Landesgartenschau in Kirchheim:Gesichter einer Ausstellung

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Der Pavillon des Landkreises München bei der Gartenschau in Kirchheim. (Foto: Claus Schunk)

Im hölzernen Pavillon präsentiert der Landkreis Persönlichkeiten aus seinen 29 Städten und Gemeinden. Das sind nicht unbedingt Menschen, die ohnehin jeder kennt.

Von Anna-Maria Salmen, Kirchheim

„Was stellen wir in die Mitte des Landkreises?“ Diese Frage stellten sich Martina Haeseler und ihre Kollegen zunächst im wörtlichen Sinn, als sie den Pavillon gestalteten, mit dem sich der Landkreis München auf der Landesgartenschau in Kirchheim die vergangenen Monate präsentiert hat. In dem Holzbau finden die Besucher Informationen unter anderem über Brauchtum, Naturvielfalt und Zukunftsstrategien aus dem Landkreis. Doch die Mitte sollte den Menschen gehören. „Das sind diejenigen, die diesen Landkreis so lebenswert machen“, sagt Haeseler.

Als Projektverantwortliche konzipierte sie die Ausstellung „Gesichter und Geschichten aus dem Landkreis“. Auf hölzernen Lamellen im Zentrum des Pavillons sind Persönlichkeiten aus den 29 Städten und Gemeinden porträtiert, die sich besonders engagieren und die sonst nicht so im Fokus der Öffentlichkeit stehen, wie Haeseler erklärt. Wichtig war ihr, eine ganz unpolitische Mischung zu präsentieren, wie sie sagt – bunt und vielfältig wie der Landkreis. Die SZ stellt zum Abschluss drei ganz unterschiedliche „Gesichter“ genauer vor, die für drei Aspekte des Landkreises stehen.

Brauchtum und Tradition

Andreas Beckenlehner und Maria Markl wünschen sich mehr Buben beim Tanztraining. (Foto: Repro: Claus Schunk)

Als Maria Markl ihre Sandkastenfreundin bei einem Festumzug in Tracht laufen sah, war die damals Siebenjährige so begeistert, dass sie ebenfalls in den Trachtenverein eintrat. Genau 30 Jahre ist das inzwischen her, heute kümmert Markl sich als Jugendleiterin der „Gleißentaler“ in Oberhaching selbst um den Trachtler-Nachwuchs.

Regelmäßig veranstaltet sie Tanzproben für Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 16 Jahren, bei denen Volkstänze einstudiert werden. Wenn alles gut sitzt, fährt die Gruppe zu Auftritten. Angestaubt ist das Tanzen bei Weitem nicht. Wie Markl sagt, werden die Proben gut angenommen – vor allem von Mädchen. „Die sind immer begeistert, weil die Tracht so schön ist. Wenn sie die sehen, haben sie schon Glitzer in den Augen.“

Anders sieht das bei den Buben aus, da haben die Gleißentaler laut Markl momentan durchaus einen Mangel. Gerade einmal einer kommt regelmäßig zu den Tanzproben – und gut 20 Mädchen. Erklären kann die 37-Jährige sich das unter anderem mit dem großen Angebot an Freizeitmöglichkeiten, das die Kinder rund um München finden. „Wenn mittwochs Fußballtraining ist, gehen die Buben nicht zum Tanzen.“

Das kann Andreas Beckenlehner bestätigen: Der 30-Jährige ist ebenfalls schon lange bei den Gleißentalern, setzte allerdings zwischenzeitlich aus – weil er stattdessen Fußball spielte. Gerade bei den Buben gelte das Tanzen teilweise als „uncool“, sagt Markl. Nachvollziehen kann sie das nicht, wie sie sagt: Schuhplatteln sei, wenn man es richtig könne, durchaus anspruchsvoll und anstrengend. Sie hofft, dass künftig wieder mehr Buben die Tradition für sich entdecken.

Markl selbst möchte die Gemeinschaft zwischen Jung und Alt im Verein nicht mehr missen. Wichtig ist ihr aber auch die Brauchtumspflege: „Es wäre schade, wenn die Trachten irgendwann verloren gehen würden.“ Die Gleißentaler tragen laut Beckenlehner zudem dazu bei, dass der Ort lebendig bleibt.

Natur und Umwelt

Andrea Braun (links) und Christina Klasna sind begeistert von der Vielfalt der Pflanzen. (Foto: Repro: Claus Schunk)

Auf dem Samentütchen war zwar vermerkt, dass die Inka-Gurke ausladend wächst, erzählt Andrea Braun. Aber dass sie so groß wird, hätte die Leiterin des Kulturamts im Neubiberger Rathaus dann doch nicht erwartet. „Ich hatte Unmengen an Gurken.“ Braun ist begeisterte Hobbygärtnerin, wie sie sagt. Und dennoch hätte sie diese spezielle Sorte wohl kaum gefunden – wenn es nicht die Saatgutbibliothek in Neubiberg gäbe.

Seit Frühjahr 2022 steht in der Gemeindebibliothek ein Regal mit Dutzenden Fächern, in denen Samentütchen stecken. Pro Person darf man sich zwei davon mitnehmen: Von klassischen Gemüsesorten wie Tomaten, Gurken oder Paprika bis hin zu bunten Blumensaaten ist alles dabei. Dazu gibt es Tipps zum richtigen Saatzeitpunkt sowie zur Pflege. Braun hat das Projekt zusammen mit Bücherei-Leiterin Christina Klasna aufgebaut und ist begeistert von der Vielfalt der Pflanzen: „Man macht immer wieder lustige Entdeckungen und findet Samen, die man sonst nie bekommen hätte.“

Denn in der Saatgutbibliothek gibt es vor allem traditionelle Sorten, die heute nicht mehr so verbreitet sind. „Es geht auch darum, die Leute dafür zu sensibilisieren, alte Sorten zu erhalten.“ Anfangs haben Mitglieder des Umweltgartenvereins sowie der Bund Naturschutz Samen gebracht, auch heute noch liefern Hobbyzüchter regelmäßig Nachschub. Das Grundprinzip sieht aber vor, dass jeder, der sich ein Tütchen mitnimmt, im Herbst auch wieder Samen von der fertigen Pflanze spendet. „Es ist ein Kreislauf“, sagt Braun.

Spenden kann man auch, wenn man nichts ausgeliehen hat. Wichtig ist laut Braun nur, dass es sich um samenfestes Saatgut handelt. Nur so ist sichergestellt, dass die nächsten Generationen der Pflanzen wieder die gleichen, gewünschten Eigenschaften haben wie ihre Vorgänger. Tütchen und Aufkleber kann man sich zum Verpacken in der Bücherei abholen. Und vielleicht entdeckt man dabei gleich noch eine Saat, die man selbst gerne ausprobieren würde.

Geschichte und Identität

Heimatpfleger Michael Müller kam als Lehrer nach Garching. (Foto: Repro: Claus Schunk)

Ursprünglich kommt Michael Müller nicht aus Garching, nicht mal aus dem Landkreis München, sondern aus Baden-Württemberg. Das sieht er für sein Engagement als Heimatpfleger allerdings als Vorteil: „Es ist die Voraussetzung, um neugierig zu sein.“ Menschen, die von außerhalb kämen, hätten oft ein größeres Interesse an der Geschichte eines Ortes als Alteingesessene.

So ging es auch Müller, als er in den Siebzigerjahren als Gymnasiallehrer nach Garching kam. „Ich wusste zuerst gar nicht, wo ich gelandet bin.“ Mit seinen Schülern erstellte er 1973 aus Anlass des damals erlassenen Denkmalschutzgesetzes eine Fotodokumentation von Gebäuden in Garching, die auf die Liste der schützenswerten Objekte gekommen waren – und von jenen, die es nicht geschafft hatten. Für Müller war das der Beginn seiner Leidenschaft für die Garchinger Ortshistorie.

Als ehemaliger Lehrer für Geschichte hat der inzwischen 79-Jährige auch die entsprechende Expertise. Er arbeitete mit dem früheren Heimatpfleger zusammen und übernahm den Posten schließlich 2010. Seither beschäftigt Müller sich mit dem Stadtarchiv, das in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist, und das er als „Fundgrube für Garchinger Geschichte“ bezeichnet. Unter anderem beteiligte er sich an der Chronik zum 1100-jährigen Bestehen Garchings und schreibt immer wieder Texte für den Stadtspiegel. Dabei beschäftigte Müller sich unter anderem mit dem ehemaligen SS-Lager in Hochbrück.

Wichtig ist dem Heimatpfleger auch, niedrigschwellig zu informieren. Museum auf der Straße nennt er das: Müller hat Infotafeln an verschiedenen Stellen in Garching aufstellen lassen, die Interesse wecken und die Historie ins Stadtbild bringen sollen. Auch der Denkmalschutz zählt zu seinen Aufgaben, ebenso die Förderung des kulturellen Lebens in Garching. Stolz ist er auf das Kulturfest im Römerhof, das er nach der Pandemie aufgebaut hat und das mittlerweile zum festen Programm gehört.

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