Ukraine-Krieg:Schon wieder Krisenmodus

Ukraine-Krieg: Der Landkries wird wie schon 2015 wieder auf Traglufthallen bei der Unterbringung Geflüchteter setzen.

Der Landkries wird wie schon 2015 wieder auf Traglufthallen bei der Unterbringung Geflüchteter setzen.

(Foto: Claus Schunk)

Mehr Geflüchtete als gedacht erreichen die Kommunen. Zügige Aufnahme, Unterbringung und Integration ist gefragt. Der Landrat schwört auf eine längerfristige Herausforderung ein.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Landrat Christoph Göbel (CSU) schwört die Menschen im Landkreis München und die Politik darauf ein, die Aufnahme, Unterbringung und Integration Geflüchteter aus der Ukraine als langfristige Aufgabe zu verstehen und anzunehmen. Die vergangenen Wochen, sagte Göbel am Montagnachmittag in der Kreistagssitzung im Garchinger Bürgerhaus, hätten gezeigt, dass die Herausforderung deutlich größer sei und werde, als noch zu Beginn des russischen Angriffskrieges angenommen. Mittlerweile seien mehr als 2700 Menschen im Landkreis angekommen, 600 von ihnen seien in dezentralen Unterkünften des Landkreises untergekommen, die restlichen Schutzsuchenden würden in privaten Unterkünften leben.

Die Bereitschaft der Bevölkerung im Landkreis, Menschen aus der Ukraine bei sich aufzunehmen, sei enorm, befand Göbel; es sei nun aber die Aufgabe der Kreispolitik, schnellstmöglich Möglichkeiten der Anschlussunterbringung zu finden. "Wir müssen annehmen, dass die Rückkehr der Flüchtlinge in ihr Land kurzfristig nicht möglich sein wird", sagte der Landrat.

Um dem gewaltigen Zuzug von Geflüchteten im Landratsamt Herr zu werden - etwa ein Drittel aller Schutzsuchenden deutschlandweit erreichen derzeit den Freistaat Bayern -, müssten vor allem Abläufe bei der Registrierung "komprimiert und angepasst" werden, machte Göbel deutlich. Referatsleiter Martin Scholtysik erläuterte, das Registrierungswesen sei kompliziert und die Abläufe derzeit noch etwas "diffus"; vor allem mit der Umstellung auf eine Online-Registrierung aber sollten die Vorgänge deutlich beschleunigt werden, so Scholtysik. Wenn Menschen im Landkreis ankommen, können sie sich mittlerweile online auf der Homepage des Landratsamtes vorabregistrieren, dann wird ein Termin mit der Ausländerbehörde vereinbart und es werden biometrische Daten erfasst. Um dann einer Arbeit nachgehen zu können, müssen sich die Schutzsuchenden aber zusätzlich noch um eine sogenannte Fiktionsbescheinigung in der zentralen Anlaufstelle der Regierung von Oberbayern in der Landeshauptstadt bemühen - erst mit dieser Bescheinigung haben sie Zugang zum Arbeitsmarkt.

Ukraine-Krieg: Landrat Christoph Göbel schwört die Menschen auf eine langfristige Herausforderung bei der Aufnahme, Unterbringung und Integration Geflüchteter aus der Ukraine ein.

Landrat Christoph Göbel schwört die Menschen auf eine langfristige Herausforderung bei der Aufnahme, Unterbringung und Integration Geflüchteter aus der Ukraine ein.

(Foto: Claus Schunk)

CSU-Kreisrätin Nicola Gerhardt sagte, dieser zusätzliche Schritt sei zu bürokratisch, es sollte eigentlich eine einmalige Registrierung auf kommunaler Ebene reichen. "Man sollte sich auf übergeordneter Ebene dafür einsetzen, dass jeder eine Arbeitserlaubnis bekommt", sagte die Garchingerin. "Der Prozess wird sonst unnötig aufgehalten. Es kommen Lehrer, Erzieher und gut ausgebildete, die sofort arbeiten könnten." Landrat Göbel hingegen sagte, dieser Schritt sei richtig. "Ich halte eine Registrierung schon für notwendig, auch wir Deutsche müssen uns beim Einwohnermeldeamt anmelden", entgegnete er. "Wenn die Registrierung nicht erfolgt, wäre das Geschrei groß."

