Süddeutsche Zeitung

Fridays for Future im Landkreis München:Demonstrieren in der Gleitzeit

Bei der Großkundgebung von "Fridays for Future" am kommenden Freitag in München werden auch zahlreiche Angestellte aus dem Landkreis teilnehmen. Eine Kirchheimer Firma gibt ihren Mitarbeitern sogar extra frei - große Konzerne sind nicht ganz so großzügig

Von Francesco Collini und Pauline Deichelmann, Landkreis

Sich frei nehmen oder den Vorgesetzten um eine längere Mittagspause bitten. Oder einfach ein paar Überstunden abbauen. Die Schüler der Klimaschutzbewegung "Fridays for Future" versuchen zurzeit, so viele Menschen wie möglich für ihre nächste Demonstration zu gewinnen. Denn der globale "Klimastreik" am Freitag, 20. September, läuft unter dem Motto "Alle fürs Klima". Dazu sind nicht nur Schüler eingeladen, sondern die ganze Bevölkerung. Auch im Landkreis München bereiten sich viele Bürger, Parteien und Arbeitgeber auf die Demonstration vor. Die Organisatoren rechnen mit großem Zuspruch vor allem bei der zentralen Kundgebung in der Landeshauptstadt, die am Freitag um 12 Uhr beginnt.

Viele Firmen im Landkreis sind überzeugt davon, dass der Kampf gegen den Klimawandel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit darstellt. So sieht es etwa Michael Durlach, Geschäftsführer von Develey. Deshalb sei das Unternehmen am Standort Unterhaching schon heute klimaneutral. Wenn es aber um Streiks geht, stellt der Geschäftsführer klar: "Davon halten wir nichts." Develey-Mitarbeitern bleibt also nur die Möglichkeit, außerhalb der Arbeitszeiten an der Demo teilzunehmen: "Welchen Aktivitäten unsere Mitarbeiter in ihrer Freizeit nachgehen, bleibt ihnen überlassen."

So lautet die Devise auch bei Großunternehmen wie der Allianz oder der Kreissparkasse München-Starnberg-Ebersberg. "Da die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, ihre Arbeitszeiten flexibel zu wählen, ist es jedem Mitarbeiter freigestellt, zu dieser Demo zu gehen", sagt ein Pressesprecher der Kreissparkasse. Sein Amtskollege bei der Allianz sieht es ähnlich. Das "flexible Arbeitsmodell" des Versicherungskonzerns mache eine Teilnahme an der Demo "gut möglich", sagt der Sprecher des DAX-Unternehmens. Er fügt hinzu: "Es liegt in der Verantwortung der Mitarbeiter, ihre Telearbeitszeiten korrekt über unser elektronisches Zeiterfassungssystem einzutragen." Dass die Arbeitnehmer nur ihre Freizeit in die Demonstration investieren können, haben auch die Organisatoren berücksichtigt. Der Höhepunkt der Demonstration soll um 12 Uhr am Königsplatz erreicht werden, pünktlich zur Mittagspause.

Auch die Gewerkschaft Verdi hat ihre Mitglieder aufgerufen, innerhalb der Mittagspause zu demonstrieren. "Wir müssen unseren Beitrag leisten, dass der CO₂-Ausstoß verringert wird", sagt Heinrich Birner, Geschäftsführer von Verdi München und Region. Eine Teilnahme während der Arbeitszeit sei ein Verstoß gegen die Arbeitsregelung und könne zu Abmahnungen führen, warnt er. Birner verwendet den Begriff Streik im Zusammenhang mit den Demonstrationen allerdings nicht, da politische Streiks in Deutschland nicht erlaubt sind.

In kleineren Betrieben sieht das etwas anders aus. Rupert Kiefl von der Internetagentur Q-ui aus Kirchheim wird seine Firma am kommenden Freitag geschlossen lassen, um bei der Demonstration mitzulaufen. Er selbst interessiert sich sehr für den Klimaschutz und sagt: "Man muss hartnäckig bleiben, damit etwas für die Umwelt bewirkt wird." Sein Sohn ist Teil von "Fridays for Future" und daher sei es für ihn eine Selbstverständlichkeit, ihn an diesem Tag zu unterstützen.

Ähnlich sehen es die Eltern von zahlreichen Schülern des Gymnasiums Oberhaching. Auch sie werden versuchen, ihre Kinder bei der Demo zu begleiten, erzählt die Schülerin Fanny von Jagow. Sie und andere Mitschüler wollen innerhalb des Gymnasiums möglichst viele Menschen überzeugen. Ehemalige Abiturienten und auch zahlreiche Lehrer stehen ihnen zur Seite. Schüler, die nicht kommen können, sollen sich trotzdem solidarisieren, "damit es klar wird, dass es hier nicht ums Schwänzen geht".

Zwei, die am kommenden Freitag nicht zur Schule gehen werden, sind Vika und Marie vom Carl-Orff-Gymnasium Unterschleißheim. Bereits am vergangenen Dienstag hatten sie im Rahmen eines Klimaworkshops der Stadt die Anwesenden dazu aufgerufen, an der Demonstration in München teilzunehmen. Ihnen ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen von außerhalb der Schulen kommen. Dafür haben die beiden bereits Flyer an Autos verteilt und eine Banner-Aktion mit anderen Schülern organisiert.

Auch von Seiten einiger Parteien wird die Demonstration am Freitag unterstützt. Vika und Marie werden sich einer Gruppe der Grünen Unterschleißheim anschließen, die mit der S-Bahn um 11.05 Uhr nach München fahren wollen. Am Nachmittag sind noch weitere Aktionen in Unterschleißheim geplant. Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler berichtet, dass der Ortsverband Unterhaching bereits seit der vergangenen Woche eifrig plakatiert und Handzettel in Geschäften verteilt, um auf den globalen Klimastreik hinzuweisen.

Ingrid Lenz-Aktaş, Fraktionssprecherin der SPD im Kreistag, befürwortet ebenfalls die Aktion von "Fridays for Future" und freut sich, dass sich junge Menschen für das Thema interessieren. Auch ihr Ortsverein in Aschheim plant, sich an der Demo zu beteiligen. Der Oberhachinger Bürgermeister Stefan Stelle (CSU) hat nach eigenen Angaben von der großen Demonstration am Freitag noch nichts gehört. Dennoch sei Klimaschutz für ihn und seine Partei ein wichtiges Thema. Er sagt aber auch, dass mit einer Demonstration nicht das Klima gerettet werden könne, sondern nur mit einer bewussten Veränderung des persönlichen Handelns.

Über die Demonstration sind auf alle Fälle die Mitarbeiter des Landratsamts informiert. "Wir gehen davon aus, dass auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamts an der Demonstration teilnehmen werden", teilt eine Sprecherin mit. Auch für die Beschäftigen der Kreisbehörde gelte die Gleitzeitregelung. Durch die Klimainitiative "29++" will das Landratsamt den durchschnittlichen CO₂-Ausstoß pro Kopf der Bewohner des Münchner Landkreises bis zum Jahr 2030 von 13 auf etwa sechs Tonnen reduzieren.

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SZ vom 16.09.2019
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