Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Bier von hier, Folge 8:Anteile vom Burschen-Elixier

Die Brauereigenossenschaft Oberhaching hält nichts von Himbeer- oder Waldmeistergeschmack und setzt daher auf traditionelle Biersorten. Bald soll im eigenen Bräustüberl ausgeschenkt werden.

Von Stefan Galler, Oberhaching

Bierernst nehmen sie sich und ihr großes Hobby nicht. Und so ist es auch nicht überraschend, dass sie auf der Facebookseite der Brauereigenossenschaft Oberhaching immer wieder launige Sprüche über der Bayern bevorzugtes Getränk posten. Etwa jenen: "Seit Jahren wird behauptet, dass Bier am Abend dick macht. Wissenschaftler haben nun herausgefunden, dass Bier gar nicht weiß, wie spät es ist."

Eine Idee auf dem Grillfest

In Oberhaching geht man unverkrampft mit dem Thema um, das hat sich seit der Idee zur Gründung der eigenen Brauerei nicht geändert. Auf einem Grillfest mit Blasmusik 2013 war der Plan entstanden, eigenes Bier zu brauen. Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) war von dem Gedanken, ein eigenes Oberhachinger Bier zu haben, so angetan, dass er im Gemeindeblatt "Kyberg-Nachrichten" im Februar 2014 einfach mal nachfragte, wie groß das Interesse in der Bevölkerung sei. Und er wollte wissen, wer sich ehrenamtlich in das Projekt einbringen würde. "Die Resonanz war erfreulich groß. Ich habe über 150 Rückmeldungen bekommen", erzählt Schelle.

Zum ersten Treffen kamen dann immerhin 40 Leute, man bildete Arbeitskreise, organisierte Vorträge, Diskussionen, Bierverkostungen und Brauereibesichtigungen. Dass sich die Bevölkerung gleich rege für dieses Projekt interessiert habe, sei erklärbar, sagt Florian Schärpf, neben Sascha Bucklitsch und Klaus Tremmel eines der drei Vorstandsmitglieder der Brauereigenossenschaft. In den Fußballverein gehe man nur, wenn man kicken könne, zu den Schützen, wenn man eine ruhige Hand habe. "Der Vorteil, den man bei uns hat, ist, dass man nichts können muss, wenn man sich mit dem Thema Bier beschäftigt", so Schärpf weiter.

Am 22. April 2016 fand dann die Gründungsversammlung der neuen Genossenschaft statt - genau einen Tag vor dem 500. Geburtstag des bayerischen Reinheitsgebotes; 29 Mitglieder waren vom ersten Augenblick an dabei, außer den drei Vorständen auch der Aufsichtsrat, dem Bürgermeister Schelle, Peter Steinberg und Franz Berno Breitruck angehören. Das Interesse der Oberhachinger war überwältigend, alleine 600 Leute kamen zum Gründungsfest, die Zahl der Genossen ist bis heute auf mehr als 500 angestiegen, die Anteile am Projekt kosteten 250 Euro. Auch Franken und Thüringer sind mit dabei, prominentestes Mitglied ist Manuel Andrack, Buchautor und früherer Sidekick von Entertainer Harald Schmidt in dessen Late-Night-Fernsehshow. Er war wegen eines PR-Termins mit seiner Produktionsfirma zur Gründungszeit zufällig in der Gegend und schloss sich der Genossenschaft spontan an.

Regalweise Bier im Getränkemarkt

Die Kernfrage sei, so Schelle: "Braucht unsere Gemeinde ein eigenes Bier?". Und er gibt sofort eine Antwort: "Ein klares Nein, im Getränkemarkt gibt es regalweise Bier und wir würden bestimmt nicht verdursten. Aber das Thema Bier bringt die Leute zusammen, das hat eine ähnliche Bedeutung wie ein Verein", so Schelle.

Früh stellten die Gründer der Genossenschaft klar, dass sie sich auf traditionelle Biersorten konzentrieren wollten. Und deshalb gibt es bis heute auch keine "Craftbiere" mit Himbeer- oder Waldmeistergeschmack. "Wir wollen keine Zeiterscheinung sein", sagt Schelle. Die Oberhachinger begannen unter der Leitung des Brauers Hans Griebl mit ihrem naturtrüben Kellerbier, es folgte das Weißbier, das dunkle "Stefani-Bockbier", das jedes Jahr am zweiten Weihnachtsfeiertag ausgeschenkt wird. Der Maibock mit dem schönen Namen "Burschen-Elixier" und natürlich das Helle - "die Königsdisziplin", wie es der Bürgermeister nennt - runden das Angebot ab. "Die Qualität hat sich in den letzten Jahren stabilisiert, aber der Arbeitsaufwand ist riesig, dabei machen das alle Leute ehrenamtlich", so Schelle.

Womit sich die Frage stellt, wie groß man das Bier machen will, also welche Verbreitung die Genossenschaftler anpeilen. Bisher brauen die Oberhachinger 300 Hektoliter jährlich, also 30 000 Liter. "Wir streben 400 Hektoliter an", sagt Klaus Tremmel, Vorstandsmitglied und Inhaber des Getränkemarktes im Ortsteil Furth, wo es die Biersorten zu kaufen gibt. "Würde jeder unserer gut 500 Genossen einen Kasten pro Monat abnehmen, wären wir schon bei 600 Hektoliter." Momentan schreibe man eine "leicht schwarze Null", sagt Bürgermeister Schelle, verweist auf den "Hype um Giesinger Bräu" und stellt fest: "Da ist enorm viel Geld unterwegs, aber wir müssen uns fragen, wie groß wir sein wollen." Ein größeres Volumen sei in der aktuellen Konstellation schlichtweg nicht zu stemmen, sagen die Genossen unisono.

Das beginne bei der Kalkulation der benötigten Flaschen, Kästen und Fässer, momentan bekleben die Mitglieder ihre Träger per Hand mit dem eigenen Logo. Dann stellt sich die Frage, ob man eine eigene Brauerei bauen solle. Dafür müsse man sich mit Lebensmittelauflagen auseinandersetzen, Unfallversicherungen für die Mitarbeiter abschließen, sich um den Brandschutz kümmern. "Bierbrauen ist nicht mehr so lustig wie 1712", so Schelle.

Derzeit wird das Weißbier und der Bock beim Wildbräu in Grafing hergestellt, das Kellerbier und das Helle in der Privatbrauerei Gut Forsting im Landkreis Rosenheim. "Wir sind mit unserem Rezept zu den dortigen Braumeistern gegangen, das Ergebnis ist absolut das, was wir wollten", so Tremmel. Die herausragende Brauqualität hat ihren Preis, Helles und Kellerbier kosten bei ihm im Markt 23 Euro pro Träger. Bürgermeister Schelle betont: "Mir schmeckt unser Bier besser als der Augustiner."

In diversen Lokalitäten wird das Bier ausgeschenkt, etwa im "Hachinger Hof", dem italienischen Restaurant "Da Michele" am Kirchplatz, beim Griechen "Odeon", im Gourmetrestaurant "Schupps", beim Thailänder "Thai-Fai" oder in der Sportgaststätte Grünwald. Früher oder später will die Genossenschaft das Bier in einem eigenen Bräustüberl anbieten, womöglich im geplanten neuen Vereinsheim des FC Deisenhofen.

In einer früheren Version dieses Textes war fälschlicherweise davon die Rede, dass die Brauereigenossenschaft 40 Hektoliter als Jahresausstoß anstrebe.

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Quelle:
SZ vom 02.10.2019/belo
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