Kriminalität:Die trügerische Sicherheit des Pfeffersprays

Pfefferspray

Pfeffersprays sind im Baumarkt leicht zu bekommen. Wirklich hilfreich sind sie im Ernstfall selten, sagen Experten.

(Foto: Günther Reger)

Das Landratsamt muss weiterhin mehr kleine Waffenscheine ausstellen als in früheren Jahren. Dabei rät die Polizei eher zum Taschenalarm.

Von Lea Frehse

Nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln schnellte Anfang 2016 deutschlandweit die Nachfrage nach Pfefferspray und Schreckschusswaffen sowie dem dafür notwendigen kleinen Waffenschein in die Höhe. Im Landkreis München gingen damals achtmal mehr Anträge für eine solche Berechtigung ein als noch 2015.

Der Boom hat nachgelassen, doch die Nachfrage bleibt höher als zuvor

Ein Jahr später zieht das Landratsamt München eine gemischte Bilanz. Zwar habe der regelrechte Boom der Anträge für den kleinen Waffenschein nur wenige Wochen angehalten, erklärt Landratsamt-Sprecherin Christine Spiegel. "Aber insgesamt liegt die Nachfrage weiterhin deutlich höher als zuvor."

Der sogenannte kleine Waffenschein berechtigt zum Tragen von Schreck- und Reizmitteln in der Öffentlichkeit, ist also Pflicht für jeden Bürger, der ein Pfefferspray oder eine Schreckschusspistole bei sich führen möchte. Den kleinen Waffenschein zu bekommen ist einfach: Antragsformular, Führungszeugnis, und eine Gebühr von 100 Euro genügen. Wirklich scharfe Waffen deckt der Schein denn auch nicht ab: Die darf nur führen, wer nach umfangreichen Eignungstests einen großen Waffenschein erlangt hat.

Zahlen aus dem Landkreis zeigen: Tatsächlich markierte das Jahr 2016 eine Trendwende hin zu mehr "freien Abwehrmitteln", wie Schreckschusspistolen oder Pfefferspray im Fachjargon genannt werden - nicht aber zu mehr scharfen Waffen. Hatte das Landratsamt im gesamten Jahr 2015 noch 104 kleine Waffenscheine ausgestellt, waren es 2016 schon 866. Allein in den ersten sechs Wochen 2017 stellte die Behörde 62 Berechtigungen aus, die Nachfrage bleibt also hoch. Gleichzeitig war die Zahl neu ausgestellter großer Waffenscheine mit 16 Stück 2016 niedriger als 2015.

Experten des LKA halten wenig von Pfefferspray - sie setzen auf Aufmerksamkeit

"Die hohe Nachfrage spiegelt das gewachsene Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung", meint der Haarer SPD-Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer, der sich seit langem mit Themen der inneren Sicherheit befasst. "Dabei geben die betreffenden Schreckschusswaffen oder Sprays im Grunde mehr eine Scheinsicherheit als echten Schutz."

Diese Einschätzung teilen die Experten des Bayerischen Landeskriminalamtes (LKA). Wer ein Pfefferspray bei sich trage, möge sich vielleicht sicherer fühlen, erklärt LKA-Sprecher Klaus Strobel. Im Ernstfall aber sei so ein Mittel kaum je rechtzeitig zur Hand - und könne im Zweifel sogar von Angreifern selbst gegen das Opfer gewendet werden. "Wir empfehlen es deshalb nicht, sich Pfefferspray oder ähnliche Mittel zuzulegen", sagt Strobel.

Im Ernstfall sinnvoller seien Hilfsmittel wie Taschenalarme, die bei Knopfdruck laut piepend Aufmerksamkeit erregten. "Ob bei einer drohenden Vergewaltigung oder einem Raubüberfall: Täter wollen keine Aufmerksamkeit", so der LKA-Sprecher. "Ein Alarm schreckt einerseits die Täter und sorgt außerdem dafür, dass Leute aus der Umgebung zur Hilfe kommen können."

Beim Landratsamt hat der Hype um Abwehrmittel vor allem längere Bearbeitungszeiten zur Folge. Gravierender sei der Personalmangel, was die Kontrollen von scharfen Waffen angeht, erklärt SPD-Mann Gantzer. Im ganzen Landkreis gibt es bislang nur acht Kontrolleure, von denen drei in Teilzeit arbeiten. Sie müssen 9021 Waffenbesitzer unter anderem auf die ordentliche Verwahrung ihrer Gewehre und Pistolen überprüfen. Hier werde aktuell eine Aufstockung des Personals geprüft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: