Neustart bei der Kugler-Alm:Franz Xavers Erben

Die Betreiber der Traditionswirtschaft Kugler-Alm knüpfen nach der Renovierung an die Ursprünge an. Der legendäre Gründer des Ausflugslokals verköstigte anfangs die Arbeiter beim Bau der Bahnstrecke.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Es ist ein bisschen so, als wäre Franz Xaver wieder da. Gut, die Holzfigur, die sie dem Gründer und Namensgeber der Kugler-Alm zu Ehren auf die Bank im Bauerngarten hinter der großen Schenke gesetzt haben, mag ihm vielleicht nicht ganz auf den Leib geschnitzt sein.

Neustart bei der Kugler-Alm: Mit der Wiedereröffnung des Wirtshauses hat Antje Schneider den Umbau der Kugler-Alm abgeschlossen.

Mit der Wiedereröffnung des Wirtshauses hat Antje Schneider den Umbau der Kugler-Alm abgeschlossen.

(Foto: Claus Schunk)

Alten Fotos nach zu urteilen, war der Mann von mächtiger Statur und hätte das hölzerne Manschgerl am Birnbaum deutlich überragt. Doch mit dem Umbau des Wirtshauses - die vorerst letzte große Baumaßnahme auf der Kugler-Alm - bemüht sich Wirtin Antje Schneider, dass auch der Geist des einstigen Hausherrn wieder auflebt.

Neustart bei der Kugler-Alm: Im Biergarten haben 2400 Gäste Platz.

Im Biergarten haben 2400 Gäste Platz.

(Foto: Kugler-Alm)

Man könnte es als Marketing-Gag abtun, dass die Gaststätte jetzt nicht mehr nur Wirtshaus Kugler-Alm heißt, sondern "Franz Xaver", und dass das Bild des 1935 verstorbenen Kuglers die Speisekarte ziert. Es schwingt allerdings echte Bewunderung mit, wenn Antje Schneider vom Franz Xaver spricht, von diesem innovativen Gastronomen aus dem frühen 20. Jahrhundert, einem der offenbar nie zögerte, Neues zu probieren und gerne Großes wagte. Das renovierte Wirtshaus ist auch eine Hommage an eines der Originale des Gaststättengewerbes. "Er war schon ein findiger, ein stolzer Wirt", sagt Schneider.

Neustart bei der Kugler-Alm: Einst gab es hier eine große Festhalle.

Einst gab es hier eine große Festhalle.

(Foto: OH)

Und natürlich lebt mit der neuen Namensgebung auch die Geschichte der Kugler-Alm wieder auf. Sie ist ja auch allzu schön, diese Story vom einstigen Streckenarbeiter der Bahn, den der Durst der Kollegen in der Sommerhitze schließlich zu einem reichen Mann machte. Beim Bau der Eisenbahn war der Arbeitertross in den Neunzigerjahren des 19. Jahrhunderts kurz vor Deisenhofen angelangt, als Franz Xaver Kugler beschloss, bei der Bahn zu kündigen und stattdessen sich beim nächsten Bauern ein Gespann auszuleihen, um für die Kollegen Bier heranzukarren. Aus dem mobilen Verkauf wurde schnell ein fester Stand, eine Bretterbude, die Kugler selbstbewusst "Kantine der Königlich Bayerischen Eisenbahn zu Deisenhofen" nannte.

Neustart bei der Kugler-Alm: Wer für sich sein will, kann in der Bauernstube speisen.

Wer für sich sein will, kann in der Bauernstube speisen.

(Foto: Claus Schunk)

Selbst Galopprennen soll es gegeben haben

Als dann die zweite Bahnstrecke gebaut wurde, übernahm er ein kleines, einfaches Waldrestaurant und baute es nach und nach zur "Kugler-Alm" aus, einer Ausflugs- und Vergnügungsstätte vor allem für die Münchner mit Tanzpavillon, Schießständen, Karussells, Weinstuben und Festsaal. Selbst Galopprennen soll er veranstaltet haben, und den ersten Radweg von München nach Deisenhofen schreibt man seiner Initiative zu.

