Lage der SPD:"Wir brauchen Leute, die Charisma haben"

Lage der SPD: Kevin Cobbe erwägt 2020 eine Kandidatur für den Aschheimer Gemeinderat und auch für den Kreistag.

Kevin Cobbe erwägt 2020 eine Kandidatur für den Aschheimer Gemeinderat und auch für den Kreistag.

(Foto: Claus Schunk)

Der bisherige Juso-Kreisvorsitzende und SPD-Lokalpolitiker Kevin Cobbe fordert von seiner Partei "radikale Ansätze", damit es nicht "noch weiter Richtung null Prozent" geht. Mit Blick auf die Kommunalwahl 2020 müsse sich auch die Partei im Landkreis ändern

Interview von Martin Mühlfenzl, Aschheim

Kevin Cobbe hat tatsächlich etwas Ähnlichkeit mit Kevin Kühnert: Wie der Bundesvorsitzende der Jusos ist der SPD-Nachwuchspolitiker aus Aschheim davon überzeugt, dass die große Koalition ein Fehler war, die Partei endlich wieder ein Profil braucht und die Jugend ran muss. Der 23-Jährige macht das schon mal vor: Er selbst will als neuer Ortsvereinsvorsitzender der Aschheimer Genossen Verantwortung übernehmen. Bis Dezember war er noch Chef der Jusos im Landkreis. In einem Café in Aschheim wird über die Zukunft der SPD gesprochen - und über die Frage, ob sie überhaupt noch eine hat.

SZ: Was fällt Ihnen im Rückblick auf das Jahr 2018 zum Zustand Ihrer Partei ein?

Kevin Cobbe: Es hat uns schon enorm durchgeschüttelt. Wir haben in Bayern eine Landtagswahl erlebt, von der niemand erwartet hat, dass sie für uns mit einem einstelligen Ergebnis endet. Das war schon wahnsinnig frustrierend.

Welchen Anteil haben Berlin und die Bundespartei daran, dass es zuletzt immer weiter abwärts ging?

Natürlich trägt das Erscheinungsbild in Berlin zum momentanen Trend bei. Auch der Umstand, dass wir in einer Koalition sind, die wir als Jusos so nicht wollten, und in der zum Beispiel ein Innenminister sitzt, der sich an seinem 69. Geburtstag darüber freut, dass 69 Asylbewerber abgeschoben werden.

Wird 2019 mit der anstehenden Europawahl und den Vorbereitungen auf die Kommunalwahl im Frühjahr 2020 zu einem Schicksalsjahr für die SPD?

Das kann man so sagen. Man muss es so klar ausdrücken: Bei 9,7 Prozent in Bayern ist ja nicht Schluss, es kann immer noch weiter Richtung null Prozent gehen.

Seit Jahren ist in der SPD die Rede von einer Erneuerung. Was sollen sich die Wähler darunter überhaupt vorstellen?

Wir als Sozialdemokratie brauchen wieder ein echtes Leitbild, eine echte Idee davon, wie dieses Land in 30, 40 Jahren aussehen soll. Es ist in den vergangenen Jahren zu wenig darüber gesprochen worden, für was die SPD eigentlich steht.

Wofür muss die SPD aus Ihrer Sicht denn zwingend stehen?

Ein großes Thema ist sicher die Chancengleichheit sein, für die wir eintreten müssen. Wir haben aber auch das Thema Digitalisierung in den letzten Jahren verschlafen. Unser Image ist schon etwas angestaubt, dass muss sich ändern - und die Grünen haben uns vorgemacht, wie es geht.

Gehört dazu auch eine personelle Erneuerung?

Aus meiner Sicht ja. Die Bundesvorsitzende Andrea Nahles ist inhaltlich sicher gut, aber wir brauchen Leute ganz vorne, die auch das Charisma haben, die Menschen wieder offen und direkt ansprechen und die Themen transportieren. Und wir haben diese Leute.

Etwa der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert als Parteivorsitzender?

Warum nicht? Wir sind in einer Situation, wo es auch radikale Ansätze braucht. Es ist jetzt an der Zeit, dass die Jungen in der SPD Verantwortung und auch den Laden übernehmen. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Was soll mit der großen Koalition passieren? Die Jusos - angeführt von Kevin Kühnert - wollten nie rein. Ende 2019 wird Bilanz gezogen und das Bündnis könnte beendet werden. Also raus aus der Groko?

