Krieger- und Soldatenvereine:Ehrensalut für alle

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Der Löwe am Kriegerdenkmal. (Foto: Robert Haas)

Weil die Kriegsteilnehmer aussterben und die Wehrpflicht ausgesetzt ist, kämpfen die Veteranenvereine ums Überleben. In ihrer Not öffnen sich einige für Ungediente - und für Frauen.

Von Michael Morosow

Ein Kranz, das Lied vom guten Soldaten und drei Böllerschüsse am offenen Grab gehören zur Zeremonie bei Beerdigungen von Soldaten und Veteranen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis für den letzten Kriegsteilnehmer die Standarte gesenkt wird. Damit, so befürchtet man beim Bayerischen Soldatenbund (BSB), wird auch die Tradition der Veteranen-, Krieger-, Soldaten- und Reservistenkameradschaften zu Grabe getragen. Wie brisant diese Entwicklung ist, darüber wird BSB-Präsident Oberst a.D. Richard Drexl am Dienstag, 29. November, 19 Uhr, im Alten Wirt in Hohenbrunn referieren. Thema: "Veteranen- und Kriegervereine vor dem Aus."

Die Soldaten- und Reservistenkameradschaft Garching löste sich 2016 auf

"Es krebsen viele nur noch dahin", sagt Klaus Käfer, Vorsitzender der Soldaten- und Reservistenkameradschaft Unterhaching und erster Mann beim BSB, Kreisverband München. Wenn die Entwicklung sich in diesem Maße fortsetzt, so befürchtet man in vielen der 33 Soldatenvereine im Landkreis München, dann werden einige bald den gleichen Weg gehen müssen wie die 1908 gegründete Soldaten- und Reservistenkameradschaft Garching. In den Achtzigerjahren noch annähernd 300 Mann stark, schrumpfte die Mitgliederzahl bis auf 41 zusammen, und als der Verein am 23. September dieses Jahres in einer außerordentlichen Versammlung aufgelöst wurde, waren gerade einmal sechs Kameraden bei diesem letzten Akt der Vereinsgeschichte zugegen.

Im Grunde genommen kämpfen die Soldatenvereinigungen an drei Fronten um ihren Fortbestand. An der ersten sind sie machtlos. "Es gab Jahre, da haben wir 20 Kameraden eingegraben", erinnert sich Klaus Käfer. Das große Mitgliedersterben hat zur Jahrtausendwende eingesetzt, als die meisten der im Zweiten Weltkrieg aktiven Soldaten mindestens 80 Jahre alt waren und über Jahre hinweg nahezu täglich auf einem der Friedhöfe im Landkreis München das Lied vom guten Soldaten gespielt wurde. "Wir haben noch einen, der im Krieg war", berichtet Robert Huber von der 1921 gegründeten, heute 100 Mitglieder starken Krieger- und Soldatenkameradschaft Hofolding-Faistenhaar. Es wird auch der Letzte sein, an dessen Grab die Böllerkanone gezündet wird. Wer nicht im Krieg war, für den wird nicht geschossen - diese Regel gilt in beinahe allen Soldatenvereinen landauf, landab.

Ohne Wehrpflicht fehlen die Reservisten im Verein

Die zweite Ursache für die bedrohliche Entwicklung der Mitgliederzahlen ist die seit 2011 geltende Aussetzung der Wehrpflicht; mit der Folge, dass seither das zweite Standbein der Kameradschaften bröckelt, ging doch mit dieser politischen Entscheidung ein dramatischer Rückgang der Reservistenzahl einher.

Auch das dritte Problem, das die Nachwuchssuche erschwert, wird BSB-Präsident Drexl am Dienstag ansprechen: das schlechte Image, unter dem die Veteranen,- Krieger-, Soldaten- und Reservistenkameradschaften leiden. Die konservative Grundhaltung, die in ihren Lagern zu Hause ist, verleite Außenstehende zu falschen Schlüssen, klagen unisono die Vorsitzenden der Kameradschaften. Seine Mitglieder seien mitunter sogar Anfeindungen ausgesetzt, berichtet Bernhard Reisert, Vorsitzender des 1874 gegründeten und 180 Mitglieder starken Krieger- und Veteranenvereins Aschheim. "Wir haben keinen Krieg mehr, warum brauchen wir diese Scheiß-Veteranen?", höre man an Volkstrauertagen neben Böllerschüssen und dem Lied vom guten Soldaten.

Robert Huber trat mit 19 der Krieger- und Soldatenkameradschaft Hofolding-Faistenhaar bei. (Foto: Angelika Bardehle)

Ins gleiche Horn stößt Josef Bachmair, der Vorsitzende des Veteranen- und Kriegervereins Aying, der bereits 1784 gegründet wurde und damit der mit Abstand älteste Soldatenverein in Bayern ist. Bei Kriegsgräbersammlungen bekomme er mit, was die Leute sagen. "'Ihr seid Kriegstreiber', heißt es dann." Dabei sei genau das Gegenteil der Fall, wolle man doch ausschließlich an die Opfer der Kriege erinnern und vor einer Wiederholung warnen.

