Kreishaushalt:Zähes Ringen um den Stellenplan

Kreishaushalt: Die Förderung der naturwissenschaftlichen Bildung ist einer der Streitpunkte im Kreistag.

Die Förderung der naturwissenschaftlichen Bildung ist einer der Streitpunkte im Kreistag.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Fraktionen im Kreistag streiten in diesem Jahr heftiger als sonst darüber, welche Aufgaben der Landkreis sich leisten soll und welche nicht. Dass er nicht für Aufgaben des Freistaats zahlen soll, ist dagegen Konsens

Von Martin Mühlfenzl

Wer sich persönlich an den Bretonischen Ring 1 im Grasbrunner Ortsteil Neukeferloh begibt, ist auf Hilfe angewiesen und bekommt diese in der Regel auch. Egal ob er in der Kfz-Zulassungsstelle einen Führerschein beantragen oder sein Auto anmelden will, der direkte Kontakt mit Angestellten des Landratsamtes ist hier gegeben und der Bürger erlebt hier sehr konkret, wofür Steuergeld eingesetzt wird: für gutes, freundliches Personal und ebenso guten Service.

Wenn es also darum geht, in der Kfz-Zulassungsstelle neue Stellen zu schaffen, ist dies im zuständigen Kreistag meist unumstritten, denn mit dem anhaltenden Zuzug und Wachstum im bevölkerungsreichsten Landkreis des Freistaats nehmen auch in dieser Abteilung die Aufgaben immer weiter zu.

In den diesjährigen Etatverhandlungen über den Haushalt des Landkreises für das kommende Jahr aber hat es an anderen Stellen - man kann es nicht anders sagen - gescheppert; die Konflikte in den Beratungen über den neuen Stellenplan des Landratsamtes waren hart wie nie. Das liegt einerseits daran, dass ein Stellenplan ein hochpolitisches Thema ist, das die Parteien zur eigenen Profilierung nutzen, indem sie in bestimmten Bereichen, die ihnen besonders wichtig sind, neue Stellen durchdrücken, oder dem politischen Gegner eine mitgeben wollen, indem sie bestimmte Posten verhindern. Andererseits geht es natürlich ums Geld, sogar um sehr viel Geld - und es wird in den Beratungen sehr gewissenhaft hinterfragt, wie viele neue Stellen sich der Landkreis überhaupt noch leisten kann und welchen Nutzen die Menschen davon tatsächlich haben. Im Angesicht der drohenden wirtschaftlichen Schäden und Steuereinbrüche haben die Kreisräte dies in diesen Verhandlungen noch einmal ernsthafter getan.

Der Streit innerhalb der Kreisgremien, der dazu geführt hat, dass die Grünen den Haushalt im Finanzausschuss vor zwei Woche zunächst abgelehnt hatten, entzündete sich vor allem an zwei Faktoren: Die Fraktionen von CSU und SPD hatten beschlossen, neue Stellen für das laufende Projekt "Natur Vielfalt Leben", in der Mobilitätsplanung und beim sogenannten Klimafolgenanpassungsmanagement zu streichen sowie das Mint-Föderungsprojekt Mitte kommenden Jahres auslaufen zu lassen. Vor allem den Rotstift im Bereich des Klima- und Umweltschutzes konnten die Grünen nicht anders verstehen als einen politischen Affront. Wie auch die Freien Wähler kritisierten sie aber auch, dass die Förderung der naturwissenschaftlichen und technischen Bildung nicht weiter subventioniert werden sollte.

Auch aus Reihen von CSU und SPD war Bedauern darüber zu hören, die Mint-Förderung streichen zu müssen, angesichts der wirtschaftlichen Lage sei dies aber notwendig. Mitunter wird aber auch deren Nutzen in Zweifel gezogen; ein Kreisrat sagte, dieses Projekt generiere keine einzige Fachkraft - was eigentlich das ausgegebene Ziel ist. Zudem, das machten etwa CSU-Fraktionsprecher Stefan Schelle und sein SPD-Kollege Florian Schardt klar, sei Bildung ureigenste Aufgabe des Freistaats - der Landkreis finanziere an dieser Stelle freiwillig ein Projekt, dass er nicht finanzieren müsse. "Wenn wir uns weiter Aufgaben ans Bein binden, die Bildung in den Schulen betreffen, werden wir das nicht mittragen", sagte Schelle.

