Die bunten Blütenarrangements und Blumenbeete auf der Landesgartenschau in Kirchheim sind teilweise schon Kunst für sich. Doch auch darüber hinaus lohnt es sich, die Augen offenzuhalten: Auf dem Gelände lassen sich zahllose Werke von Kreativen entdecken.
Nachdenklichkeit im Holy Garden
Blühende Pflanzen bilden den Grundriss einer römischen Basilika in dem Bereich der Landesgartenschau, den die Kirchen gestalten. Es soll ein Ort der Kontemplation und des Nachdenkens sein, wie Bruno Wank sagt, Kurator des sogenannten Holy Garden. Die Kunstwerke in diesem Bereich greifen die fünf Sphären auf, in die das Gelände gegliedert ist.

Sie haben gleichzeitig einen tieferen Sinn: Wasser zum Beispiel bildet in dem neuen Park einen idyllischen See, kann aber auch unberechenbar und lebensgefährlich sein. Darauf deutet eine Skulptur des Künstlers Christian Schnurer hin. Der Münchner hat eine Babyschwimmweste von Geretteten auf der Insel Lesbos in Blei abgegossen und die Oberfläche vergoldet. Aufgestellt hat Schnurer sie wie ein Kreuz, als Mahnung und Erinnerung an die Opfer von Unglücken mit Flüchtlingsschiffen im Meer, aber auch als Zeichen der Hoffnung.
Auf Krisen will auch Claudia Starkloff mit ihrem Werk „Back to Eden“ aufmerksam machen. Einen Garten Eden haben die Menschen in vielen Gebieten der Welt momentan nicht. Die Künstlerin bepflanzt Munitionskisten mit Kräutern, Blumen, Obst- und Gemüsepflanzen. Darunter sind auch Gewächse aus Kriegsgebieten. Eine Rose etwa kommt von Frau Husseini aus Afghanistan, wie auf einer beschrifteten Patronenhülse zu lesen ist, eine Sonnenblume stammt aus der Ukraine. Starkloff vermittelt mit ihrer Installation den Kontrast zwischen der Schönheit der Blüten und der Brutalität des Krieges. Die Pflanzen sollen die Dunkelheit überstrahlen und Hoffnung auf neues Leben geben.

Kuhglocken im Garten
Wenn die Sicht klar ist, kann man von Kirchheim aus bis in die Berge schauen. Ein wenig alpenländisches Flair will Maria Zaikina mit ihrem Werk auf die Landesgartenschau bringen. Die Studentin hat einen Wettbewerb zur temporären Kunst auf der Gartenschau für sich entschieden, der an der Akademie der bildenden Künste ausgeschrieben war. Ihre Installation besteht aus Fernsehantennen auf einer Wiese in der Garten-Sphäre. Daran sind Kuhglocken befestigt.

Weht der Wind, soll ihr Läuten bei den Zuhörern das Bild von Wiesen und Bauernhöfen wecken. Sie sollen sich laut Zaikina die Kühe vorstellen, die einst hier geweidet haben könnten, als das Gebiet noch unbesiedelt war. Mit ihrem Werk will die Künstlerin eine Hommage an die bayerische Kultur auf die Gartenschau bringen. Die Fernsehantennen eröffnen eine weitere Bedeutungsebene: Sie stehen für Kommunikation, die auch durch das Glockenklingen zustande kommen kann.
Holzskulpturen in der Wildnis
Die bayerische Kultur ist auch Thema im Werk von Franz Jäger. Zwei überdimensionale, abstrahierte Holzfiguren, stehen sich vor dem Pavillon der Bayerischen Forstverwaltung in der Wildnis-Sphäre gegenüber. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Monster, bei genauerem Betrachten sind eine Frau im Dirndl und ein Mann in Lederhosen erkennbar. Ein Stück entfernt steht ein überlebensgroßer Luchs.

Jäger hat die klassische Holzbildhauerei umgedreht: Anstatt Stücke aus einem Holzblock heraus zu schnitzen, nagelte er unzählige Platten an. Diese Arbeitsweise ist deutlich zeitsparender, wie er sagt. Nur eineinhalb Tage benötigte Jäger pro Skulptur.
Refugium für die Natur
Kunst ist nicht immer in Stein gemeißelt, wie Julius Niemeyer zeigt. Der Student an der Akademie der bildenden Künste hat wie seine Kommilitonin Maria Zaikina einen Zuschlag im Wettbewerb für temporäre Werke erhalten und eine Skulptur geschaffen, die sich über den Zeitraum der Gartenschau stetig verändern wird. Auf einer wild wuchernden Wiesenfläche in der Wildnis-Sphäre hat er ringförmig mehrere drei bis vier Meter lange Weidenruten angepflanzt.

So ist eine Art Kubus entstanden, der momentan noch recht luftig wirkt. Niemeyer besinnt sich dabei auf eine sehr alte Technik, wie er sagt: Weidenzäune gab es bereits lange vor Metall oder Maschendraht. Seine Ruten auf der Gartenschau sollen sich mit der Zeit verwachsen und irgendwann zum undurchdringlichen Netz werden. Im Inneren soll die Natur sich selbst überlassen bleiben.
Steine am See
Eigentlich sei er kein Freund von Landesgartenschauen, sagt der Ingolstädter Künstler Ludwig Hauser. „Das ist mir oft zu viel Show.“ In Kirchheim jedoch entstehe etwas, das den Einwohnern guttue. Hauser entschied sich daher, am Wettbewerb für dauerhafte Kunst auf der Kirchheimer Gartenschau teilzunehmen – und gewann. Sein Werk wird auch nach der Veranstaltung im Park bleiben.

Acht Tonnen wiegt der größte der vier Findlinge, die der Künstler nahe dem See auf der Liegewiese platziert hat. Allesamt Flusssteine, die die Natur geformt hat, wie Hauser sagt. Künstlich sind nur die waagrecht abgeschliffenen Flächen, durch die sich gewissermaßen ins Innere der Steine blicken lässt. So erkennt der Betrachter, wie viele kleine Steine gemeinsam einen großen Felsen ergeben – für Hauser die bildhafte Darstellung des Zusammenwachsens, das die Kirchheimer Gartenschau sich zum Motto gemacht hat.
Turm in der Wiese
Von oben ergeben sich meist ganz andere Sichtweisen, das will der Kirchheimer Künstler Roman Hummitzsch mit seinem Werk zeigen. Der Gründer des örtlichen Vereins Kunstraum hat einen sechs Meter hohen, grünen Turm gebaut, von dem aus er einen Perspektivwechsel und einen neuen Blick auf die Landesgartenschau ermöglichen will.

Das Werk besteht aus Stahlbeton – damit übt Hummitzsch Gesellschaftskritik. Man könne Dingen zwar einen grünen Anstrich verleihen, umweltfreundlich würden sie deswegen aber längst nicht. Wenn die Besucher auf der Aussichtsplattform stehen und über Nachhaltigkeit nachdenken, sei sein Ziel erreicht, so der Künstler. Aber auch unten lässt sich viel entdecken: In einem kleinen Raum im Turm zeigt eine Ausstellung, wie sich das Gelände in der Bauphase verändert hat.