Kunst in Ottobrunn:Raus aus der Galerie

41 Maler, Bildhauer, Fotografen und Grafiker präsentieren sich am Samstag, 14. September, gleichzeitig in den Arkaden vor dem Ottobrunner Rathaus. Die neue Kunstverein-Chefin Eva Hoffmann will damit ein neues Publikum erschließen

Von Christina Hertel, Ottobrunn

Das, was Eva Hoffmann ihren "kleinen Spickzettel" nennt und aus ihrer Handtasche holt, sind vier weiße, zusammengeklebte Papierseiten, insgesamt etwa 40 mal 60 Zentimeter groß. Darauf stehen Namen, Adressen, Telefonnummern - von Malern, Bildhauern, Fotografen, Grafikern, 41 verschiedene. Sie alle stellen am Samstag, 14. September, in Ottobrunn in den Arkaden, den Gängen beim Rathaus, aus. Dieses Format ist neu. Eva Hoffmann, die seit Februar den Ottobrunner Kunstverein leitet, hat es sich ausgedacht, um die Mitglieder und deren Arbeiten bekannter zu machen. Denn die 72-Jährige meint: Den Treffpunkt Kunst, die Galerie des Vereins, die eigentlich mitten im Ort beim Rathaus liegt, kennen viele nicht. Und die Veranstaltungen, die darin stattfinden, finden häufig zu wenig Beachtung.

Hoffmann sitzt mit ihrem Spickzettel in der Galerie, die Wände sind kahl und weiß, auf dem Boden liegt noch etwas Staub. Gerade ist renoviert worden, und man spürt schnell, dass Hoffmann in dem Verein nicht nur die Wandfarbe aufhübschen möchte. Sie lebte 21 Jahre lang bei Boston in den USA. Die Kunstvereine dort, sagt sie, würden besser wahrgenommen - auch, weil sie nicht nur in ihren Galerien ausstellen, sondern rausgehen aus ihrer Blase, ihre Kunst zum Beispiel auf Märkten zeigen, wo die Menschen flanieren, wo es Musik gibt, etwas zu essen und zu trinken. Solche Veranstaltungen stelle sie sich für Ottobrunn auch vor. Und die Kunstarkaden, wie sie die Veranstaltung nennt, seien ein Test dafür. Musik und Sektausschank gibt es nicht - dafür sehen die Besucher Malereien, Collagen, Druckgrafiken, Fotografien, Schmuck, Keramik und Filzarbeiten in den Gängen und in Pavillons auf dem Rathausplatz.

Kunst in Ottobrunn: Eva Hoffmann (links) hatte die Idee für die Ottobrunner Kunstarkaden. Hier im Bild mit den Künstlerinnen Kerol Montagna und Christine Renner (rechts).

Eva Hoffmann (links) hatte die Idee für die Ottobrunner Kunstarkaden. Hier im Bild mit den Künstlerinnen Kerol Montagna und Christine Renner (rechts).

(Foto: Claus Schunk)

Eine, die an diesem Tag ihre Arbeiten zeigt, ist Kerol Montagna, 32 Jahre alt, Bildhauerin. Sie präsentiert Objekte aus Bronze und Keramik, die in einer Welt zwischen Architektur und Natur zu verorten sind: eine Art Pilz, der aus einem Ziegelstein zu wachsen scheint, etwas, das aussieht wie Erbsen in ihrer aufgebrochenen Hülle. "Mich interessiert die Kraft der Natur, die so stark sein kann, dass sie es schafft, Mauern einzureißen", sagt Montagna. Sie ist Veganerin, ihr liegt der Schutz der Umwelt am Herzen. Gleichzeitig ist sie Italienerin und hat deshalb ein Bedürfnis nach Schönheit und Ästhetik, wie sie sagt. Das spiegelt sich in ihren Arbeiten wider - Installationen, die oftmals den Rahmen einer Galerie sprengen: Um auf das Sterben der Olivenbäume in Italien hinzuweisen, pflanzte sie in ein verlassenes Häuschen auf einer Plantage in Apulien einen Feigenbaum - in der Mythologie ein Symbol für Fruchtbarkeit. Nach und nach soll dieser Baum den Raum, den Kerol Montagna weiß gestrichen hat, übernehmen.

