Der Landkreis München ist eine Macht. Regelmäßig werden dem bevölkerungsreichsten aller bayerischen Kreise um die Landeshauptstadt München in Studien in puncto Wirtschaftskraft, Infrastruktur sowie Bildung und Wissenschaft die besten Zukunftschancen der Republik bescheinigt. Auch politisch war der Speckgürtel um München mal ein echtes Schwergewicht.
Noch vor gar nicht so langer Zeit – genauer gesagt 2019 – entsandte der Landkreis München sechs Bundestagsabgeordnete nach Berlin. Nach dem Tod des Liberalen Jimmy Schulz waren es noch deren fünf – seit der Bundestagswahl im Herbst 2021 und dem Ausscheiden von Bela Bach sowie dem Wegzug der Linken-Politikerin Eva Maria Schreiber sind es lediglich noch drei: Florian Hahn von der CSU, Anton Hofreiter von den Grünen sowie Gerold Otten von der AfD.
Dass es nach der bevorstehenden, vorgezogenen Neuwahl, die am 23. Februar stattfinden wird, mehr werden, ist unwahrscheinlich. Alle Vorzeichen deuten darauf hin, dass der Landkreis München kaum an politischer Bedeutung hinzugewinnen könnte. Und auch das Rennen um das Direktmandat dürfte kaum spannend sein – seit 1953 haben dies stets Kandidaten der CSU klar gewonnen. Florian Hahn ist also auch im kommenden Jahr der Favorit. Doch wer hat dahinter die besten Aussichten, über die parteiinterne Landesliste ins Parlament einzuziehen? Ein Überblick über die Kandidaten im Wahlkreis München-Land, die Chancen haben – oder zumindest auf einen Einzug ihrer Parteien ins Parlament hoffen dürfen.

Florian Hahn, CSU
Nicht wenige sagen dem Ottobrunner Florian Hahn einen fast schon zwangsläufigen Aufstieg nach der Bundestagswahl voraus. Der 50-jährige ehemalige Gebirgsjäger ist derzeit verteidigungspolitischer Sprecher seiner Fraktion und gilt als Wortführer der Union im – nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende – mächtigen Verteidigungsausschuss. Und er schielt sicher auch ganz persönlich auf das Amt des Verteidigungsministers. Allerdings ist eine solche Beförderung mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden. Zunächst müssen CDU und CSU die Wahl erst einmal gewinnen und eine Regierung bilden können. Und sollte diese eine Neuauflage der großen Koalition sein, dürften die Sozialdemokraten darauf pochen, dass Boris Pistorius als beliebtester Politiker der Republik im Amt bleibt.
Dass Hahn erneut als direkt gewählter Abgeordneter aus dem Wahlkreis München-Land in den Bundestag einziehen wird, gilt derzeit sicher. Seit 2009 hat er das Direktmandat stets souverän gewonnen – zuletzt vor etwas mehr als drei Jahren trotz massiver Verluste der Union mit noch immer respektablen 39,1 Prozent der Erststimmen. Bei den Zweitstimmen lag die CSU im Landkreis München fast sieben Prozentpunkte unter diesem Wert. Es dürfte also für Hahn auch nach dem neuen Wahlrecht reichen, das einige CSU-Kandidaten um den Einzug in den Bundestag zittern lässt: Wenn die Partei in allen Wahlkreisen gewinnt, bleiben diesmal voraussichtlich die Bewerber mit den wenigsten Stimmen außen vor.
Hahn gilt als strukturkonservativer Vertreter seiner Partei, in der er als Söder-Intimus und ehemaliger stellvertretender Generalsekretär bestens vernetzt ist. Und so spart er auch nicht mit Kritik an der Ampel-Regierung und – Söder-like – insbesondere an den Grünen, mit denen er allerdings eine klare Haltung bei der Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Aggression teilt. Der ehemalige Putzbrunner Gemeinderat und amtierende Kreisrat ist auch aufgrund seines kommunalpolitischen Engagements im Landkreis tief verwurzelt und als Wahlkreis-Abgeordneter bei vielen Veranstaltungen präsent.

Anton Hofreiter
Keine gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU, ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen, eine Vermögensteuer für Besserverdienende – der Unterhachinger Anton Hofreiter wird angesichts solcher Forderungen eigentlich dem linken Parteiflügel der Grünen zugerechnet. Und doch hat spätestens mit der russischen Invasion in der Ukraine eine Veränderung eingesetzt, die dem 54-Jährigen wahlweise Bewunderung oder tiefe Verachtung einbringt. Hofreiter galt innerhalb der zerbrochenen Ampel-Koalition neben der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann als einer der vehementesten Befürworter von Waffenlieferungen auch höherer Reichweite an die Ukraine und ist dies noch immer. Und er ist einer der größten Kritiker der Politik von Bundeskanzler Olaf Scholz, dem er auch nach dem Ampel-Aus immer wieder Zögerlichkeit in dieser Frage vorwirft.
Aufgewachsen ist Hofreiter in der Gemeinde Sauerlach, dort wurde er auch politisch sozialisiert und gehörte dem örtlichen Gemeinderat an. Hofreiter hat eine klassische kommunalpolitische Karriere durchlaufen und gehörte dem Münchner Kreistag an. Nach einem Studium der Biologie sowie der Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München wurde Hofreiter im Jahr 2005 erstmals über die Landesliste der Grünen in den Bundestag gewählt und schaffte dies auch bei allen darauffolgenden Wahlen. Sein Aufstieg innerhalb der Bundestagsfraktion gipfelte 2013 in der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden gemeinsam mit der heutigen Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Katrin Göring-Eckardt. 2021 musste er dieses Amt aufgeben.
Seitdem konzentriert sich Hofreiter insbesondere um Fragen der Verteidigungspolitik und Sicherheitsfragen, er ist im Bundestag Vorsitzender des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union. Für die Grünen zieht er nach Jamila Schäfer als Spitzenkandidat auf Platz zwei der Landesliste in die Bundestagswahl – sein erneuter Einzug ins Parlament gilt damit als gesichert.

