Kunsttherapie für Flüchtlinge:Oberhachinger Seelenbilder

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In ihren Bildern haben sich die jugendlichen und erwachsenen Flüchtlinge ihren Erlebnisse künstlerisch und ohne Worte angenähert. (Foto: oh)

Flüchtlinge malen in Oberhaching mit der Künstlerin Jutta Franklin. Sie verarbeiten dabei ihre Schicksale und Erlebnisse. Das Ergebnis dieser Kunsttherapie ist von Mittwoch an für einen Monat im Rathaus zu sehen.

Von Lenka Jaloviecova, Oberhaching

Jutta Franklin erinnert sich gut daran, wie der Junge eines Nachmittags ihre Galerie betrat. Ein fröhliches Kind! "So ein netter Junge", erzählt die Oberhachingerin. "Er hat von Anfang an viel gelacht." Die Künstlerin gibt ihm Acrylfarben und ein großes Blatt Papier. Als der Zwölfjährige ihr später das Bild zeigt, das er gemalt hat, verschlägt es Jutta Franklin die Sprache. "Da war ein Schwert voller Blut gezeichnet. Neben dran ein Körper, aus dem ein blutiges Herz herausgerissen worden ist", schildert die Galeriebesitzerin aus dem Münchner Süden.

Das Bild mit dem blutigen Herzen, das der Flüchtlingsjunge gemalt hat, ist das Titelbild der Kunstausstellung "Kunst tut gut", die von diesem Mittwoch, 9. März, an im Oberhachinger Rathaus einen Monat lang zu sehen ist. Mehrere Flüchtlinge, die in einer Traglufthalle in der Gemeinde untergebracht sind, konnten an sechs Nachmittagen Künstlerin Jutta Franklin in ihrer Galerie besuchen.

Die Flüchtlinge bringen ihre Gefühle zum Ausdruck - es ist eine Art Therapie

Es waren vor allem männliche Jugendliche, aber auch Frauen und Kinder waren darunter. Franklin gab den Flüchtlingen Farbe und Papier und erklärte ihnen mit Händen und Füßen, was sie machen sollten. Denn so gut wie niemand von ihnen sprach deutsch oder englisch. Das Ziel: "Die Flüchtlinge sollten ohne Worte ihre Gefühle zum Ausdruck bringen." Eine Art Kunsttherapie also.

Auf die Idee zu dem Projekt war Franklin ganz spontan gekommen. "Ich erfuhr, dass viele Jugendliche unter den Flüchtlingen nicht zur Schule gehen können und daher herumlungern. Für sie machte niemand etwas." Also wandte sich Franklin an den Helferkreis. Noch vor Weihnachten fand das erste Treffen mit einer Hand voll Flüchtlingen zwischen zwölf und 17 Jahren in der Galerie statt. Sie durften malen, was sie beschäftigt. Die Bilder wurden weder hinterher bearbeitet noch zensiert.

Das von dem kleinen Mädchen gemalte "M" steht für Mama

"Die Motive sprechen für sich", findet die Kunstexpertin. Für sie war das Projekt lehrreich - und bewegend. So habe etwa ein Mädchen, das schon ein wenig deutsch spricht, ein großes M aufs Papier gemalt. "Es sah aus, wie das M von McDonald's. Also fragte ich nach, was der Buchstabe bedeutet." Da antwortete das Mädchen: Das M stehe für Mama. Sie sei alleine in Deutschland und ihre Mutter sehr weit weg - in Syrien. Jutta Franklin kommentiert den Satz nicht, lässt ihn ein fach so stehen. Es ist nur eines von vielen traurigen Schicksalen, die in der Ausstellung Ausdruck finden.

Aber es gab auch fröhliche Momente in den Sitzungen. An einem Nachmittag betreute Franklin eine Gruppe von Frauen. Alle kamen verschleiert zur Galerie. Als sie die Aktbilder an den Wänden sahen, hätten sie angefangen zu kichern, erzählt Franklin. "Ich hatte mir vorher noch überlegt, ob ich sie abhängen soll, aber mich entschieden, es bleiben zu lassen." So fingen die Frauen an zu malen und am Ende waren auf den Bildern viele wenig bekleidete Frauen im Bikini zu sehen. Einige hatten sogar die Aktbilder von den Wänden nachgemalt.

Jutta Franklin erkennt eine gewisse Sehnsucht nach dem Westen in den Bildern

Jutta Franklin glaubt, dass in den laienhaften Werken auch eine gewisse Sehnsucht nach dem Westen als Botschaft versteckt ist. Sie selbst ist zwar keine ausgebildete Kunsttherapeutin, aber dennoch davon überzeugt, dass der non-verbale Austausch funktioniert und geholfen hat. "Es tut gut zu sehen, dass das Malen den Menschen hilft", sagt sie.

Die Flüchtlinge hätten ihr Erlebtes ein Stück weit verarbeiten können. Und sie hätten Spaß dabei gehabt. Das sei das Wichtigste. Falls es sich noch einmal ergibt, würde Jutta Franklin das Projekt jederzeit wieder anbieten. Und sie würde sich freuen, wenn sich Nachahmer fänden.

© SZ vom 08.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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