Pandemie-Management:Himmelweit von der Realität entfernt

Das Münchner Landratsamt weist seit Tagen eine viel zu niedrige Sieben-Tage-Inzidenz aus. Die Behörde hatte die Fallbearbeitung an die Bundeswehr ausgelagert, und die ist jetzt weg.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Der Landkreis München erscheint seit Tagen auf der Karte des Robert-Koch-Instituts wie eine rosa Insel der Glückseligen in einem tiefroten Meer, in dem die Corona-Infektionswellen immer höher schlagen. Nur trügt der Schein, denn natürlich bleibt der Landkreis von der Omikron- oder schon Deltakrom-Welle nicht verschont - und die derzeit täglich ausgewiesenen Inzidenzen von unter 1000 sind von der Realität des tatsächlichen Infektionsgeschehens himmelweit entfernt. Das Gesundheitsamt selbst schätzt den Wert auf um die 2000, das würde in etwa der Inzidenz in den Nachbarlandkreises Ebersberg und Erding sowie der Landeshauptstadt München entsprechen.

Die Höhe der Inzidenz ist laut Göbel "objektiv wurscht"

Landrat Christoph Göbel hat nun eingeräumt, dass es ein "Fehler" gewesen sei, das Datenmanagement bei der Erfassung von Corona-Infektionen innerhalb seiner Behörde an Dritte vergeben zu haben; sprich konkret: an die Bundeswehr. Mehr als 30 Soldaten hatten phasenweise den Eingang der positiven Testergebnisse im Gesundheitsamt bearbeitet, wurden allerdings mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine aus dem Landratsamt abgezogen. "Die fehlen jetzt komplett", sagte Göbel der SZ mit Blick auf Tausende unbearbeitete Corona-Fälle im Landratsamt, die jetzt nach und nach händisch abgearbeitet werden müssen. Göbel versprach, dass dies "bis Ende nächster Woche" geschehen werde. Denn auch wenn es "objektiv wurscht" ist, wie der Landrat sagt, wie hoch die Inzidenz ausfalle, weil sie keinerlei Konsequenzen mehr nach sich ziehe, müssten er und seine Behörde die Situation in den Griff bekommen. "Wir leben in einem Rechtsstaat", so der Landrat.

Auch in der Landeshauptstadt komme es teilweise zu Verzögerungen bei der Meldung positiver Testergebnisse, heißt es aus dem Münchner Gesundheitsreferat, diese würden dann mit dem entsprechenden Datum in die Statistik eingefügt. Ganz offensichtlich aber hat das Gesundheitsreferat der Stadt ebenso wie umliegende Landratsämter bei der Bearbeitung der Corona-Fälle weniger Probleme als das Münchner Gesundheitsamt zuletzt. Aber auch in der Stadt heißt es, die Inzidenz sei "nur ein Indikator" zur Beurteilung des Infektionsgeschehens, auch andere Faktoren wie die Belegung von Intensiv- und Normalbetten müssten beobachtet werden. Und da sei, so Landrat Göbel, gerade die Situation auf den Normalstationen keinesfalls entspannt.

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