Auch Montagna selbst hat sich Raum angeeignet: In Ottobrunn hinter dem Rathaus baute die 32-Jährige eine alte Gartenlaube auf. Seit fast fünf Jahren zeigen dort verschiedene Künstler ihre Werke und - weil die Wände aus Glas bestehen - sind auch der Auf- und Abbau zu sehen. Was während so einer Phase vor sich geht, können sich die Besucher der Kunstarkaden anschauen. Denn einen Tag später, am Sonntag, 15. September, um 16 Uhr eröffnet dort die neue Ausstellung "Secret Garden" der Münchner Künstlerin Johanna Eder. Sie verwandelt die Laube in einen metaphorischen Garten, in dem es weniger um Blumen und Pflanzen, sondern mehr um Lüste, Laster, Fantasien und Sehnsüchte geht.

Kunst in Ottobrunn: Ihre Werke präsentiert in Ottobrunn auch Kerol Montagna.

Ihre Werke präsentiert in Ottobrunn auch Kerol Montagna.

(Foto: Privat)

Architektur steht auch bei Christine Renner im Fokus, die ebenfalls Werke bei den Kunstarkaden zeigt. Nur verarbeitet sie dieses Interesse auf eine nüchternere, geradlinigere Art und Weise, meist auf Leinwänden, meist mindestens zwei Quadratmeter groß. Renner studierte Objektdesign in Krefeld im Ruhrgebiet. Vielleicht, meint sie, gefallen ihr deshalb Industriebauten so gut - Häuser mit klaren Formen, geraden Kanten. Außerdem besonders an Renners Kunst: Sie verwendet Cyanotypie, ein spezielles Fotodruckverfahren, das nur Blautöne zulässt. Renner klebt diese Fotografien - etwa von Stahlgittern - auf Holztafeln, die sie wiederum mit Acrylfarbe bemalt. Früher gestaltete Renner Messestände, doch das gab sie auf, als sie Mutter wurde. Bereits während des Designstudiums habe sie mit Acrylfarben gemalt, erzählt sie. Seit mehr als zehn Jahren hat Renner ein Atelier in Neubiberg, wo sie auch Kurse anbietet.

Die Architektin in ihr, sagt die Vereinsvorsitzende Eva Hoffmann, liebe Renners Bilder von Industriegebäuden im Bauhausstil - auch wenn sie sich selbst von dieser Art zu malen gänzlich verabschiedet hat. "Ich war zu lange auf Quadrate eingeengt", sagt die 72-Jährige. Heute sind ihre Werke häufig abstrakt - sie lasse die Farben fließen. Hoffmann stammt aus Ungarn, 1980 kam sie nach Deutschland, in einer Zeit, in der es noch wenige Frauen in der Architektur gab. Die Benachteiligung von Frauen in der Kunstwelt, die Reduzierung auf Äußerlichkeiten, Spannungen zwischen den Geschlechtern sind bis heute Themen ihrer Arbeit geblieben. Eine ihrer neuesten Collagen zeigt das Porträt einer Frau, "Beauty", "Art of Fashion" steht auf ihrem Oberkörper, daneben ein Mann auf einer Leiter, der sie anstarrt. "Zu viele Jahre haben Machos Frauen aus der Kunstwelt verdrängt", sagt Hoffmann. Besser sei es zwar inzwischen geworden - doch sie ist überzeugt: "Wir müssen viel selbstbewusster auftreten. Wir dürfen nicht darauf warten, dass uns jemand einlädt." Auch das habe sie in den USA gelernt. Denn dort seien Künstlerinnen besser vernetzt und in Galerien besser vertreten.

Kunst in Ottobrunn: Christine Renner verarbeitet oft Architektonische Motive wie Industriebauten in ihren Werken.

Christine Renner verarbeitet oft Architektonische Motive wie Industriebauten in ihren Werken.

(Foto: Privat)

Obwohl Hoffmann seit fünf Jahren wieder in München lebt, verkauft sie ihre Bilder nach eigenen Angaben immer noch häufiger nach Amerika. Um die Werke der Mitglieder des Kunstvereins besser zu präsentieren, sei sie gerade auf der Suche nach Arztpraxen und Läden, wo sie ausstellen können, sagt sie.

"Viele Leute haben Hemmungen, eine Galerie zu betreten", meint Christine Renner, die in dem Verein die künstlerische Leitung übernommen hat. Weil die Kunstwelt zu elitär wirke, weil die Menschen fürchten, gleich etwas kaufen zu müssen. Diese Scheu möchte der Verein den Menschen mit den Kunstarkaden nehmen - zumindest sei das die Idee.

Bei den Ottobrunner Kunstarkaden am Samstag, 14. September, können sich Interessierte von 10 bis 18 Uhr Werke rund um den Rathausplatz anschauen. Auch diesen Samstag ist in der Galerie Treffpunkt Kunst etwas los: Am Samstag, 7. September, wird dort um 17 Uhr die Ausstellung des Kölner Malers Matthias Brock eröffnet, der farbstarke Stillleben zeigt.

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