Kunst:Die Ästhetik der Gegensätze

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Popart-Künstlerin Yo Franklin und die Ayinger Antiquarin Susanne Zahn zeigen in einer spannenden Ausstellung in Peiß, wie die Kombination von Kontrasten einen visuell verstärkenden bis irritierenden Reiz entfaltet

Von Udo Watter, Aying

Was dieser schlanken, grünen Andromeda-Frau mit zwei Fühlern und verspiegelter Sonnenbrille einen vertrauten bayerischen Touch verleiht? Sie trägt eine Breze um den Hals. "Die goldene Brezen am Bande. Verliehen von der Stadt München. Für Weltoffenheit." Wenn Yo Franklin ihr Bild "Typisch München" mit der subtil aufgebrezelten Alien-Frau betrachtet und diese wichtigen Informationen weitergibt, blitzen ihre Augen kurz schalkhaft auf. Die Oberhachingerin ist eine stilistisch vielseitige Künstlerin: Sie malt von Hundeporträts über abstrakten Familienbildern bis zu informellen Kompositionen quasi alles. Aber der ironisch-kreative Bezug zu Bayern ist schon ein besonderes Charakteristikum ihres Schaffens.

Sie selbst bezeichnet sich als "Pionierin der Neobayerischen Popart", ein Stil, den sie von 1988 an entwickelte und dessen Kennzeichen ein ironisch frischer und bunter Umgang mit weißblauer Folklore ist. Zuerst waren das Dekorationen und Illustrationen im Käferstammhaus, wo Franklin damals arbeitete, später wurden blaue Hirsche daraus und skulpturale Arbeiten mit Rehbok-Geweihen, die auf schwarzen Paillettenshirts thronen oder von collagenartig arrangierten Marienbildern und chinesischen Zeitungen flankiert sind.

Finden die Wechselwirkung zwischen moderner Kunst und alten Möbeln, abstrakter und bäuerlicher Formensprache sehr verführerisch: Künstlerin Yo Franklin (links) und Antiquarin Susanne Zahn. (Foto: Angelika Bardehle)

Im Antiquitätenhaus Zahn im Ayinger Ortsteil Peiß gibt es etliche ironiefreie Geweihe zu sehen und darüber hinaus auf mehr als 2000 Quadratmeter Ausstellungsfläche eine Auswahl an Möbelstücken aus vier Jahrhunderten - von Biedermeierschränken über Antikspiegel und Silbergeschirr aus der Barockzeit bis zu einem blauen Sofa aus den Zwanzigern, Truhenkästen, alten Uhren und Tabernakelsekretären. Die Kombination aus dieser Sammlung mit älteren, teils schwerem, gediegenen Mobiliar und moderner Kunst - genau das reizte Franklin und die Hausherrin von "Antiquitäten Zahn", Susanne Zahn.

"Wir fanden das beide spannend", sagt Franklin. Es ist der Kontrast der Objekte, der Reiz der Kombinationen, der ästhetischen Reiz entfaltet, eventuell auch irritiert und Sichtweisen verändert: vom informellen Großformat am Bauernschrank über das abstrakt-expressionstische Gemälde über dem Biedermeier-Sofa bis zu den bunten Geweih-Skulpturen im gewölbten Hausgang. "Es ist faszinierend zu sehen, wie sich ein altes Möbelstück neben einem modernen Gemälde verändert. Die beiden verstärken sich wechselseitig", erklärt Susanne Zahn. "Wir hatten das schon lange im Kopf."

"Es ist faszinierend zu sehen, wie sich ein altes Möbelstück neben einem modernen Gemälde verändert. Die beiden verstärken sich wechselseitig", erklärt Susanne Zahn. (Foto: Angelika Bardehle)

Mehr als ein Jahr haben die beiden Frauen, denen man einen stilsicheren Blick attestieren darf, Vorbereitungen auf die Ausstellung getroffen. An diesem Sonntag nun ist die Vernissage der Werkschau "Antikes und Abstraktes", bei der mehr als 60 Bilder von Yo Franklin in den weitläufigen Räumen des rund 125 Jahre alten Hofes präsentiert werden. Die beiden Initiatorinnen gehen davon aus, dass sich die Präsenz der kontrastierenden Gegenstände intensiviert, das Ambiente im 1978 von Susanne Zahns Eltern eröffneten Antikenhaus ist ohnehin verführerisch, nicht nur für neugierige Augen. Das Gebäude, zu dem auch eine Restaurierungswerkstätte gehört und in dem Antiquitäten auf zwei Stockwerken zu sehen sind, war denn auch schon mal Drehort, für die "Rosenheim-Cops" und "Versteckte Kamera". Daneben hat auch der Verleih von Filmrequisiten Tradition im Haus Zahn.

Ein Coup, der überregionale Aufmerksamkeit zeitigte, war vor einigen Jahren die Zusammenarbeit mit den Pinewood Studios in London: Dabei wurden komplette Stubeneinrichtungen aus Peiß abtransportiert und über den Ärmelkanal verschifft, um dann als alpenländisches Mobiliar im James-Bond-Film "Spectre" mit Daniel Craig in Szene gesetzt zu werden. "Die wollten das originale Inventar und das wurde dann für die Innenaufnahmen in Container nach London verschifft", erzählt Zahn, die gelernte Uhrmacherin und Restauratorin ist. Von diesen Möbelstücken besitzt sie mittlerweile keines mehr, Bond-Cineasten und Sammler kamen nach Peiß und haben alle Stücke gekauft.

Die Künstlerin Yo Franklin bedient sich auch gerne heimatlicher Motive. (Foto: Angelika Bardehle)

Ansonsten hat das Haus zahlreiche Stammkunden, profitiert aber auch davon, dass die Bundesstraße durch den Ort führt und so potenzielle Besucher durch den Anblick des eindrucksvollen Gebäudes angelockt werden. Auch Yo Franklin, die ein großes Atelier in Oberhaching hat und seit einigen Monaten auch als Kuratorin für "Die Bergschmiede" Kunsthof GbR in München-Sendling arbeitet, fuhr immer wieder mal an dem Laden vorbei. Auch wenn sie vielleicht nicht der ganz große Biedermeier-Fan ist, sah sie sich immer wieder gern alte, schwere Rahmen an und entdeckte auch sonst zahlreiche "liebevoll restaurierte Antiquitäten". Sie lernte Susanne Zahn näher kennen und irgendwann wurde die Idee geboren, alte und neue Kunst, abstrakte und bäuerliche Formensprache zu kombinieren. Am Sonntag zur Vernissage wird sicher auch die Alien-Frau da sein. Wie eine Brezen.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 28. Juli, um 10 Uhr eröffnet. Die Vernissage inklusive Kinderprogramm dauert bis 17 Uhr. Antiquitäten Zahn, Rosenheimer Landstraße 8 in 85653 Aying/Peiß.

© SZ vom 26.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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