Zehn Kunstwerke, zehn Lebensphasen, von der Kindheit bis ins hohe Alter: Wer sich Gabriele von Endes „Lebensweg“ auf der Landesgartenschau in Kirchheim ansieht, der unterzieht das eigene Ich einem kleinen Check-up, ob man das nun will oder nicht. Die Farben, Formen und Texte der Bilder werfen je nach Alter unterschiedliche Fragen auf, vor allem erzählen sie die Geschichte vom ewigen Wandel. Der Mensch entwickelt sich ständig weiter, und der Fluss des Lebens nimmt Erfahrungen und Emotionen mit, die sich in die Seele einschreiben. Und so blickt man dann auf eine Reihe farbenfroher Kunstdrucke und fragt sich: Wer bin ich? Was kann ich? Was habe ich schon erlebt und geschaffen? Vielleicht auch: Wo will ich noch hin?
Die zehn Bilder gehören zum Komplex „Friedhof als Begegnungsort“, dem ruhigen und beschaulichen Teil der Landesgartenschau. „Leben und Tod gehören zusammen. Die Menschen müssen an ihr Leben denken, aber auch daran, dass es irgendwann vorbei ist“, sagt Gabriele von Ende in den wolkenverhangenen Vormittag hinein. Zwischen Glockenblumen und artifiziellen Grabsteinen berichtet die Künstlerin, Hospizbegleiterin, Referentin und Autorin aus Haar vom „Rentnerstress“, den sie in einem Bild mit gelben Tupfern zwischen Blau und Grün visualisiert hat. Es handle sich dabei um den Drang, möglichst viele Erlebnisse in die verbleibenden Lebensjahre zu packen. „Man ist ständig am Reisen und vergisst sich dabei selbst.“
Gabriele von Ende hat das schon hinter sich: Groß und gelassen steht sie da, eine Frau mit dunklem Blazer und hellen Haaren, in deren bergseeblauen Augen die Erfahrung eines langen Lebens ruht. Sie hat nicht nur drei Hospizvereine mitbegründet – in Kirchheim, in Haar und im Landkreis Miesbach – sondern war mit ihrer Kunst auch in Ausstellungen in den USA, China, Italien, der Schweiz und in München vertreten. In ihren großformatigen Arbeiten gibt sie sich dem Abstrakten hin, das fordert den Betrachter heraus und inspiriert ihn zum Nachdenken, über eine künstlerische Aussage, aber auch über sich selbst. Im Übrigen malt die Künstlerin immer von vier Seiten und in sieben Schichten. „Man hat so seine Eigenarten“, erklärt sie.
Ihr neuer autobiografischer Bildband heißt „Liebe leben – Leben lieben“
Im Oktober feiert Gabriele von Ende ihren 80. Geburtstag, jetzt im Juni erscheint aus diesem Anlass unter dem Titel „Liebe leben – Leben lieben“ ihr neues Buch, ein autobiografischer Bildband, in dem der Leser viel Persönliches über die Künstlerin erfährt. Die Originale des Bilderzyklus hat die Gemeinde Kirchheim vor etlichen Jahren für das Seniorenzentrum „Collegium 2000“ erworben. Entstanden sind die abstrakten Arbeiten unter dem Titel „7 Jahreswachstum“ im Jahr 2002, als sich die Künstlerin „in Klausur“ begab und sich mit den Abhandlungen von Hippokrates, Rudolf Steiner und Remo H. Largo befasste, dem bekannten Schweizer Kinderarzt und Autor.
Für die Landesgartenschau hat Gabriele von Ende ihre Werke mit kurzen Texten versehen, eine schwierige Aufgabe, wie sie erzählt, denn bei aller Knappheit sollen die Worte ja doch berühren – und mit der Kunst ein großes Ganzes ergeben. Auf einem Bild schält sich in zartem Gelb eine Hand aus einer mit kurzen Pinselstrichen gemalten Fläche heraus, die offenbar einen imaginären Basketball im Korb versenkt. In der Lebensphase zwischen 42 und 49 ereile viele Menschen eine „Wertekrise“, erläutert die Künstlerin. Die Hand steht für den abgeworfenen Ballast, den man nicht mehr benötigt, wenn man fast ein halbes Jahrhundert gelebt hat. Eine Bestandsaufnahme des eigenen Könnens und Wollens, quasi.

Ein Gespräch mit Gabriele von Ende kann Tiefe erlangen, ohne hochgestochen philosophisch zu sein. Sie erzählt nämlich lieber vom Brot mit der „Schiebewurst“, das sie als Nachkriegskind einmal im Monat bekommen habe. „Da habe ich geschoben und geschoben und erst ganz zum Schluss reingebissen, aber vorher durfte ich schon mal riechen.“ Eindrücke, die das Mädchen von damals zu einer Frau reifen ließen, die als „Lebensbegleiterin“ anderen durch Krisen und Zeiten der Trauer helfen sollte. Dabei komme es nicht nur aufs Reden, sondern auch aufs Zuhören an, auf ein aufrichtiges Interesse am Gegenüber. Wer es selbst ausprobieren möchte: Auf der Landesgartenschau wird Gabriele von Ende immer mittwochs von 14.30 bis 17.30 Uhr auf einem „Gesprächsbankerl“ in der Nähe ihres „Lebenswegs“ anzutreffen sein. Sie wolle mit den Leuten reden, über das, was geglückt ist im Leben, aber auch über Dinge, die nicht geklappt haben. Und die vielleicht nachgeholt werden wollen. Die Haarerin sagt: „Ich liebe Menschen, und je schwieriger sie sind, desto interessanter werden sie für mich.“