Kunstrasenplätze im Landkreis:Kicker in Not

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Die Diskussion um mit Mikroplastik belastete Kunstrasenplätze hat auch die Fußballvereine im Landkreis erreicht. In Ottobrunn liegt der Bau eines neuen Spielfelds auf Eis - der TSV Gräfelfing nutzt indes Kork als Alternative.

Von Francesco Collini, Landkreis

Die Kugel rollt wieder, und das immer öfter auf sehr vielen kleineren Kügelchen aus Plastik. Dieser Tage starten viele Fußballmannschaften in den unteren Amateurligen in den Spielbetrieb. Die zweite Mannschaft des SV Heimstetten tritt etwa in der Kreisliga München am kommenden Sonntag, 25. August, von 13 Uhr an gegen den TSV Grafing an, Grüne Heide Ismaning bekommt es bereits am Tag zuvor von 15 Uhr an mit dem SV Waldperlach zu tun.

Und viele Vereine schicken gerade in den unteren Ligen ihre Spieler auf Kunstrasenplätze, weil diese auch bei eng getakteten Spiel- und Trainingsplänen gut bespielbar sind. Doch die Plätze sind wegen einer angeblichen Umweltbelastung durch Plastik in Verruf geraten. Und auch im Landkreis wird mittlerweile intensiv darüber diskutiert, ob diese Spielfelder überhaupt noch eine Zukunft haben.

Wer einmal auf einem Kunstrasenplatz gekickt hat, kennt es viel zu gut: Die kleinen Kügelchen - meistens grün, grau, schwarz oder braun - hängen sich an den Stutzen fest, verstecken sich zwischen den Nähten der Schuhe. Nach harten Einsätzen landen sie manchmal sogar zwischen den Haaren. Dann werden sie eben von Kleidung und Körper heruntergespült - und landen dann in der Umwelt.

In 23 von 29 Kommunen gibt es Kunstrasenplätze

Weil die Bällchen, die oft aus Altreifen hergestellt werden, beim Spielen zerbrechen, werden sie als Mikroplastik eingestuft. Daher erwägt die Europäische Chemikalienagentur (ECHA), sie von 2022 an zu verbieten. Das würde viele Sportvereine schwer treffen. Dass sich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mittlerweile eingeschaltet hat und bei einem Verbot eine Übergangsfrist von sechs Jahren für den Umbau der Plätze fordert, hat auch die Junge Union im Landkreis München aufgegriffen. Sie unterstützt in einer Stellungnahme Seehofers Vorschlag. Die Granulat-Problematik dürfe nicht "auf dem Rücken der Vereine und Kommunen ausgetragen werden", heißt es in der Mitteilung. In 23 der 29 Kommunen des Landkreises gebe es mindestens einen Kunstrasenplatz.

Zurzeit beeinflusst die nationale Debatte aber vor allem zukünftige Projekte. In mehreren Gemeinden des Landkreises wird der Bau von Kunstrasenplätzen in Frage gestellt, es wird diskutiert, ob auf das umstrittene Gummigranulat gänzlich verzichtet und stattdessen umweltschonende Alternativen zum Einsatz kommen sollen. Abwarten, heißt es zum Beispiel in Kirchheim. Dort soll beim geplanten Erweiterungsneubau des Gymnasiums ein Kunstrasenplatz für die Schul- und Vereinsnutzung entstehen.

Das hat der Gemeinderat Anfang Juli beschlossen. Wie genau der Kunstrasenbelag aussehen wird, ist jedoch offen. "Aktuell planen wir mit einem Kunstrasen, aber wir prüfen auch verschiedene andere Optionen", sagt Michèle Schlautmann vom Zweckverband Staatliche weiterführende Schulen im Osten des Landkreises München, der als Bauherr für die Errichtung des Gymnasiums verantwortlich zeichnet. Der für die Freianlagenplanung zuständige Landschaftsarchitekt sei in Kontakt mit mehreren Herstellerfirmen und dort werde "mit Hochdruck" an Möglichkeiten jenseits des Granulats geforscht. Man verfolge außerdem die politischen Entwicklungen auf EU-Ebene.