Die von den Grünen heftig kritisierte Streichung von zwei Stellen im Bereich der Mobilitätsplanung und beim Klimafolgeanpassungsmanagement - die Stellen beim Projekt "Natur Vielfalt Leben" haben sie nachträglich bewilligt bekommen - betreffen konkret einen Projektleiter sowie einen forschenden Mitarbeiter, die Studien zu den jeweiligen Themenbereichen hätten erstellen sollen - weitere Studien, wie Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle bemängelte. Vielmehr sei es jetzt aber an der Zeit, beim Klima- und Umweltschutz in die konkrete Umsetzung zu gehen und nicht wieder etwas zu Papier zu bringen.

Immer wenn es um neue Stellen im Landratsamt geht, stellen sich zwei zentrale Fragen: Was ist Pflicht und was Kür? Und wenn die Antwort auf die gestellte Frage Pflicht ist: Was ist eine staatliche Aufgabe und was eine kreiseigene? Um beide Fragen wird stets in den Haushaltsberatungen gerungen. Der Einsatz etwa eines kreiseigenen Klimaschutzmanagers ist eine klassische freiwillige Leistung, die der Landkreis eigentlich nicht erbringen müsste. Wie die meisten Leistungen im Bereich des Klimaschutzes. Dennoch hat sich der Kreistag in den vergangenen Jahren - stets mit breiter Mehrheit - dafür entschieden, immer neue Stellen im Natur- und Umweltschutz zu schaffen. Nahezu verdreifacht hat sich seit 2014 die Zahl der Mitarbeiter, die in den Bereichen Mobilität und Umweltschutz arbeiten. Doch es gibt auch Kritik an dieser enormen Aufstockung; so sagte SPD-Fraktionschef Schardt, die Kommunen selbst seien schon sehr engagiert beim Klimaschutz, landauf, landab würden in den Städten und Gemeinden eigene Klimaschutzmanager installiert. Nicht alles müsse der Landkreis übernehmen - und bezahlen, so der Sozialdemokrat.

Doch es gibt natürlich Bereiche, da kommt der Landkreis nicht aus: das ist die Pflicht. Etwa bei den Sozialleistungen, der Jugendhilfe, der Gesundheit, der kommunalen Abfallwirtschaft, dem Brand- und Katastrophenschutz - alles ureigenste Aufgaben des Landkreises, die er bezahlen und für die er das notwendige Personal stellen muss. Und es sind alles Aufgaben, die direkte Auswirkungen auf die Bürger haben oder bei ihnen ankommen - und es werden vor allem immer mehr Leistungen, die erbracht werden müssen und entsprechend viel Personal benötigen. Wenn die Zahl der Mitarbeiter einmal nicht mehr für alle freiwilligen Leistungen und Pflichtaufgaben reichen sollte, sei klar, was passieren wird, sagt Landrat Christoph Göbel: "Dann bleiben freiwillige Leistungen liegen."

Das Landratsamt ist eine stetig wachsende Behörde mit bald mehr als 1200 Mitarbeitern. Und es ist eine Behörde mit einer großen, internen Fluktuation. Das wurde jetzt in der Pandemie deutlich, als Mitarbeiter neue Aufgaben in der Corona-Bekämpfung übernehmen mussten, oder auch in Zeiten des großen Zuzugs von Geflüchteten, als zwischenzeitlich mit der Stabstelle Asyl eine Behörde in der Behörde mit eigenem Sitz in der Ludmillastraße in München aufgebaut wurde.

Der Kernbereich Asyl gehört übrigens - wie auch die Kfz-Zulassungsstelle - zur Pflicht und ist eigentlich eine staatliche Aufgabe, die der Freistaat an den Landkreis weiter delegiert hat. Die Kosten, die für all die staatlichen Aufgaben anfüllen, übernimmt in weiten Teilen aber der Landkreis selbst. Das dies nicht so weitergehen kann, ist Konsens im Kreistag. Trotz aller Streitereien über Stellen.

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