Katastrophenschutz:Der Landkreis München will Feuerwehr spielen

Katastrophenschutz: Groß angelegte Übungen der Freiwilligen Feuerwehren wie hier auf der A 8 gehören zum Alltag der Ehrenamtlichen.

Groß angelegte Übungen der Freiwilligen Feuerwehren wie hier auf der A 8 gehören zum Alltag der Ehrenamtlichen.

(Foto: Claus Schunk)

Weil die drei bayerischen Ausbildungszentren für Einsatzkräfte überlastet sind, soll eine eigene Schule Abhilfe schaffen. Als Standort hat man offenbar die ehemalige Tennisanlage in Keferloh im Blick.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Im Ernstfall muss es sehr schnell gehen. Nur wenige Minuten haben ehrenamtliche Feuerwehrler in Bayern Zeit, wenn ein Notruf eingeht, um sich einsatzbereit zu machen und auszurücken. Maximal 8,5 Minuten soll die sogenannte Hilfsfrist betragen, innerhalb derer Hilfskräfte einen Einsatzort erreichen müssen. Und hierfür benötigt es bestens geschultes Personal - allerdings kann es im Freistaat lange dauern, bis Feuerwehrler in den Einsatz geschickt werden können. Denn die drei bestehenden Feuerwehrschulen in Geretsried, Würzburg und Regensburg sind an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt. Der Landkreis München will deshalb den seit Langem geplanten Bau einer eigenen Feuerwehrschule forcieren, der bisher vor allem an einem fehlenden Grundstück gescheitert ist. Aber nun zeichnet sich dafür womöglich eine Lösung ab. Nach Informationen der SZ prüft der Landkreis derzeit, ein Grundstück im Grasbrunner Ortsteil Keferloh zu erwerben - konkret das Gelände der ehemaligen Tennisanlage. Das Landratsamt wollte dies auf Nachfrage nicht bestätigen.

In keinem anderen deutschen Landkreis besteht eine derart hohe Feuerwehrdichte wie im Landkreis München, was unter anderem damit zusammenhängt, dass nach der Gebietsreform in Bayern von 1971 bis 1980 jede ehemals eigenständige Kommune ihre eigene Feuerwehr behalten hat - 45 Freiwillige Feuerwehren gibt es in den 29 Städten und Gemeinden des Landkreises München, hinzu kommen noch mehrere Werks- und Betriebsfeuerwehren etwa bei Airbus in Ottobrunn. Mehr als 4000 Ehrenamtliche engagieren sich bei den Feuerwehren und müssen dementsprechend ausgebildet und geschult werden.

Katastrophenschutz: Ottobrunns Feuerwehrkommandant Eduard Klas trainiert Nachwuchskräfte auch am eigenen Turm des Feuerwehrhauses.

Ottobrunns Feuerwehrkommandant Eduard Klas trainiert Nachwuchskräfte auch am eigenen Turm des Feuerwehrhauses.

(Foto: Claus Schunk)

"Und die Anforderungen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen, es sind auch immer mehr Aufgaben hinzugekommen", sagt Eduard Klas, Feuerwehrkommandant in Ottobrunn und bei der Kreisbranddirektion im Landratsamt München verantwortlich für den Katastrophenschutz. In Ottobrunn bilden sie etwa den Nachwuchs am eigenen Feuerwehrturm mit Balkon selbst aus. Aber das reicht nicht. Denn nicht nur angehende Feuerwehrler müssen geschult werden, auch erfahrene Kräfte brauchen regelmäßig Weiterbildungen. Und das passiert im südbayerischen Raum an der seit 1995 bestehenden Feuerwehrschule in Geretsried im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, die derzeit in einem zweiten Bauabschnitt erweitert wird. Unlängst hat der Landtag 34 Millionen Euro zusätzlich freigegeben, um die Einrichtung zu vergrößern und auf den modernsten Stand der Technik zu bringen. "Darauf haben wir sehnsüchtig gewartet, vor allem für den Nachwuchs und Jugendliche ist das ein absoluter Gewinn", sagt Claudia Köhler, Landtagsabgeordnete der Grünen aus Unterhaching und selbst bei der Freiwilligen Feuerwehr im Ort aktiv.

Katastrophenschutz: Die Feuerwehrschule in Geretsried wird derzeit für mehr als 80 Millionen Euro ausgebaut.

Die Feuerwehrschule in Geretsried wird derzeit für mehr als 80 Millionen Euro ausgebaut.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Köhler hat im zuständigen Haushaltsausschuss des Landtags intensiv dafür geworben, die Investitionsmittel für den Ausbau in Geretsried auf nun etwas mehr als 82 Millionen Euro aufzustocken - die dortige Feuerwehrschule mit dann bald 90 Übernachtungsplätzen sei unerlässlich, um die Einsatzkräfte an die neuen Herausforderungen heranzuführen. "Für große Feuerwehren wie unsere in Unterhaching werden es immer mehr Einätze, auch durch den Klimawandel, bei der Notversorgung, wenn der Strom ausfällt, Stresswetterereignissen", sagt Köhler - und weiter: "Wer vor 30 Jahren den Führerschein für die Feuerwehrleiter gemacht hat, kann sie heute eventuell nicht mehr bedienen."

Köhler erkennt in Geretsried - wie auch in den beiden anderen bayerischen Feuerwehrschulen in Regensburg und Würzburg - ein Problem, das auch Münchens Landrat Christoph Göbel (CSU) unterstreicht. Alle drei Schulen, so Göbel, seien seit Jahren mit einer Nachfrage konfrontiert, die selbst mit der Erweiterung in Geretsried "nicht im benötigten Umfang bedient werden kann". Köhler sagt, manche Feuerwehren müssten zwei Jahre auf Schulungen warten.

Auch deshalb haben das Münchner Landratsamt und die Kreisbranddirektion eine Projektgruppe eingerichtet, die ein Betreiberkonzept für eine neue Feuerwehrschule im Landkreis München entwickeln soll - wenn denn ein Grundstück zur Verfügung steht. Denn genau daran hakt es bisher. Zunächst war angedacht, eine neue Feuerwehrschule in der Gemeinde Haar anzusiedeln, was aber mangels eines geeigneten Areals scheiterte. Ebenso zerschlugen sich Pläne, eine Schule in Kirchheim aufzubauen. Nun rückt Keferloh in den Fokus.

Die Grünen wollen den Freistaat nicht aus der Verantwortung entlassen

Dass eine neue Feuerwehrschule gebraucht wird, wird von allen Seiten betont. Landrat Göbel sagt, auch die dichte Bebauung im Landkreis München und steigende Einwohnerzahlen erhöhten die Zahl der Einsätze und ebenso die Anforderungen an Einsatzkräfte auch im Katastrophenschutz; wohnortnahe und regional zugeschnittene Schulungsangebote seien daher von großer Bedeutung. Daher begrüße er auch, dass der Münchner Kreistag Mittel für den Grunderwerb und die Planung eines Feuerwehrausbildungszentrums im Haushalt 2023 freigegeben habe. Der Ottobrunner Kommandant Klas sagt, der Landkreis München benötige zwingend eine eigene Schule - und ein Katastrophenschutzlager. Und die Landtagsabgeordnete Köhler begrüßt zwar die vom Kreistag in den Etat eingestellten Mittel in Höhe von 15 Millionen Euro, betont aber auch, dass der Katastrophenschutz Aufgabe des Freistaats sei. "Das ist eine staatliche Aufgabe. Wir sind zwar ein solventer Landkreis, aber es wäre nicht fair, wenn das Land sich dabei heraushalten würde", so die Grünen-Politikerin.

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