Kreisumlage:Schöne Bescherung

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Bitte keine falschen Rückschlüsse jetzt oder peinlichen Wortspiele: Dass Kohlköpfe zur letzten Sitzung des Münchner Kreistags im Jahr serviert werden, ist schlicht Tradition in der für ihren Krautanbau bekannten Gemeinde Ismaning. (Foto: Angelika Bardehle)

In seiner letzten Sitzung des Jahres beschließt der Kreistag zu Lasten der Kommunen eine kräftige Erhöhung seiner Umlage. Der überwiegend harmonischen Stimmung tut dies jedoch keinen Abbruch.

Von Stefan Gallerund Martin Mühlfenzl, Ismaning

Es liegt nicht alleine an der grundsätzlich harmonischeren Stimmung im Advent, dass an diesem Montagnachmittag in Ismaning gar nicht das Gefühl aufkommen mag, hier würden Menschen mit grundlegend unterschiedlicher politischer Ausrichtung aufeinandertreffen. Wenn der Kreistag ein paar Mal im Jahr zu seinen Plenarsitzungen an wechselnden Orten des Landkreises zusammentritt, wirkt das stets wie ein Klassentreffen, so kumpelhaft gehen die Kreisräte zum Teil miteinander um - erst recht so kurz vor Weihnachten.

Das geht schon damit los, dass Landrat Christoph Göbel (CSU) dem Ismaninger SPD-Bürgermeister und Gastgeber Alexander Greulich das Wort erteilt mit dem Gruß "Lieber Alex". Dann gibt es - wie immer beim Jahresausklang in Ismaning - die obligatorischen Krautköpfe. Landwirt Max Kraus von den Freien Wählern hat sie am Rande des Saals aufgetürmt und jeder der Kreisräte darf sich am Ende der Sitzung einen mit nach Hause nehmen. Den dicksten bekommt natürlich der Landrat.

Die Kreisräte müssen in ihrer letzten Sitzung des Jahres aber auch wichtige Weichen stellen: etwa den Haushalt für 2018 beschließen. Das geschieht - passend zur vorweihnachtlichen Stimmung eben - einstimmig. Die Entwicklung des wirtschaftlich stärksten und bevölkerungsreichsten Landkreises im Freistaat steht im Advent ja nicht still und der Kreis muss handlungsfähig bleiben. Dafür benötigt er einen stabilen und verlässlichen Haushalt für das Jahr 2018, vor allem aber müssen die 29 Städte und Gemeinden wissen, welche Belastungen über die Kreisumlage auf sie zukommen.

Stand jetzt, werden sie mehr Geld an den Kreis überweisen müssen. Die Kreisräte haben den Hebesatz für die Kreisumlage am Montag auf 48 Prozentpunkte angehoben - vorerst. Denn der Haushalt wird wohl erst im März endgültig beschlossen. Das liegt daran, dass die Entwicklung der Umlagekraft noch nicht endgültig abzusehen ist. Sollte diese deutlich stärker steigen als bisher erwartet, könnte der Kreistag den Satz möglicherweise im März doch noch einmal absenken.

Die vorläufig beschlossene Erhöhung von 44,9 auf 48 Punkte nennt CSU-Kreisrat Helmut Horst "unvermeidlich", aber auch "zumutbar", war doch zwischendurch gar von einer Kreisumlage jenseits der 50 Prozentpunkte die Rede. Es ist schon ein wenig kurios: Im wohlhabendsten Landkreis der Republik mit einer Umlagekraft von mehr als einer Milliarde Euro müssen die Kommunalpolitiker Einsparpotenziale im Haushalt suchen und darüber diskutieren, welche kostspieligen Projekte im kommenden Jahr angegangen werden können - und welche nicht.

Für Grünen-Fraktionssprecher Christoph Nadler wird 2018 ein Jahr der "großen Investitionen": Mehr als 30 Millionen Euro für Zuweisungen an die weiterführenden Schulen, 13 Millionen für die beiden Förderschulen des Landkreises, zwei Millionen für den Bau der U-Bahn nach Martinsried und drei Millionen für Pflegeplätze im Landkreis stehen zu Buche. Dabei, das wissen alle Kreisräte, wird es allerdings nicht bleiben. Der Neubau des Gymnasiums in Kirchheim steht an (bis zu 70 Millionen Euro), Unterföhring bekommt ebenfalls ein Gymnasium, die Realschule in Oberhaching ist beschlossen, die in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Auch den Schulcampus in Haar will der Kreistag weiterhin.

"Wir leben über unsere Verhältnisse."

Gleichzeitig haben die Kreisräte die rückwirkende Neustrukturierung der Finanzierung weiterführender Schulen beschlossen und den Landkreis stärker in die Pflicht genommen: Etwa 68 Millionen Euro wird der Kreis an die Kommunen zurückzahlen. Nicht wie eigentlich gedacht schon im kommenden Jahr, aber voraussichtlich von 2019 an. Dieser Haushalt wird daher kaum einfacher zustande kommen. Für dieses Mal will aber auch die SPD den "weihnachtlichen Frieden" nicht gefährden, wie ihre Kreisrätin Annette Ganssmüller-Maluche am Montag ausführt, und trägt daher den Haushalt wie alle Fraktionen mit.

Michael Sedlmair hebt im Namen der Freien Wähler aber zumindest warnend den Zeigefinger: "Wir leben über unsere Verhältnisse", sagt der Ismaninger und mahnt wie Vertreter aller Fraktionen, vor allem den Stellenplan im Auge zu behalten: "Von 2012 bis 2018 hat sich das Personal in der Landkreisverwaltung verdoppelt. Der Landkreis wächst, wir übernehmen immer neue Aufgaben. Das geht so nicht weiter."

Ein bisschen polemisch wird es dann doch noch, als FDP-Kreisrat Tobias Thalhammer sein Plädoyer abgibt zum Haushalt. Zwar stimmten er und seine Fraktion in diesem Jahr zu, dennoch unterstellte Thalhammer den anderen Fraktionen mit harschen Worten "Verantwortungslosigkeit" und bezeichnete etwa die Rückführungen für die Schulfinanzierung aus den letzten 25 Jahren an die Gemeinden als "politischen und finanziellen Kardinalfehler". Die Replik lässt nicht lange auf sich warten: CSU-Fraktionschef Stefan Schelle, der auf Kreisebene nichts lieber tut, als sich an Thalhammers Einlassungen abzuarbeiten, erwidert auf dessen Forderung nach einem schuldenfreien Landkreis: Das bedeute dann auch einen "schulenfreien Landkreis". Ein Hauch von politischem Schlagabtausch in der ansonsten so harmonischen Sitzung.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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