Kulturausblick:Willkommen in den Zwanzigern

Kulturausblick: Die Musikshow "Glanz auf dem Vulkan" nimmt das Publikum am Samstag, 11. Januar, in Taufkirchen und am Sonntag, 26. Januar, in Unterschleißheim auf eine Reise in das Berlin der 1920er-Jahre.

Die Musikshow "Glanz auf dem Vulkan" nimmt das Publikum am Samstag, 11. Januar, in Taufkirchen und am Sonntag, 26. Januar, in Unterschleißheim auf eine Reise in das Berlin der 1920er-Jahre.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im neuen Jahr wird nicht nur der 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens begangen, sondern auch an die fröhliche, frivole, aber auch fragile Zeit zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Aufstieg der Nationalsozialisten erinnert.

Von Christina Hertel

Ludwig van Beethoven war ein Genie, ein Anhänger der Französischen Revolution, ein Utopist, seine Vertonung von Friedrich Schillers "Ode an die Freude" ist heute die europäische Hymne. 2020 feiert die Welt den 250-jährigen Geburtstag des Komponisten. Auch im Landkreis gibt es in vielen Orten Gelegenheit, sich an die verschiedenen Facetten des Musikers und an eine Zeit erinnern, die von Aufbrüchen gekennzeichnet war.

Beethovens Seite als revolutionären Musiker, der zwar bei vielen Zeitgenossen zunächst Unverständnis auslöste, schließlich aber sozusagen als Pop-Ikone der Klassik ein Massenpublikum erreichte, zeigt ein Konzert in Grünwald im März. Eckart Runge (Violoncello) und Jacques Ammon (Klavier) arrangieren in ihrem Programm "Roll over Beethoven" seine Werke neu, stellen sie Rocksongs von Jimi Hendrix und David Bowie gegenüber und geben damit neue Perspektiven auf mehr als 200 Jahre Musikgeschichte frei. Auch Taufkirchen ehrt den Komponisten mit einem besonderen Konzert: Am Samstag, 25. Januar, spielt ein Orchester, das sich alleine für diesen Abend gründete, dessen 6. Sinfonie.

Mit ihr vertonte Beethoven das Landleben: Das Publikum hört ein Gewitter, eine Nachtigall, einen Bach und sogar Bauerntänze. Beethoven flüchtete häufig aus der Großstadt in die Natur, wohl auch weil ihn dort sein Gehör weniger stark plagte. Claus Blank, der Chef der Taufkirchner Musikschule, und Johannes Eppelein, der viele Jahre als nebenamtlicher Kantor in der Gemeinde Kirchenkonzerte gab, leiten das Sinfonieorchester und stehen selbst auf der Bühne. Beethovens letztes reines Klavierkonzert mit dem Beinamen "Emperor Concerto" spielt das Animato Münchner Orchester am Samstag, 1. Februar, in Oberschleißheim. Der Komponist schrieb es, als Napoleons Truppen seinen Wohnort Wien bombardierten. Den Lärm des Krieges hörte Beethoven nicht - er war damals mit fast 40 Jahren bereits fast vollständig taub. Trotzdem gelang es ihm, ein ungewöhnliches Werk zu schaffen, das zwischen heroischen und friedfertigen Momenten wechselt.

Beethovens Einfluss auf andere Komponisten

Beethovens Vorbildern, seiner Schaffenskraft und seinem Einfluss auf andere Komponisten nähert sich der Pianistenclub im Kleinen Theater Haar mit einer Konzertreihe. Bei der nächsten Veranstaltung am Sonntag, 16. Februar, soll das Publikum etwas von der Atmosphäre, die zum Höhepunkt seiner Karriere herrschte, spüren. Damals befand sich die Gesellschaft im Aufbruch: Beethoven begeisterte sich für die Französische Revolution, vertrat deren Ziele von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Als er hörte, dass sich Napoleon zum Kaiser der Franzosen krönen ließ, soll er so schwer enttäuscht gewesen sein, dass er das Titelblatt seiner Eroica-Sinfonie zerriss, auf der eine Widmung an den Feldherrn stand. Die Pianistin Sylvia Dankesreiter spielt in Haar unter anderem Eroica-Variationen.

Kulturausblick: Jacques Ammon (Klavier) und Eckart Runge (Violoncello) arrangieren in ihrem Programm "Roll over Beethoven" die Werke des Komponisten neu.

Jacques Ammon (Klavier) und Eckart Runge (Violoncello) arrangieren in ihrem Programm "Roll over Beethoven" die Werke des Komponisten neu.