Schlautmann schließt nicht aus, dass ein natürlicher Rasen wieder in Frage kommen könnte. Die finale Entscheidung liegt dann wieder beim Gemeinderat. In Kirchheim kämpft außerdem die Interessensgemeinschaft Wall gegen den Bau der Spielfläche. Die Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt des Wäldchens beim geplanten Gymnasium einsetzt, griff die Granulat-Debatte als Argument gegen den Kunstrasenplatz auf.

Ein Ort, an dem vorerst kein Kunstrasenplatz gebaut wird, ist Ottobrunn. Zunächst lehnte der Planungsausschuss ab, dann fasste der Gemeinderat Ende Mai einen Grundsatzbeschluss gegen die Errichtung eines zweiten Kunstrasenplatzes. Auch dort führten mehrere Gemeinderäte Bedenken wegen des Mikroplastikgehalts ins Feld, andere verweisen auf die mangelnden Erfahrung mit Kunstrasenplätzen ohne Gummigranulat. Nichts brachte das Versprechen von Bürgermeister Thomas Loderer (CSU), einen Anbieter beauftragen zu wollen, der bereits Kunstrasenplätze mit recycelbarem Material gebaut hatte. Das Thema wird in den nächsten Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder den Gemeinderat beschäftigen, denn die Vereine beklagen sich über den Untergrund des bestehenden Fußballplatzes.

"Wir haben das Gummigranulat von vornherein ausgeschlossen."

Auch in Baierbrunn wartet man die nationalen und internationalen Entwicklungen ab. Bei der letzten Gemeinderatssitzung vor der Sommerpause wurde die Vorstellung eines Konzeptes für einen Kunstrasenplatz durch den SC Baierbrunn zurückgestellt. Als Begründung verwies Bürgermeister Wolfgang Jirschik (ÜWG) auf die bundesweite Debatte. Alexander Lechner, der ebenfalls für die ÜWG im Gemeinderat sitzt und zweiter Vorsitzender beim SC Baierbrunn ist, räumt die Diskussion schnell aus dem Weg: "Wir haben das Gummigranulat von vornherein ausgeschlossen", sagt er. Nun sollen Bodenuntersuchungen folgen. Ob Sand oder Kork als Alternative zum Granulat eingesetzt werden kann, stehe nicht fest.

Als Vorbild dürften die Baierbrunner den TSV Gräfelfing heranziehen. Der Verein, dessen Präsident Landrat Christoph Göbel (CSU) ist, hatte sich bereits vor dem Aufflammen der Diskussion auf Bundesebene für Korkgranulat entschieden und plant einen Kunstrasenplatz mit dieser Verfüllung. Kork gilt als umweltfreundliche Alternative zum Gummigranulat. Laut Oliver Krombach, Planer des Platzes in Gräfelfing, ist Kork im Durchschnitt 1,5 Mal teurer als Gummi. Außerdem besteht laut Experten Schimmelgefahr. Eine SZ-Recherche bei der SpVgg Greuther Fürth, die schon 2013 einen Kunstrasen mit Kork verlegt hat, bestätigt diese Gefahr jedoch nicht. Solche Erfahrungen habe man nicht gemacht, sagte ein Vereinssprecher.

Wie die Diskussion weitergehen wird, ist offen. Die ECHA führt eine öffentliche Konsultation bis zum 20. September. Die Ergebnisse sollen im Frühjahr 2020 der EU-Kommission vorgelegt werden. Dann wird konkret über Verbote oder sonstige Einschränkungen diskutiert. Laut Spiegel werden außerdem die Ergebnisse der Studie des Fraunhofers Instituts, die die Debatte ausgelöst hatte, vom Studienautor relativiert. Die Studie hatte ergeben, dass 11 000 Tonnen Mikroplastik aus deutschen Kunstrasenplätzen jährlich in die Umwelt gelangen würden. Nun räumt Studienautor Jürgen Bertling ein, dass es "Anhaltspunkte" gebe, "dass die in Deutschland dominierenden Kunstrasentypen deutlich geringere Emissionen" verursachten.

© SZ vom 19.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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