Gerold Otten, AfD
Er gilt als eher leiser Vertreter innerhalb einer Fraktion, die es gerne laut, provokativ und teils aggressiv liebt. Möglicherweise liegt das an seiner Sozialisation in einem sozialdemokratischen Haushalt, von der Gerold Otten gerne erzählt, sein Vater war 25 Jahre lang SPD-Bürgermeister in seiner Heimatstadt Lübberstedt in Niedersachsen. Von der Sozialdemokratie aber hat sich Otten, 69, längst weit entfernt. Er schickt sich vielmehr zum dritten Mal an, für die heute in Teilen rechtsextreme AfD in den Deutschen Bundestag einzuziehen.
Der 69-Jährige, der mit seiner Frau Christina Specht in Putzbrunn lebt, hat in der Bundeswehr Karriere als Berufsoffizier gemacht und flog jahrelang den Tornado. Im Anschluss an seine militärische Laufbahn war Otten etwa 20 Jahre lang in der Luft- und Raumfahrtindustrie tätig und arbeitete unter anderem für Airbus.
Der Alternative für Deutschland trat das ehemalige FDP-Mitglied im Gründungsjahr 2013 bei und wurde drei Jahre später Kreisvorsitzender im Landkreis München. Zwei Mal schafft er den Einzug in den Bundestag über die Landesliste und beschäftigt sich im Parlament vor allem mit Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Einem Flügel innerhalb der Partei möchte er sich selbst nicht zuordnen, pflegt aber Kontakte zu Personen wie Bayerns Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner, die dem völkisch-nationalistischem Flügel der AfD angehört. Otten ist erneut über Platz acht auf der Landesliste abgesichert.

Korbinian Rüger, SPD
Er kämpft, obwohl er eigentlich kaum eine Chance hat: Der Planegger Korbinian Rüger will für die SPD in den Bundestag – aber seine Partei hat ihm einen Listenplatz verwehrt, der diesen Traum wirklich werden lassen könnte. Nach der Wahl im Jahr 2021 schafften es aus Bayern 23 Kandidaten über die Liste ins Parlament – bei leichten Zugewinnen und einem Ergebnis von 18 Prozent in Bayern. Rüger geht bei der kommenden Wahl auf Listenplatz 25 ins Rennen, und derzeit ist in den Umfragen kaum abzusehen, dass die Sozialdemokraten bundesweit oder im Freistaat ihr Ergebnis nur annähernd werden halten können.
Für den gebürtigen Münchner und promovierten Philosophen, der an der Ludwig-Maximilians-Universität arbeitet, ist es die zweite Kandidatur nach 2021. Damals sprang er für die Abgeordnete Bela Bach ein, die hingeworfen hatte, nachdem ihr bei der Listenaufstellung ein aussichtsreicher Platz verwehrt worden war. Rüger war bei der Wahl also nur Direktkandidat ohne Listenplatz.
Thomas Klaue, FDP
Noch dramatischer stellt sich die Situation für den Bewerber der FDP dar, die in den aktuellen Umfragen bundesweit konstant unter fünf Prozent liegt und teilweise gar unter „Sonstige“ ausgewiesen wird. Und selbst wenn den Liberalen die Trendumkehr noch einmal gelingen sollte, wird es ihr Direktkandidat im Landkreis München schwer haben: Thomas Klaue ist es ebenfalls nicht gelungen einen aussichtsreichen Listenplatz zu ergattern. Klaue, FDP-Ortsvorsitzender in Pullach und studierter Betriebswirtschaftler, schaffte es nicht unter die ersten 15.
Katinka Burz, Die Linke
Die Linke, in Umfragen ebenfalls unter fünf Prozent, kann sich noch Hoffnungen machen, dass die „Mission Silberlocke“ gelingt und die Altvorderen Dietmar Bartsch, Bodo Ramelow und Gregor Gysi mit dem Gewinn ihrer Direktmandate der Partei über die Grundmandatsklausel zum Einzug in den Bundestag verhelfen. Die Münchner Kreisrätin Katinka Burz wird dann aber erneut nicht nach Berlin umziehen; beim Nominierungsparteitag der Linken kam die 43-jährige Kinderpflegerin nur auf Platz 21 der Landesliste.
Otto Bußjäger, Freie Wähler
Auch Otto Bußjäger, dem kommunalpolitischen Aushängeschild der Freien Wähler im Landkreis München, wird der Sprung nach Berlin verwehrt bleiben. Zwar hofft Parteichef Hubert Aiwanger, der auch bayerischer Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl ist, ebenfalls auf drei Direktmandate im Freistaat – allerdings werden der Partei dafür kaum Chancen eingerechnet. Und der Höhenkirchen-Siegertsbrunner Bußjäger, der stellvertretender Landrat ist, steht mit Listenplatz 28 ohnehin aussichtslos dar.