SZ-Adventskalender:Hilfe für Familien in Not

München, Goethestraße, Kinderschutzbund, Adventskalender, Coronakrisenfolgen für Kinder

Vor allem für Kinder und Jugendliche, aber auch für ihre Familien sind die Folgen der Corona-Krise massiv. Das haben Daniela Liedel, Gudrun Stothard und Alexandra Schreiner-Hirsch (v.l.) vom Kinderschutzbund in den vergangenen Monaten bei ihren Beratungsterminen und Projekten festgestellt.

(Foto: Angelika Bardehle)

Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen erschweren die Arbeit des Kinderschutzbundes. Dabei ist der Beratungsbedarf seit Beginn der Corona-Krise im Frühjahr größer denn je. Gerade jüngere Buben und Mädchen haben Angst - um ihre Eltern und Oma und Opa.

Von Claudia Wessel, Ismaning

"Ich habe Angst, krank zu werden und dann Oma und Opa anzustecken." Das Mädchen, von dem diese Worte stammen, ist gerade einmal vier Jahre alt. "Ich geh' nicht mehr raus. Sonst kann ich dich vielleicht anstecken." Diesen Entschluss hat eine Grundschülerin gefasst, wie deren Mama berichtete. "Am Abend unter der Dusche habe ich oft geweint." Das erzählte eine Mutter, die die anstrengenden Tage des Lockdowns im Homeschooling mit einem Schulkind und einem Kindergartenkind nicht mehr aushielt.

Das sind nur drei Beispiele von sehr vielen Geschichten, die Mitarbeiterinnen des Kinderschutzbundes Bayern während der Corona-Krise in den Sprechstunden hörten. "Die Beratungskapazitäten mussten erhöht werden", sagt Alexandra Schreiner-Hirsch, die pädagogische Leiterin. Bei der "Nummer gegen Kummer" stieg die Zahl der Anrufe um 29 Prozent. Alle Beratungen, ob persönlich, - als dies im Sommer wieder möglich war -, telefonisch oder per E-Mail, wurden durch die Krise erheblich mehr nachgefragt. Das berichten auch die Geschäftsführerin des Landesverbandes Bayern, Gudrun Stothard, und die Fachberaterin Daniela Liedel beim Treffen in den Räumen des Kinderschutzbundes an der Münchner Goethestraße.

Es ging in den Beratungen um Gewalt in der Familie, an Kindern und Frauen. Es ging um blank liegende Nerven und Wutanfälle. Es ging um Partnerschaftsprobleme aufgrund des Aufeinanderhockens im Home-Office. Und es geht jetzt wieder angesichts des neuen Lockdowns um Frust und Rückfälle. "Jetzt wären wir gerade so erholt gewesen, dass wir uns wieder zusammengerauft haben", sagte eine Frau zu Alexandra Schreiner-Hirsch. Und dann ging es wieder los mit Ungewissheit und der Befürchtung, dass die Schulen wieder schließen könnten, was seit Mittwoch der Fall war. Auch die Online-Beratung, die man von Anfang an anbot, hat mitunter Grenzen. So hatte sich eine Frau dazu angemeldet, sagte aber kurzfristig ab, obwohl es dringend geklungen hatte. Schreiner-Hirsch vermutet: "Sie konnte wohl zu Hause nicht frei sprechen, weil auch ihr Partner anwesend war."

Doch nicht nur die Probleme, die in den Beratungen offenbar wurden, machten und machen dem Kinderschutzbund Sorgen. Es geht auch um sinnvolle und wichtige Projekte, die jetzt nicht mehr und immer noch nicht stattfinden können. Zum Beispiel das Projekt "Medienlöwen", das in der Hachinger-Tal-Schule, einem Förderzentrum in Unterhaching, stattfand sowie in der Mittelschule Unterschleißheim. Daniela Liedel ging dafür in die Schulklassen, um über die Mediennutzung der Kinder zu sprechen. Dabei kamen auch schwierige Themen zur Sprache. "Habt ihr schon mal Nacktbilder bekommen?", war etwa eine der Fragen, die Liedel stellte. Zwar gibt es immer erst einmal Gelächter oder höhnische Bemerkungen von Jungs, aber meist kommt man gerade durch solche Fragen an die Kinder heran. Ob man solche Bilder haben möchte, wie man damit umgehen kann, mit wem man darüber sprechen könnte, das sind dann die Dinge, die besprochen werden. Mit den Eltern wollen die meisten Kinder auf keinen Fall darüber reden, mit den Mitarbeiterinnen vom Kinderschutzbund schon eher.

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Das Dilemma im Lockdown, im Homeschooling und überhaupt während der Kontaktbeschränkungen und nicht stattfindenden Sportveranstaltungen: Die Kinder sitzen viel mehr am Handy, sind viel mehr online, oft mit Apps, für die sie viel zu jung sind. Die Versuchung, mal ein Tanzvideo mit Spaghettiträger-T-Shirt aufzunehmen und online zu stellen, ist einfach präsenter. Und genau in dieser Zeit wäre eine Schulstunde zu dem Thema umso wichtiger. Aber leider nun unmöglich. "Wir kommen nicht in die Schulen", bedauert Liedel. Online dürfen sie sich nicht in eine Klasse zuschalten, aufgrund von Datenschutz. Aber auch, wenn die Schule wieder stattfindet, ohne Einschränkungen und geteilte Klassen, haben die Lehrer noch keine Zeit und Kraft für Dinge wie die Medienlöwen. "Die sind froh, wenn sie den Alltag in dieser Situation einigermaßen hinkriegen", sagt Liedel. Auf Anfragen bekam sie inzwischen oft die Antwort: "Gerne, aber bitte erst im April."

Trotzdem versuchen die Mitarbeiterinnen des Kinderschutzbundes, einfallsreich zu sein, doch das Beste aus dem Online-Angebot zu machen, aber auch Präsenzveranstaltungen zu versuchen, wenn es erlaubt ist. Doch die bieten oft nicht die angenehme Atmosphäre, die man für die sensiblen Themen braucht. Im Oktober etwa, berichtet Schreiner-Hirsch, habe sie in Ismaning gemeinsam mit der Volkshochschule einen Elternabend zum Thema "Umgang mit unangenehmen Gefühlen" gemacht. "Aber die saßen alle da, mit Abstand und Maske, es war eiskalt, weil alle Fenster offen waren, und kein Mensch hat etwas zu meinem Vortrag gesagt oder gefragt", so Schreiner-Hirsch. "Da wäre es fast noch besser gewesen, alle hätten gemütlich zu Hause auf dem Sofa vor dem Tablet gesessen."

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Die Spenden des SZ-Adventskalenders wird der Kinderschutzbund dafür verwenden, weiterhin einfallsreiche Beratungsangebote für Kinder und Familien zu machen. "Wir dürfen die Familien auf keinen Fall noch mal so alleine lassen" - wie es am Anfang der Corona-Krise im Frühjahr dieses Jahres war.

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