Landkreis:Mit Sixpack nach Berlin

Landkreis: Nachrückerin Bela Bach von der SPD und Platzhirsch Florian Hahn von der CSU.

Nachrückerin Bela Bach von der SPD und Platzhirsch Florian Hahn von der CSU.

(Foto: Claus Schunk)

Ein Jahr vor der Bundestagswahl zeichnet sich ab, dass sechs Kandidaten mit unterschiedlichen Chancen antreten.

Von Martin Mühlfenzl

Als der schwarze Balken auf den Grafiken der Wahlsendungen bei nur etwas mehr als 30 Prozent stehen bleibt und der rote bei gerade einmal 20, gefrieren Florian Hahn und Bela Bach im vierten Stock des Landratsamts die Gesichtszüge. Vor drei Jahren, am Abend des 24. September, erleben sowohl Union als auch SPD bei der Wahl zum Bundestag ein Debakel. Doch wie unterschiedlich es die Parteien trifft, zeigt sich an den Kandidaten im Landkreis München: Florian Hahn, der Christsoziale, versucht Bela Bach, die Sozialdemokratin, zu trösten. Denn trotz der Verluste von nahezu neun Prozent gewinnt der CSU-Abgeordnete aus Putzbrunn erneut das Direktmandat im Wahlkreis, während Bach es zum zweiten Mal nicht in den Bundestag schafft.

Was doppelt bitter ist. Denn die Wähler entsenden insgesamt fünf Kandidaten aus dem Landkreis in den Bundestag: neben Hahn erneut Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter und FDP-Mann Jimmy Schulz sowie - erstmals - die Linke Eva Schreiber und Gerold Otten von der AfD. Bach gelingt es gut zwei Jahre später dann auch noch: als Nachrückerin, nach dem Tod des Ebersberger SPD-Abgeordneten Ewald Schurer und dem Wechsel ihres Nürnberger Parteifreund Martin Burkert zur Eisenbahnergewerkschaft. Doch zu sechs Abgeordneten aus einem Landkreis kommt es nicht. Am 25. November vergangenen Jahres stirbt, mit nur 51 Jahren, der Liberale Jimmy Schulz.

Werden es in einem Jahr sechs Abgeordnete werden oder zumindest wieder fünf? Es ist nicht ausgeschlossen, aber es gehören auch ein wenig Glück und Geschick dazu, Die Liberalen haben als erste Partei die Weichen gestellt und am Donnerstagabend den Vorsitzenden des FDP-Bezirksverbands Oberbayern als Direktkandidaten nominiert: Axel Schmidt aus Oberhaching (siehe rechts). Damit er nach Berlin kommt, muss die FDP aber erst einmal die Fünf-Prozent-Hürde nehmen, an der sie aktuell in Umfragen hängt.

Als gesetzt darf dagegen CSU-Platzhirsch Florian Hahn gelten. Zwar verbringt der mittlerweile als neuer stellvertretender Generalsekretär seiner Partei deutlich mehr Zeit in München, er sieht seine Zukunft aber weiterhin in Berlin. Der Kreisverband wird sich den Ambitionen seines Vorsitzenden kaum in den Weg stellen; damit ihm ein Bewerber einer der anderen Parteien das Direktmandat streitig macht, bedürfte es eines Wunders. 2017 holte Hahn 43,5 Prozent der Erststimmen - und seine Partei steht heute in den Umfragen deutlich besser dar als vor drei Jahren.

Anders ist es schon bei SPD-Nachrückerin Bela Bach. Mit Platz 20 auf der Bayern- Liste der SPD durfte sich die Planeggerin eigentlich schon 2017 berechtigte Hoffnungen auf einen direkten Einzug in den Bundestag machen, die damals angehende Juristin legte zudem einen erfrischenden Wahlkampf hin. Doch der Einbruch der SPD riss Bach mit. Heute sehen die Umfragen für die SPD sogar noch düsterer aus, sie hat sich auf etwa 16 Prozent eingependelt. Die frühe Festlegung auf Finanzminister Olaf Scholz als Kanzlerkandidat hat bisher ebenfalls keine Euphorie aufkeimen lassen. Bach wird kämpfen müssen um einen besseren Listenplatz als vor vier Jahren. Als Abgeordnete stehen ihre Chancen aber gut.

Das wird Toni Hofreiter nicht müssen. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag ist einer der prominentesten Vertreter seiner Partei im bayerischen Landesverband. Der Sauerlacher dürfte ohne Zweifel erneut auf der grünen Welle in den Bundestag reiten, auch wenn die Grünen nicht, wie sich ihr Parteichef Robert Habeck erträumt, die Union als stärkste Kraft ablösen.

Bach wahrscheinlich, Hahn und Hofreiter sicher - fehlen noch die Kandidaten der drei kleinen Parteien. Auch für sie gilt: Entscheidend ist der Listenplatz. Neulinge wie Axel Schmidt, auch wenn dieser oberbayerischer Bezirksvorsitzender der FDP ist, haben es bei der Vergabe der chancenreichen Listenplätze in der Regel schwerer als amtierende Abgeordnete - Schmidt muss also zittern. Aber auch Gerold Otten von der AfD.

Als amtierender Abgeordneter müsste Otten unter normalen Umständen einen der vorderen Listenplätze sicher haben. In der bayerischen AfD ist derzeit aber nichts normal. Die Partei erlebt Grabenkämpfe zwischen gemäßigten Kräften und völkischen Abgeordneten um die Landtagsfraktionschefin Katrin Ebner-Steiner.

Otten ist kein lauter Vertreter seiner Partei, der als Hetzer auffiele; er gilt aber als streng konservativ und national. Viel wird davon abhängen, welcher Flügel die Aufstellungsversammlung dominiert, welche Kreisverbände sich dort durchsetzen, wer am besten Strippen ziehen und Delegierte auf seine Seite ziehen kann.

Gelingt es Otten, Schmidt und Schreiber, von ihren Parteien auf vordere Plätze gesetzt zu werden, ist nicht ausgeschlossen, dass 2021 tatsächlich ein Sixpack aus dem Landkreis München nach Berlin aufbricht. Endgültige Klarheit werden aber erst die Farbbalken am Wahlabend bringen.

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