Die sofortige Registrierung, bei der Regierung von Oberbayern muss innerhalb von sechs Monaten erfolgen, sei aber auch extrem wichtig, um Zugang zu medizinischer Versorgung zu erhalten, sagte Scholtysik. "Wir erleben da auch einen riesigen Ansturm. Und viele Menschen haben auf der Flucht auch Krankheitsfälle verschleppt, es sind Hochschwangere darunter; wir haben da schon alle Konstellationen erlebt."

Die Kreissparkasse verzichtet auf Kontoführungsgebühren

Das Recht, sich hier zu registrieren und auch Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch zu nehmen, gelte indes nicht für jeden, machte Göbel noch einmal deutlich. Es dürfe jeder in Anspruch nehmen, der in der Ukraine aufenthaltsberechtigt war und ist - unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Nicht aber Ukrainer, die etwa aus den Vereinigten Staaten oder einem anderen Land einreisten. "Wir hatten schon solche Fälle, auch aus Ägypten, aber das ist kein Kriegsgebiet."

Um den Menschen, die jetzt schnell hier ankommen und auch bald in Arbeit kommen, den Alltag zu erleichtern, verzichtet etwa die Kreissparkasse Ebersberg München Starnberg bei Ukrainern, die ein Konto eröffnen, auf die Kontoführungsgebühren. Dies sei sehr wichtig, da es auch die Kommunen entlaste, wenn die Hilfsleistungen an Schutzsuchende in den Rathäusern nicht bar ausgezahlt werden müssten, sagte Unterschleißheims Rathauschef Christoph Böck (SPD). Göbel ergänzte, es gebe derzeit Gespräche mit anderen Kreditinstituten mit dem Ziel, dass diese ebenso verfahren sollten.

Ukraine-Krieg: Die Feuerwehren im Landkreis helfen bei der Erstversorgung der Geflüchteten. Manchmal auch in München wie hier Michael Spägele von der Feuerwehr Neufahrn, Andreas Gollasch aus Hohenschäftlarn und Stefan Höne aus Ebenhausen (von links).

Die Feuerwehren im Landkreis helfen bei der Erstversorgung der Geflüchteten. Manchmal auch in München wie hier Michael Spägele von der Feuerwehr Neufahrn, Andreas Gollasch aus Hohenschäftlarn und Stefan Höne aus Ebenhausen (von links).

(Foto: Claus Schunk)

Die "unglaublich große Zahl" an Menschen, die derzeit den Landkreis erreichten, werde alle Akteure auch beim Thema Beratung und Integration vor große Herausforderungen stellen, so der Landrat. Christoph Nadler, Fraktionschef der Grünen, mahnte an, bei der Beratung und Integration - am besten durch die Wohlfahrtsverbände - vor allem auf Qualität zu setzen. "Es braucht qualifiziertes Personal mit Erfahrung", sagte er. Göbel stimmte zu und sagte, hier werde kein Preisschild angebracht. Nicola Gerhardt, die auch im Garchinger Helferkreis aktiv ist, verwies darauf, dass jetzt Menschen ankämen, die eine ganz andere Beratung bräuchten als etwa die Schutzsuchenden im Jahr 2015. "Es darf in den Unterkünften nicht nur reine Sozialarbeit stattfinden, es braucht zum Beispiel muttersprachlichen Ergänzungsunterricht, Traumabewältigung." Und es müssten auch die Menschen in den privaten Unterkünften erreicht werden.

Derweil geht die Akquise weiterer Unterkünfte und der Aufbau von Unterbringungsmöglichkeiten unvermindert weiter. Denn, so Referatsleiter Scholtsyk, derzeit genutzte Unterkünfte wie Hotels würden nicht auf ewige Zeit zur Verfügung stehen. Bislang konnte das Landratsamt 620 neue Unterkunftsplätz in Hotels, Pensionen oder Wohngebäuden gewinnen - doch das wird nicht reichen. Mit Unterstützung der Kommunen sollen daher weitere 1880 Plätze in Wohncontaineranlagen und Traglufthallen entstehen. So werden zwei Containerblocks in Unterhaching an der Biberger Straße sowie in Unterschleißheim an der nördlichen Ingolstädter Straße mit Platz für bis zu 380 Geflüchtete entstehen.

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