Anton Hofreiter ist Attacken von außen gewohnt. Wenn er etwa in sozialen Medien wegen seiner konsequenten Unterstützung von Waffenlieferungen an die Ukraine als „Kriegstreiber“, „Flinten-Toni“ oder „Waffennarr“ bezeichnet wird. Angriffe von innen – aus der eigenen Partei heraus – kannte der Unterhachinger, der seit 2005 ununterbrochen Mitglied des Deutschen Bundestags ist, bisher eher nicht. Aber auch diese erste Bewährungsprobe hat der 54-Jährige bestanden: Bei der Aufstellungsversammlung der Grünen im Wahlkreis München-Land sicherte er sich am Samstagabend mit großer Mehrheit zum sechsten Mal die Direktkandidatur – gegen seinen Herausforderer Karsten Voges.
Es war ein denkwürdiger Abend im voll besetzen Saal der Landesgeschäftsstelle der bayerischen Grünen in Haidhausen, der Aufbruchstimmung erzeugen sollte – und doch für einen kurzen Moment in parteiinternen Zwist abzugleiten drohte. Denn die kurzfristige Gegenkandidatur von Voges, der seine Bewerbung erst vor etwa zehn Tagen angemeldet hatte, hat viele im Kreisverband München-Land wahlweise überrascht oder irritiert. Schließlich gilt Hofreiter als das Aushängeschild der bayerischen Grünen in der Bundespolitik. Und die Kunst der Attacke beherrscht der ehemalige Fraktionsvorsitzende mindestens so gut wie der Grünen-Gemeinderat aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn, der ihm die Kandidatur streitig machen wollte.
Nachdem sich beide Kandidaten den mehr als 100 Mitgliedern vorgestellt hatten, nutzte die Hofreiter-Vertraute Claudia Köhler in der kurzen Fragerunde die Gelegenheit, den Voges nach seinen Beweggründen für seine Kandidatur zu fragen. Mehr noch, die Landtagsabgeordnete aus Unterhaching warf dem Parteifreund vor, an einem „Plan“ zweier Bundestagsabgeordneter beteiligt zu sein, Hofreiter im Vorfeld der Bundestagswahl beschädigen zu wollen. Welche Abgeordneten sie meint, wollte Köhler auf Nachfrage nicht konkretisieren. Sie sagte lediglich, dass sie sich über „den Zeitpunkt“ der Gegenbewerbung wundere. „Das ist schon komisch. Wenn man Kandidat werden will, macht man weit vorher Werbung in der eigenen Partei“, sagte Köhler.
Ob ihr Vorwurf auf Bestrebungen des Münchner Grünen-Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek abzielt, Hofreiter die Spitzenkandidatur auf der bayerischen Landesliste der Grünen für die Bundestagswahl streitig machen zu wollen, wollte Köhler nicht bestätigen – sie dementierte es aber auch nicht. Über dieses mögliche Unterfangen hatte zuerst der Münchner Merkur berichtet. Voges bestritt in seiner Antwort, mit seiner Bewerbung Hofreiter als Kandidaten beschädigen zu wollen. „Es gibt keinen Plan und ich bin keine Marionette von irgendjemandem“, sagte der Höhenkirchner. „Und innerparteiliche Demokratie ist das Wichtigste.“
Er wolle als Informatiker seine Berufserfahrung in die Politik einbringen, sagte der 45-Jährige in seiner Bewerbungsrede – insbesondere bei der Bewältigung der Herausforderungen und Gefahren, die mit dem Vormarsch der Künstlichen Intelligenz einhergingen. Er wolle sich auch für Wohlstand und Teilhabe einsetzen, „gerade in unserem sehr hochpreisigen Landkreis“. Seine Kandidatur verstehe er daher auch als „Neustart“.
„Wenn Grüne am Werk sind, schafft man sogar Windräder in Bayern“
„Wir leben nicht in normalen Zeiten“, eröffnete Anton Hofreiter seine Bewerbungsrede, denn die Demokratie müsse sich gegen „Angriffe von außen und innen behaupten“. Und genau dafür stehe seine Partei, indem sie in Regierungsverantwortung „pragmatisch und durchsetzungsstark“ agiere. So sei es gelungen, Deutschland von russischem Gas unabhängig zu machen, das Wasserstoffnetz auf den Weg zu bringen und selbst in Bayern den Ausbau der Windenergie voranzutreiben – wie mit drei Rotoren im Hofoldinger Forst. „Wenn Grüne am Werk sind, schafft man es sogar in Bayern, Windräder hinzustellen“, sagte Hofreiter unter anhaltendem Applaus.
Deutschland müsse aber auch weiter investieren, die Schuldenbremse könne dabei „in schlimmen Zeiten“ ausgesetzt werden, der Automobilindustrie müsse trotz deren eigenem Versagen geholfen werden. Und Deutschland müsse seiner Verantwortung in Europa und der Welt gerecht werden, um Demokratie und Frieden zu erhalten, sagte Hofreiter mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, aber auch Konflikte wie in Aserbaidschan, Armenien und Georgien.
Bundespolitik:Mann der Reserve
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Wenn Applaus als Gradmesser gilt, war es Hofreiter, der mit seiner Vorstellung Aufbruchstimmung unter den Mitgliedern auslöste. Diese wählten ihren Frontmann denn auch mit gut 89 Prozent der Stimmen erneut zu ihrem Direktkandidaten für die Bundestagswahl, die nach der Vertrauensfrage durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der Auflösung des Bundestags noch in diesem Jahr voraussichtlich am 23. Februar stattfinden wird. „Wir werden einen besseren Wahlkampf hinlegen, als manche glauben“, zeigte sich Hofreiter überzeugt, der auch auf die mehr als 15 000 Neumitglieder verwies, die seit der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen vor etwas mehr als einer Woche der Partei beigetreten sind. Und Hofreiter legt die Latte hoch, auch für den eigenen Spitzenkandidaten Robert Habeck: „Wir haben alle Chancen, dass wir künftig den Kanzler stellen.“