Kunstprojekt:"Ohne uns läuft nichts"

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Plakate von 60 Menschen, die als Mitarbeitende von Kindertagesstätten, Post- und Lieferdiensten, der Feuerwehr, von Pflegediensten und als Bus- und Trambahnfahrer während der Corona-Pandemie täglich im Einsatz waren, hängen an U-Bahnstationen wie hier am Hohenzollernplatz. (Foto: Robert Haas)

Ein Porträt der Erzieherin Stefanie Münich aus Neubiberg ist Teil der Aktion "The Essentials" an Münchner U-Bahnstationen.

Von Angela Boschert, Brunnthal

Noch bis 12. August kann sich Stefanie Münich an der U-Bahnstation Hohenzollernplatz in München selbst ins Auge sehen. Die frisch ausgebildete Erzieherin aus Unterbiberg ist einer der Menschen, die in der Pandemie wesentliche, weil notwendige Aufgaben ausgeführt haben - trotz der Risiken für ihr eigenes Leben. Ihnen will das Kunstprojekt mit dem Titel "The Essentials" danke sagen.

Seit 3. August sind an den U-Bahnstationen Marienplatz, Karlsplatz, Hauptbahnhof, Hohenzollernplatz und Böhmerwaldplatz Fotos von 60 Menschen plakatiert, die in Kindertagesstätten, bei Post- und Lieferdiensten, der Feuerwehr, Pflegediensten und als Bus- und Trambahnfahrer "während der Corona-Pandemie täglich im Einsatz waren, um unser öffentliches Leben aufrecht zu erhalten", erklären die Projektverantwortlichen Jessica Capra und Mariana Sesma von der Stiftung "The Artists and the Others", die das Projekt fördert.

Eine derjenigen, denen die Ausstellung eine Wertschätzung entgegenbringen will, ist Stefanie Münich. Die 51-Jährige arbeitet im Caritas-Kindergarten St. Nikolaus in Brunnthal. 30 Jahre war sie als Friseurmeisterin im eigenen Salon im Münchner Stadtteil Trudering tätig. Dann suchte sie nach etwas Neuem und "stolperte vor sieben Jahren zufällig in den Bereich Kinderbetreuung", wie sie lächelnd erzählt. Sie wurde Kinderpflegerin, hat sich jüngst berufsbegleitend zur Erzieherin ausbilden lassen. Seit April 2019 betreut sie Kinder in Brunnthal.

Als ihr die dortige Kindergartenleiterin Janett Toth von der Aktion erzählte, habe sie sofort zugesagt, weil es wichtig sei, Berufsgruppen zu zeigen, die im Schatten stehen. "Denn ohne uns läuft nichts", sagt Münich überzeugt. Das hätten sie in Brunnthal an den vielen Kindern gesehen, die gekommen seien, als der Kindergarten nur einen Notbetrieb anbieten durfte. Münich hofft, dass die Menschen durch die Kunstaktion erkennen, dass zu den systemrelevanten Berufen nicht nur große Unternehmen gehören. Für sie persönlich sei es eine Auszeichnung, bei der Ausstellung dabei zu sein, aber sie habe sich ja auch enorm in den neuen Beruf hineingekniet.

Stefanie Münich, Erzieherin in Brunnthal, wurde für die Plakataktion "The Essentials" ausgewählt. (Foto: Claus Schunk)

Das Foto entstand im April am Rotkreuzplatz. Es habe "scheußliches Wetter geherrscht und geregnet", erinnert sich Münich. Wegen der Pandemie fand der Fototermin draußen statt und sie habe vor allem dafür sorgen müssen, dass ihre Kleidung trocken blieb und sie die Tropfen von der Brille wischte. Als "etwas schräg", vor allem aber ungewohnt, habe sie empfunden, dass ihr jemand den Rucksack und ihre Sachen hinterhergetragen hat. Andere Teilnehmer habe sie nicht gesehen, jeder habe seinen eigenen Zeit-Slot gehabt. "Ein ganzer Bus mit Handwerkern hat angehalten und die Herren sind trotz des Regens ausgestiegen, um zu beobachten, was wir da tun", erzählt sie und lächelt vielsagend.

Das Kunstprojekt "The Essentials" wird von einer internationalen Frauengruppe aus München umgesetzt und vom Kulturreferat der Landeshauptstadt, dem Bezirk Oberbayern und über Spenden finanziert. Projektpartner ist der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising, der seinerseits "auf die gesellschaftliche Relevanz der Erziehungs- und Care-Berufe hinweisen will", wie die Fachdienstleiterin für die Kindertageseinrichtungen im Landkreis München, Marion Remberger, erklärt. Dank dieser Mitarbeiter erhielten Kinder weiterhin eine verlässliche Bildung, Erziehung und Betreuung. Berufsgruppen, die ohne Rücksicht auf ihre eigene Gesundheit täglich im Einsatz seien, hätten besondere Anerkennung verdient. Das denkt auch eine Freundin von Stefanie Münich, die ihr versprochen hat, alle U-Bahnstationen abzufahren und ein Herzchen auf Münichs Plakate zu malen.

Bei dem Kunstprojekt geht es allerdings nicht nur um die Wertschätzung der Arbeit dieser Berufsgruppen. Die niederländische Stiftung. "The Artists and the Others" fördert die Bedeutung von Kunst und Kultur für die gesamte Gesellschaft sowie das Teilen von Wissen zum Vorteil aller. Sie wurde 2013 ins Leben gerufen und unterstützt insbesondere junge Künstler in ihren Anfangsjahren nach vollendeter Ausbildung. Entsprechende Workshops und Tagungen sowie unterstützte Projekte finden in den Niederlanden selbst, im Großraum Aachen bis Lüttich sowie der Region München statt.

© SZ vom 09.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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