Süddeutsche Zeitung

Landkreis:Hilfe ohne religiöse Grenzen

Viele Pfarrgemeinden im Landkreis helfen den Flüchtlingen schnell und unbürokratisch. Manche stellen Wohnraum zur Verfügung, andere organisieren Unterstützung im Alltag oder Glaubensgespräche

Von Verena Fücker, Landkreis

"Es ist ganz einfach: Den Flüchtlingen zu helfen, ist unsere Christenpflicht", sagt Diakon Karl Stocker aus dem Pfarrverband Vier Brunnen. Im Pfarrverband, zu dem unter anderem die Gemeinden Sankt Magdalena in Ottobrunn und Sankt Stephan in Putzbrunn gehören, gilt das nicht erst seit Papst Franziskus jüngst alle Kirchengemeinden und Klöster dazu aufgerufen hat, Flüchtlinge aufzunehmen, sondern bereits seit drei Jahren. Stocker findet den Aufruf den Papstes trotzdem gut: "Das ist ein wichtiges Zeichen. Jede Gemeinde sollte hinterfragen, wo sie noch Hilfe leisten kann und was sie in dieser Ausnahmesituation für die Menschen tun kann."

In Ottobrunn und Putzbrunn leisten die katholischen Gemeinden seit 2012 vielschichtig Hilfe. In beiden Orten haben die katholischen Kirchen Helferkreise gegründet, in Putzbrunn sogar gemeinsam mit der evangelischen Gemeinde. Beide Helferkreise zeigen den Flüchtlingen zum Beispiel, wo Ärzte und Geschäfte sind, sammeln Kleidung oder bieten Fahrradkurse für die Kinder an. "Unser Motto lautet aber: Hilfe zur Selbsthilfe. Es bringt nichts, wenn wir den Flüchtlingen alles zeigen und alles für sie machen, wenn sie danach nicht auf eigenen Beinen stehen können", sagt Stocker. Doch damit nicht genug. In Ottobrunn engagiert sich die Kirchengemeinde als Vermittler zwischen anerkannten Flüchtlingen, die Wohnungen suchen, und Privatleuten, die Wohnungen oder Zimmer vermieten können. In Putzbrunn werden seit zwei Jahren Flüchtlingsfamilien im alten Pfarrhaus untergebracht - damit setzt Sankt Stephan genau das um, was der Papst gefordert hat. Gerade erst wurde eine der beiden Familien anerkannt und ist in den Raum Oldenburg gezogen. Bei der zweiten Familie kann die Anerkennung jeden Tag kommen. Wann neue Familien in das Pfarrhaus einziehen, weiß Stocker noch nicht, "aber lange dauert das sicher nicht."

Generell geht die Erzdiözese München und Freising mit gutem Beispiel voran und hat ihre Pfarrgemeinden bereits vor zwei Jahren dazu aufgerufen, Flüchtlingen eine Unterkunft zu geben. Im Landkreis München hat zum Beispiel auch der Pfarrverband Höhenkirchen Flüchtlinge aufgenommen. Mittlerweile wurden gut 1000 Flüchtlinge in Pfarreien der Erzdiözese untergebracht. Zudem stellt die Erzdiözese in diesem Jahr einen Sonderetat von fünf Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung.

Doch nicht jede Gemeinde kann Flüchtlinge aufnehmen. "Es sind nicht überall die nötigen Räumlichkeiten vorhanden", erklärt Christoph Kappes, stellvertretender Pressesprecher der Erzdiözese München und Freising. Der Pfarrverband Grünwald will zum Beispiel helfen, kann aber keine Flüchtlinge aufnehmen. Die Gemeinden Maria Königin und Sankt Peter und Paul haben schlichtweg keine leer stehenden Immobilien, erklärt der zuständige Pater Anton Lötscher: "Wir werden uns stattdessen in der örtlichen Flüchtlingsunterkunft vom Landkreis engagieren. Sobald mein evangelischer Kollege Christian Stalter aus dem Urlaub zurück ist, beginnen wir mit den Planungen." Besonders ehemalige Pfarrhäuser oder leer stehende Kindergärten, die möglicherweise abgerissen werden sollen, eignen sich als Unterkunft, so die Erzdiözese. "Dort gibt es die nötigen sanitären Einrichtungen. Wenn auf den Grundstücken andere Bauvorhaben geplant sind, müssen diese momentan zurückgestellt werden", sagt Kappes.

Im Pfarrverband Ismaning-Unterföhring glaubt man hingegen nicht, dass man so einfach Flüchtlinge unterbringen kann. Dort gibt es aktuell keine Pläne für eine kirchliche Unterkunft. "Wir haben zwar ein paar Immobilien, die man in Betracht ziehen könnte, aber da müssten zunächst die sanitären Anlagen ausgebaut werden. Toiletten und Waschbecken sind dort zum Beispiel vorhanden, es fehlen aber Duschen", erzählt der dortige Pfarrer Markus Brunner. Sollten die Flüchtlingsunterkünfte, die der Landkreis auf dem Gebiet des Pfarrverbandes Ismaning-Unterföhring zur Verfügung stellt jedoch einmal ausgeschöpft sein, will die Kirche Räume zur Verfügung stellen.

Bis dahin wollen sich die Gemeinden erst einmal um praktische Hilfe kümmern. "Wir sind sowohl in Ismaning, als auch in Unterföhring stark mit den Helferkreisen vernetzt und arbeiten Hand in Hand mit den politischen Gemeinden, Vereinen und Verbänden", so Pfarrer Brunner. In den Räumen der Kirche Sankt Johann Baptist in Ismaning werden zum Beispiel Deutschkurse angeboten. Seit neuestem bietet die Gemeinde von Sankt Koloman in der Flüchtlingsunterkunft im Ismaninger Ortsteil Fischerhäuser Gesprächskreise über den Glauben an. Eingeladen sind alle Flüchtlinge, egal aus welcher Religion.

Die Religion war bisher noch in keiner Gemeinde ein Problem. Diakon Karl Stocker erzählt: "Natürlich gab es am Anfang Fragen und unsere Ankerplätze sind die Pfarreien, aber wir kennen keine Grenzen. Es engagieren sich Katholiken, Protestanten und Muslime und wir helfen jedem, der Hilfe braucht."

Auch die Erzdiözese München und Freising zieht bisher eine positive Bilanz. Christoph Kappes vom erzbischöflichen Ordinariat sagt: "Wir bieten nur die Unterkünfte an. Wem sie zugesprochen werden, entscheidet der jeweilige Landkreis. Wir freuen uns auf jeden, denn wir kennen keine religiösen Grenzen."

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Quelle:
SZ vom 14.09.2015
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