Themen kümmern. Uns damit beschäftigen, warum der Mindestlohn immer noch so niedrig ist“, sagt Leon Matella. „Und dem Narrativ gegenübertreten, die Grünen seien nur eine Partei für Städter und Wohlhabende. Das stimmt einfach nicht.“ Und ohnehin, so der Ottobrunner, sei die Stimmung an der Basis gar nicht so schlecht. „Klar gibt es Unzufriedenheit bei den Jungen, bei den Älteren über die Jungen. Aber auch vorsichtigen Optimismus für das Momentum, dass wir die Stimmung wieder drehen“, sagt er. Und eine Austrittswelle habe seinen Ortsverband ohnehin nicht erfasst. „Eher umgekehrt. Wir wachsen stetig.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Neue Wege in der Landwirtschaft
:Was der Bauer nicht kennt, probiert er aus

Es geht doch auch anders: Galloway-Rinder, Safran, Leinöl, Aroniabeeren - um ihren Höfen eine Zukunft zu sichern, lassen sich Landwirte rund um München einiges einfallen. Und manche lassen sich im Urlaub inspirieren.

SZ PlusVon Iris Hilberth und Annette Jäger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: