Landesausstellung:Gezerre ums Gefilde

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Während in der Gemeinde Kirchheim Begeisterung herrscht über den Zuschlag für die Landesausstellung, streiten die Lokalpolitiker in Bogenhausen über die Frage, ob München sich überhaupt für eine Gartenschau bewerben soll. Sie sorgen sich um den Erhalt der Freiflächen - gerade wegen der geplanten Siedlungsprojekte

Von Martin Mühlfenzlund Ulrike Steinbacher, Bogenhausen/Kirchheim

In beiden Fällen geht es um eine Gartenschau - und damit sind die Gemeinsamkeiten dann auch schon erschöpft: Die kleine Gemeinde Kirchheim mit ihren 14 000 Einwohnern hat gerade begeistert zur Kenntnis genommen, dass es die Landesgartenschau 2024 ausrichten darf. Im 80 000-Einwohner-Stadtbezirk Bogenhausen dagegen streiten sich die Lokalpolitiker darüber, ob es sinnvoll wäre, auch nur einer Machbarkeitsstudie zuzustimmen, die ihrerseits prüft, ob sich die Stadt München für eine Bundesgartenschau (Buga) oder eine Internationale Gartenschau (Iga) bewerben soll. Die Buga fände frühestens 2029 statt, die Iga 2037.

Nächster Unterschied: In Kirchheim geht es um eine neue Mitte zwischen den beiden Ortsteilen Kirchheim und Heimstetten. Auf dem unbebauten Areal entstehen nach jahrelangen Querelen ein neues Gymnasium, Bürgersaal, Rathaus, Seniorenzentrum, Wohnungen und ein Ortspark, der aus der Landesgartenschau heraus entwickelt werden soll. In Bogenhausen geht es dagegen um die Grünflächen eines neuen Stadtviertels mit 30 000 Menschen; es soll am Stadtrand östlich der Flughafen-S-Bahn zwischen Daglfing und Johanneskirchen entstehen. Es ist inzwischen unter dem Kürzel SEM bekannt, weil das Planungsinstrument zum Bau dieses Großquartiers Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme heißt.

Gegensatz Nummer drei: In Kirchheim ziehen Bürger und Politiker bei den Plänen für das neue Zentrum inzwischen an einem Strang, nachdem seit den Neunzigerjahren mehrere Anläufe gescheitert waren, ein Ortszentrum für die beiden ehemals selbständigen Gemeinden Kirchheim und Heimstetten zu entwickeln. Sie hatten im Zuge der Gebietsreform vor 40 Jahren mehr unter Zwang als freiwillig zueinander gefunden, doch jetzt sind die alten Ressentiments offenbar überwunden. Beim Bürgerentscheid 2017 stimmten die Kirchheimer mit großer Mehrheit für die neue Ortsmitte, was wiederum Voraussetzung für die Bewerbung um die Landesgartenschau war. Sie soll unter dem Motto "Zusammen. Wachsen" stehen.

In Bogenhausen dagegen ist man von solcher Einigkeit weit entfernt. Dort löst schon die Frage, ob man einer Buga-Machbarkeitsstudie zustimmen sollte, über die am Ende gar nicht der BA selbst, sondern das Planungsreferat der Stadt entscheidet, monatelange Debatten aus. Dies hat einerseits mit einem Grundmisstrauen gegen die Stadtverwaltung zu tun. Womöglich werde ein Ja zu der Untersuchung dort gleich als Zustimmung zur Buga missverstanden, befürchtete Peter Reinhardt (CSU) in der jüngsten Sitzung. Das wollen die Christsozialen keinesfalls, denn gerade bei ihnen - und das ist der andere Grund für ihre negative Haltung zur Buga - herrscht großes Unbehagen über das geplante SEM-Großquartier am Stadtrand. Dass dort keine Einfamilienhaus-Siedlungen entstehen werden, sondern durchaus mit einer gewissen Dichte und Höhe gearbeitet wird, hatten die Stadtplaner schon vor zwei Jahren deutlich gemacht. Gerade die CSU wehrt sich gegen mehrgeschossige Häuser und fürchtet um die landwirtschaftlich geprägten Freiflächen des Nordostens und ihre Ursprünglichkeit. Es gebe dort "einzigartige Biotope", sagte Xaver Finkenzeller (CSU). "Das, was wir alle da draußen schätzen, reduzieren wir erheblich" mit einer Buga, prophezeite er. Robert Brannekämper (CSU) warnte davor, "den fünften Schritt vor dem ersten" zu tun. Das Thema sei schlicht nicht entscheidungsreif. Man müsse jetzt erst einmal abwarten, welche Eckdaten und welche Dichten sich bei der SEM-Bebauung ergäben.

Felder auf weiter Flur: Zwischen Johanneskirchen, Bogenhausen und Aschheim soll dereinst ein Stadtviertel für 30 000 Menschen entstehen. Die Gartenschauen wären 2029 (Buga) und 2037 (Iga). (Foto: Alessandra Schellnegger)

Gegen die Stimmen der SPD beharrt der Bezirksausschuss also darauf, vom Planungsreferat erschöpfend Antwort auf einen Fragenkatalog der CSU vom Mai zu bekommen, ehe er sich dann mit der Buga-Machbarkeitsstudie befasst. Laut Finkenzeller wollen die Lokalpolitiker wissen, wo im 650 Hektar großen SEM-Untersuchungsgebiet die Flächen liegen, die der Stadt gehören. Und sie fragen, ob eine Bundesgartenschau auch ausschließlich auf diesen Flächen stattfinden könnte. Finkenzeller fügte hinzu: "Das heißt nicht per se, dass man gegen eine Buga ist."

Begeisterung allerdings klingt anders, vielleicht so wie Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU), dem nach der Vergabe der Landesgartenschau an seine Gemeinde am Dienstag nach eigenen Worten die "Glückstränen" kamen. Zufrieden mit der Entscheidung war auch Umweltminister Marcel Huber. Er lobte die "hochwertigen und innovativen Ideen" im Sinne einer ökologischen und nachhaltigen Stadtentwicklung. Der Freistaat Bayern fördert das Projekt in Kirchheim mit bis zu fünf Millionen Euro.

Das Konzept, an dem auch Bürger mitgearbeitet haben, sieht fünf Themenbereiche vor: von Gemeinschaft und Identität über Bildung und Betreuung, Mobilität und Gesundheit, Landwirtschaft und Ernährung bis hin zu Freiraum und Klimaschutz. Die Gemeinde, die sich selbst einem enormen Wachstumsdruck ausgesetzt sieht, will laut Bewerbung zeigen, dass "Freiraum trotz Verdichtung in der Metropolregion" möglich ist. Bei der Umsetzung sollen insgesamt 150 000 Quadratmeter Grünflächen entstehen - 13 000 Quadratmeter, sagt Böltl, würden entsiegelt und der Natur zurückgegeben. "Deshalb ist es uns auch wichtig, dass die Landesgartenschau nachwirkt und die neue Mitte trotz der Bebauung grün bleibt."

© SZ vom 07.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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