Und wenn man über Franz Xaver Kugler redet, vielleicht einen der einfallreichsten Bierwirte der Zwanzigerjahre, landet man unwillkürlich bei der Radlermass. Lange hing am Wirtshaus der Kugler-Alm ein Schild mit dem Hinweis, dass hier dieses Limo-Bier-Gemisch erfunden wurde. Im Juni 1922 sollen 13 000 Radfahrer aus München in der Kugleralm eingefallen sein, und weil so viel Bier nicht im Keller war, habe Kugler es mit Limo gemischt. Als 1996 Antje Schneider als Wirtin der Kugler-Alm begann, war auch sie davon ausgegangen, dass es sich einst so zugetragen hatte.

Inzwischen haben sich Leute zu Wort gemeldet, die den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte anzweifeln und nachweisen, dass es das Radler zu dieser Zeit schon gegeben habe. Schneider findet das nicht so wichtig. "Eine Legende", sagt sie, "und Menschen lieben Geschichten." Aber deswegen streiten will sie sich auch nicht. Das Schild hängt jetzt erst einmal nicht dort, vielleicht wird es irgendwann einmal durch ein anderes ersetzt, das klar stellt, dass es so hätte gewesen sein können. "Zugetraut hätt' ich es ihm, er war schon ein unglaublicher Mann", so Schneider. Sie ist davon ausgegangen dass Kugler, wenn er das Radler auch nicht erfunden hat, es zumindest bekannt gemacht hat. "Er war ein Marketingexperte seiner Zeit", findet sie.

Mehrmals hatte die Kugler-Alm den Besitzer gewechselt, bevor Antje Schneider, die Tochter von Wiesnwirt Helmut Haberl, im Alter von 28 Jahren sie übernahm. Zuletzt war 1969 renoviert worden, "und alles etwas in die Jahre gekommen", wie Schneider sagt. Also hatte sie schon damals mit dem Bauen begonnen, mit dem "was sehr notwendig war". 2013 folgte dann die große Umgestaltung: Die Biergartenküche wurde im Bauernhaus-Stil neu errichtet und die Küche modernisiert. Ein Jahr später ging man an die Umgestaltung des beliebten Obst- und Bauerngartens auf der Wiese im südlichen Teil des Areals.

Was zunächst sehr aufgeräumt aussah, wächst inzwischen mit alten Rosen- und Obstbäumen wieder so, dass die Gäste das wiederfinden, was sie so geschätzt haben. "Nur die Hecken sind eben niedriger, aber das ist so gewollt, um einladend zu wirken", sagt die Wirtin, der gerade dieser Teil der Kugler-Alm am Herzen liegt. Weiterhin gibt es im Biergarten 2400 Plätze.

Vor allem aber beim Umbau der Wirtschaft war Schneider daran gelegen, möglichst viel zu erhalten, "damit viel vom Franz Xaver bleibt". Es stellte sich aber heraus, dass das aufgrund der Bausubstanz gar nicht so einfach war. "Am Ende waren wir bei den Grundmauern", sagt Schneider. Im Innenbereich gibt es noch den Kachelofen, an dem mancher Stammgast noch mit dem alten Kugler gesessen haben will. Insgesamt aber hat man versucht, den Gastraum kleinteiliger zu gestalten, um separate Bereiche zu schaffen. 60 Gäste haben hier Platz. Aber auch Erinnerungen an ihren 2011 verstorbenen Vater hat Antje Schneider im Wirtshaus "Franz Xaver" integriert. Die Kacheln aus dem heimischen Ofen mit Motiven aus dem Leben des Wirts der Ochsenbraterei und die Bauernstube aus ihrem Elternhaus sind in dem neuen alten Wirtshaus verbaut worden.

Auf der Speisekarte steht Bekanntes wie Gesottene Ochsenbrust und Wiener Schnitzel, aber auch Gurke-Melonen-Kaltschale "aus Franz Xavers Suppentopf" und "Franz Xavers Gartenlust" mit Zutaten vom eigenen Gemüsebeet. Ob Kugler solche Speisen kredenzte, ist nicht überliefert. In Oberhaching erzählt man sich hingegen die Geschichte, wie er sich in Erwartung vieler Gäste mit Fleisch und Wurst eingedeckt hatte, nichts ahnend dass das Wochenende verregnet sein würde und keiner kam.

Vor lauter Wut soll er den Christus von der Wand gerissen und ihn in den Kühlraum geworfen habe, mit den Worten: "So, das kannst jetzt selber fressen, regnen hast es ja auch lassen." Das Kreuz hängt längst wieder an seinem Platz. Auch der Umbau hat daran nichts geändert.

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