Der Landkreis München macht Tempo in Sachen Energiewende: Der Fachausschuss für Landwirtschafts- und Umweltfragen hat am Montagnachmittag mit breiter Mehrheit beschlossen, den Weg für den Bau von Windkraftanlagen in den Landschaftsschutzgebieten des Landkreises freizumachen. Zu diesem Zweck müssen im ersten Schritt vom Landratsamt sogenannte Zonierungskonzepte erstellt werden, die für bestimmte Standorte, etwa im Forstenrieder Park und Fürstenrieder Wald oder im Hofoldinger und Höhenkirchner Forst, gelten. Diese Konzepte seien die Grundvoraussetzung dafür, dass in diesen Bereichen überhaupt Windräder aufgestellt werden könnten, erläuterte Landrat Christoph Göbel (CSU).
Als die Verordnungen über die beiden großflächigen Schutzgebiete 1970 erlassen wurden, spielte die Nutzung von Windenergie noch keine Rolle. Laut einem Erlass der bayerischen Staatsregierung von 2016 kann mittlerweile die Nutzung dieser Energieform an Standorten, die für Natur, Landschaft und Bevölkerung verträglich sind, ermöglicht werden. Dabei müssten jedoch bestimmte Teile der Gebiete freigehalten werden (Ausschlussgebiete), außerdem dürften die betreffenden Flächen nicht durch die Windräder ihre Schutzwirkung für gefährdete Arten verlieren. Mit der Frage, in welchem Umfang dann tatsächlich Windparks entstehen können, welche Höhe und welche Leistungsfähigkeit die Windräder haben sollen und wo solche Anlagen für Mensch und Natur zumutbar sind, würden sich auch weiterhin die eigens zum Thema gebildeten Arbeitsgemeinschaften (Arge) befassen.
Die FDP fordert ein Gutachten, ehe man in die Verordnungen für Landschaftsschutzgebiete eingreift
Dass die Debatte um das Thema emotional und teilweise sogar hitzig geführt wurde, lag an einem Antrag der FDP-Gruppe im Kreistag: Demnach sollte vor einer Entscheidung über die Windnutzung im Landkreis und eine Änderung von Verordnungen zu den Landschaftsschutzgebieten zunächst ein Gutachten in Auftrag gegeben werden, um Kosten und Nutzen der verschiedenen Energieformen zu vergleichen und Vor- und Nachteile darzustellen, vor allem unter dem Kostenaspekt der CO₂-Vermeidung. FDP-Kreisrat Manfred Riederle, der virtuell an der Sitzung teilnahm, bezweifelte den Sinn der Gewinnung von Windenergie im Landkreis: Die Windgeschwindigkeit hierzulande sei nicht ausreichend, während ein Windpark in der Nordsee mit neun Rädern und einer Windgeschwindigkeit von 16 Metern in der Sekunde 27 Megawatt Leistung brächten, hätte ein ähnlich großer Windpark bei acht Metern in der Sekunde nur einen Output von drei Megawatt.
"Und bei uns ist die Windgeschwindigkeit im Schnitt noch nicht mal acht, sondern nur fünf bis sechs Meter in der Sekunde", sagte Riederle. Er regte an, mehr auf die Geothermie zu setzen als auf Windenergie, und nannte die Strategie der Kreisverwaltung "realitätsfremd". "Wir wollen nicht die Windkraft verhindern, aber mit dieser Energieform ist unser Bedarf nie und nimmer zu decken", sagte er und bezeichnete den Einsatz von Politikern für Windräder als "Voodoo- und Symbolpolitik".
"Egal, ob wir die Landschaftsschutzgebiete für Windkraftanlagen öffnen wollen oder nicht, wir müssen!"
Mit seiner Einschätzung stand der Liberale im Gremium alleine da, Kreisräte aller anderen Parteien widersprachen ihm leidenschaftlich: So betonte Brunnthals Bürgermeister Stefan Kern (CSU), dass man alle Möglichkeiten nutzen müsse, um den Anteil von regenerativen Energien zu steigern: "Wir haben keine Zeit mehr", sagte er und führte neben dem Klimawandel auch den Ukraine-Konflikt und die Abhängigkeit von russischem Erdgas ins Feld: "Egal, ob wir die Landschaftsschutzgebiete für Windkraftanlagen öffnen wollen oder nicht, wir müssen!"
Ähnlich äußerte sich der Grüne Oliver Seth, der als Beispiel für profitable Windkraftanlagen jene in Berg im Landkreis Starnberg anführte, die "20 Prozent über der Kalkulation" lägen, was auch damit zusammenhänge, dass sich die Technik in den vergangenen Jahren entscheidend fortentwickelt hätte. Geothermie sei bei der Stromerzeugung keine Alternative, man dürfe hier die Sektoren Wärme und Elektrizität nicht in einen Topf werfen. Es sei jedenfalls Eile geboten: "Wenn wir nicht handeln, haben wir gleich wieder zwei Jahre verloren", so Seth.
Und auch SPD-Kreisrätin Natascha Kohnen mahnte zur Entschlossenheit und erklärte, dass man die Windkraft dringend brauche, weshalb die 10-H-Regel im Freistaat kontraproduktiv sei: "Wir bauen in Bayern gerade mal vier bis zehn Windräder pro Jahr, dabei sagen aktuelle Gutachten, dass die Windkraft hier sehr wohl rentabel ist." Man müsse den Arbeitsgemeinschaften bei deren Arbeit unter die Arme greifen, so Kohnen weiter.
Letztlich stimmten bis auf FDP-Mann Riederle alle Ausschussmitglieder für die Zonierung. Im nächsten Schritt könnten die Konzepte dann konkreter werden. Für den Hofoldinger Forst gibt es bereits einen Vorschlag der dortigen Arge, in welchen Bereichen Windkraftanlagen vorstellbar wären. Ein solcher Plan existiert für den Forstenrieder Park einschließlich Forst Kasten und Fürstenrieder Wald noch ebenso wenig wie gutachterliche Vorarbeiten.