Ganz klar: Ja. Es war ein Fehler, überhaupt reinzugehen.

Vor der Regierungsbildung hieß es, die SPD müsse Verantwortung als Volkspartei übernehmen und regieren.

Aber Verantwortung können wir auch in der Opposition übernehmen, und es hätte der Arbeit im Parlament und der Debattenkultur gut getan, wenn die SPD aus der Opposition heraus agiert hätte.

In Bayern ist die SPD mittlerweile die zweit-kleinste Oppositionspartei. Sollte auch hier nach dem Abschneiden bei der Landtagswahl die Erneuerung an der Parteispitze anfangen?

Für mich ist Natascha Kohnen weiterhin die richtige Vorsitzende. Sie hat auch auf die richtigen Inhalte gesetzt, aber natürlich auch Fehler gemacht. Nur was hilft es, jetzt wieder die Vorsitzende auszutauschen und in einem Jahr, wenn wieder etwas schief geht, schon wieder den Parteichef zu wechseln?

Haben Sie Verständnis für Attacken und Schuldzuweisungen wie von Ihrer Parteifreundin Annette Ganssmüller-Maluche gegen Natascha Kohnen, nachdem sie den Sprung ins Parlament verpasst hat?

Nein. Da war sicher eine Menge Frust dabei. Wir sollten jetzt aber auch im Unterbezirk mit den Streitereien aufhören. Das bringt uns nicht weiter.

Sie selbst haben unlängst den Posten als Juso-Kreisvorsitzender abgegeben, sind seitdem neuer Ortsvereinsvorsitzender in Aschheim. Das spricht für ein stärkeres kommunalpolitisches Engagement.

Ja, natürlich. Wir können ja auch als Jusos nicht nur sagen, was sich ändern muss, sondern müssen dann auch handeln und uns selbst einbringen.

Die SPD muss auch im Kreis und den Ortsvereinen jünger werden?

Unbedingt. Und auch weiblicher. Die Jusos waren früher eher ein in sich geschlossener Kreis, das bricht gerade auf. Und auch aus dem Unterbezirk wird klar signalisiert, dass eine Verjüngung erwünscht ist.

Heißt das für Sie, dass sie auch bei der Kommunalwahl 2020 kandidieren werden?

Für den Gemeinderat in Aschheim auf alle Fälle und eine Kandidatur für den Kreistag wäre für mich sicherlich auch interessant.

Auf welche Themen muss die SPD im Kommunalwahlkampf setzen?

Auf das, was die Menschen hier im Landkreis wirklich bewegt. Der öffentliche Personennahverkehr zum Beispiel. Wie sind Sie heute nach Aschheim gekommen?

Mit dem Auto.

Öffentlich wäre es auch sehr umständlich. Daran müssen wir arbeiten, dass Orte besser angebunden werden, der ÖPNV weiter ausgebaut wird. Und die SPD hat ja auch schon viel erreicht. Es ist maßgeblich unseren Bürgermeistern im Norden und auch Annette Ganssmüller-Maluche zu verdanken, dass es bei der MVV-Tarifreform substantielle Verbesserungen für den Landkreis gegeben hat. Auch wenn wir alle wissen, dass die Reform 2019 nur ein erster Schritt sein kann. Es geht aber auch um die wichtigen Themen Wohnen, Digitalisierung, erneuerbare Energien. Das alles kann die Menschen ansprechen.

Im Jahr 2020 kann es sein, dass sich auch Kommunalpolitiker mit Mandatsträgern der AfD auseinandersetzen müssen. Wie wollen Sie damit umgehen? Die Auseinandersetzung suchen oder die AfD totschweigen?

Totschweigen auf gar keinen Fall. Erst mal muss man ja sagen, dass die AfD auf kommunaler Ebene bei uns bisher so gut wie gar nicht in Erscheinung getreten ist. Ich teile aber nicht die offizielle Position der Jusos, nach der Diskussionsveranstaltungen mit der AfD boykottiert werden, weil man ihr keine Bühne bieten will. Ich bin der Meinung, dass man gezielt auf diese Veranstaltungen gehen und die AfD dort stellen muss. Dann wird man schon sehen, wie wenig an Lösungsansätzen zu hören sein wird.

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