Bei vielen stoßen die Vereine inzwischen auf Resentiments

"Wir sind keine Kriegsverherrlicher", betont Bachmair. "Es gibt welche, die Krieger und Nazis in einen Topf werfen, dabei haben wir auf keinen Fall die Beschönigung und Verherrlichung des Kriegsopfers und des Heldentums im Sinn", sagt BSB-Funktionär Klaus Käfer. Und Alexander Bujak, Vorsitzender der Krieger- und Soldatenkameradschaft Hohenbrunn, verweist auf 80 Jahre Frieden, über den sich jeder Kamerad freue. "Wir sagen zu den Jungen: Macht diesen Scheiß nicht", sagt Bujak, der seit 27 Jahren an der Spitze des mit inzwischen nur noch 28 Mitgliedern schwächsten Soldatenvereins im Landkreis steht.

Fast jeder Verein habe Probleme mit dem Mitgliederschwund, der vor 15 bis 20 Jahren eingesetzt habe, sagt Bujak, auf dessen Initiative hin die Veranstaltung mit BSB-Präsident Drexl zurückgeht. Wie lässt sich einer Vereinsaufgabe, wie in Garching geschehen, vorbeugen? Nahezu alle 33 Soldatenvereine im Landkreis werden einen Vertreter nach Hohenbrunn schicken, um eine Antwort auf diese brennende Frage zu erhalten.

Eine wohl einzigartige Lösung dieses Problems hat man in Schäftlarn gefunden. Der 1837 gegründete Soldaten- und Kameradschaftsverein zählt nur noch 35 Mitglieder. "Den letzten Kriegsteilnehmer haben wir im letzten Jahr beerdigt", berichtet der Vorsitzende Gerhard Trell. Doch in Schäftlarn gilt das Motto: Der Letzte macht das Licht aus. Eine seiner ersten Amtshandlungen vor gut 20 Jahren, als die Kriegsteilnehmer rapide wegstarben, sei es gewesen, eine neue Satzung auszuarbeiten mit dem Kernpunkt: Der Verein bleibt so lange bestehen, bis er nur noch fünf oder weniger Mitglieder zählt.

Zu einer Satzungsänderung ganz anderer Art wird BSB-Präsident Drexl in seiner Rede raten: "Wir sollten uns für alle öffnen, die auf dem Boden des Grundgesetzes der Bundesrepublik stehen", sagte Drexl. Das heißt: Nicht mehr nur Veteranen, Soldaten und Reservisten dürfen dann dem Verein beitreten, sondern auch Interessierte, die weder im Krieg waren, noch bei der Bundeswehr gedient haben. Für einige Vereine ist diese Öffnung dabei nichts Neues. So etwa für den 1875 gegründeten Soldaten- und Kriegerverein Unterföhring, der heute mit 220 Mitgliedern Spitzenreiter im Landkreis ist. Im Jahr 1989 bereits hat sich der Verein auch Nicht-Soldaten geöffnet, die als fördernde Mitglieder den Verein auch finanziell stärken. Und selbst bei Beerdigungen macht man in Unterföhring keinen Unterschied mehr zwischen Soldaten und Zivilisten, wie Vorsitzender Josef Peischl erklärt. "Jeder hat das gleiche Recht, wer einen Ehrensalut wünscht, bekommt ihn."

Einige Vereine nehmen inzwischen auch Frauen als Mitglieder auf

Die Unterföhringer waren dabei auch Vorbild für den Soldatenverein Ismaning. Vor fünf Jahren, 137 Jahre nach seiner Gründung, entschied er sich, wenn auch nach erregter Debatte, für eine Öffnung und ging noch einen Schritt weiter: Seither werden auch Frauen als fördernde Mitglieder aufgenommen. "Wir hatten einige Probleme damit", erinnert sich der kommissarische Vorsitzende Dieter Eisenträger. Heute freut sich der Verein über 172 Mitglieder. "Beim letzten Preisschafkopf hatten wir elf Tische, das hatten wir seit Vereinsbestehen nicht", berichtet Eisenträger. Bernhard Reisert, der Vorsitzende des Aschheimer Soldatenvereins, will in Hohenbrunn nun sogar eine offizielle Anfrage stellen, ob sich nicht alle Vereine auch den Frauen öffnen sollten - als passive, zahlende Mitglieder.

Robert Huber von der 100 Mitglieder starken Krieger- und Soldatenkameradschaft Hofolding-Faistenhaar findet es nur logisch, dass sich die Soldatenvereine nach außen hin öffnen. Vor zehn Jahren ist er als gerade einmal 19-Jähriger der Kameradschaft beigetreten, einerseits aus Heimatverbundenheit, andererseits, weil er das Miteinander von Alt und Jung schätzt. "Wenn die Alten uns Jungen nichts erzählen, wissen wir gar nichts", sagt der junge Mann.

Keine Krieger bedeutet auch keinen Krieg

Dass die Aufgabe alter Satzungsstatuten in den Vereinen polarisieren kann, das weiß man nicht nur in Unterföhring. Anfang der Siebzigerjahre, so erinnert sich Josef Bachmair vom Ayinger Veteranen- und Kriegerverein, habe es heiße Diskussionen darüber gegeben, ob man den Verein für Reservisten öffnen sollte. "Nein, die waren nicht im Krieg und wissen nichts", habe es von einer Seite geheißen. Die Öffnung wurde beschlossen. Heute zählt der Verein 133 Mitglieder - drei Veteranen und 130 Reservisten.

Auch der vom Ayinger Bürgermeister Johann Eichler geführte 80 Mitglieder starke Veteranen- und Kriegerverein Helfendorf besteht heute größtenteils aus Reservisten. "Dass wir keine Krieger mehr haben, ist auf der einen Seite ja erfreulich. Das ist der Tatsache geschuldet, dass wir schon lange keinen Krieg mehr hatten."

© SZ vom 29.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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