(Foto: Stephan Rumpf)

Auch bei dem zweiten großen Jubiläum dieses Jahr geht es um gesellschaftliche Umbrüche: Vor 100 Jahren begannen die Goldenen Zwanziger, eine Zeit zwischen zwei Weltkriegen, geprägt von Aufbruch und Depression, Pioniergeist und Verfall. Die Musikshow "Glanz auf dem Vulkan", die am Samstag, 11. Januar, in Taufkirchen und am Sonntag, 26. Januar, in Unterschleißheim aufgeführt wird, nimmt das Publikum mit auf eine Reise in das Berlin der 1920er-Jahre: hin zu durchlebten Nächten vernebelt von Absinth und Opium, frivol und freigeistig. Konzipiert haben diese Revue Miss Evi und Mr. Leu, die bereits mehrmals mit Burlesque-Shows rund um München auftraten. Zwar soll der Zuschauer spüren, wie zerbrechlich die Partystimmung der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts war, doch in welchen Schrecken diese Zeit mündete, sieht er an diesem Abend nicht.

Einen Eindruck davon können Kulturinteressierte allerdings bei vielen anderen Veranstaltungen im nächsten Jahr bekommen - zum Beispiel bei einem Vortrag der Historikerin Susanne Meinl, die die Gemeinde Grünwald im Sommer damit beauftragt hat, die Geschichte des Nationalsozialismus in dem Ort wissenschaftlich aufzuarbeiten. Am Donnerstag, 23. Januar, wird sie darüber sprechen, wie berühmte Nazifunktionäre in Grünwald in luxuriösen Villen lebten und sich seit den 1920er-Jahren vernetzten. Auch Zeitzeugen werden von ihren Erfahrungen berichten. Vom Antisemitismus der Deutschen erzählt außerdem ein Theaterabend am Mittwoch, 22. Januar, in Pullach. Das Landestheater Schwaben zeigt da als deutsche Erstaufführung das Stück "Der Reisende", in dem der jüdische Geschäftsmann Otto Silbermann in der Reichsbahn quer durchs Land flüchtet. Er hat seine Wohnung, sein Geschäft, seine vermeintlichen Freunde verloren und hofft nun darauf, in einem Nachbarstaat Zuflucht zu finden. Doch auch dort will keiner einen jüdischen Flüchtling haben. Das Theaterstück basiert auf dem Roman von Ulrich Alexander Boschwitz, einem deutsch-jüdischen Autor, der 1935 nach Skandinavien auswanderte, später in England lebte, wo er gefangen genommen und in ein Lager nach Australien verschleppt wurde.

Sunnyi Melles liest aus den Tagebüchern der Anne Frank

Auch in Garching wird Anfang des Jahres die Erinnerung an die Grausamkeit während der NS-Diktatur wachgehalten: Die Schauspielerin Sunnyi Melles und ihre Tochter Leonille Wittgenstein lesen am Montag, 13. Januar, aus den Tagebüchern der Anne Frank. Der Abend besteht aus einer Mischung von Originaltexten und fiktiven Dialogen. Dazu werden Illustrationen von Ari Folman und David Polonsky gezeigt, zwei Israelis, die gemeinsam vor gut zwei Jahren das Tagebuch als Comic herausgebracht haben.

Doch auch in diesem Jahr gibt es in den Kulturstätten des Landkreis vieles zu sehen, was die Seele auf eine leicht zugängliche Art erheitern soll: Zum Beispiel feiert das Münchner A.gon-Theater mit dem Musical "Lazarus" in Unterföhring im Februar Premiere. Es erzählt entlang der größten Hits von David Bowie die Geschichte eines Mannes, der vom Himmel fiel und sich nach dem Leben auf einem anderen Stern sehnt. In Taufkirchen liegt Anfang des Jahres ein Schwerpunkt auf bayerischer Folklore: Das Chiemgauer Volkstheater spielt am Samstag, 18. Januar, die Komödie "Bauer sucht ..."; einen Tag später bringt die Tanzmeisterin des Münchner Kocherlballs, Katharina Mayer, den Teilnehmern bei, wie man sich zu Volksmusik möglichst geschmeidig im Takt bewegt. In einem Jahr, das große Künstler und goldene Zeiten ehrt, erwarten Kulturinteressierte also Momente, die den Alltag vergessen lassen, die aber gleichzeitig daran erinnern, wie zerbrechlich die Schönheit des Augenblicks ist.

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