Kreis und quer:Den Stecker gezogen

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Keiner erreichbar, keiner unterwegs: Zwischen den Jahren ist es still im Landkreis München, wie selbst in den Sommerferien nicht.

Kolumne von Iris Hilberth, Landkreis München

Es ist so still hier. Unglaublich leise. Kein Telefon klingelt. Kein Handy vibriert. Wer sollte sich auch melden? Schon mal selbst versucht irgendwo durchzurufen? Falls doch, wird man festgestellt haben: Geht keiner ran. Bei keiner Behörde, nicht in Sekretariaten oder Praxen, bei Firmen auch nicht. E-Mails laufen ins Leere, die Abwesenheitsnotiz ist im Postfach, bevor man die Nachricht überhaupt weggeschickt hat. Auf dem Supermarktparkplatz am Grünwalder Weg in Unterhaching bekommt man locker einen Parkplatz in erster Reihe und im Würmtal kann man spazieren gehen, ohne jemanden zu treffen. Hallooo? Wo sind denn alle? Irgendwer hat hier den Stecker gezogen. Die Welt angehalten. Wir befinden uns zwischen den Jahren.

Wer stets vergeblich auf die stade Zeit im Advent wartet, dem sei versichert: Er hat sich seit Jahren im Datum vertan. Wirkliche Ruhe gibt es nur zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige - Silvester mal ausgenommen. Bis zum 6. Januar findet ein kollektiver Rückzug ins Private statt, gegen diese Winterstarre sind die Sommerlethargie im August und die Ruhe in den Pfingstferien aufgrund des traditionellen Massen-Verreisens nicht der Rede wert.

"Zwischen den Jahren" ist nüchtern oder buchhalterisch betrachtet eigentlich Quatsch. Entweder man befindet sich noch im alten oder schon im neuen Jahr. Dazwischen gibt es schlichtweg nichts. Allenfalls legt sich dieses Nichts wie eine Schneedecke über den Landkreis. Dämpfend, entschleunigend, auch mystisch. Was aber die Raunächte angeht, die bekanntlich genau in diesen Tagen terminiert sind, sollte man sich auch im Landkreis München nicht zu sicher fühlen. In dieser Zeit, so sagt man, sind die Dämonen aktiv und das Tor zur Unterwelt steht offen. Die Wilde Jagd fegt durch das Land. Soll keiner behaupten, er habe den Sturm nicht bemerkt und das ganze Brauchtum sei etwas für entlegene Alpentäler oder die Bühne des Kultur- und Kongresszentrums in Taufkirchen, wo am Sonntag das Mystical "Bayerische Rauhnacht" aufgeführt wird. Auch in Unterschleißheim wird man insgeheim froh sein, dass der Stadtrat davon abgerückt ist, aus Energiespargründen die Straßenlampen auszuschalten.

Aber die meisten machen es eh wie unsere Vorfahren, bleiben in den Raunächten zu Hause und tun nichts. Einfach gar nichts. Überhaupt nichts. Wie "Hermann" in Loriots Sketch "Feierabend" von 1977, der seiner hyperaktiven Ehefrau mehrfach versichert: "Ich möchte einfach hier sitzen ...". Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf war da gleicher Ansicht: "Faul sein ist wunderschön! Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen." Die gute Nachricht in diesem neuen Jahr: Heuer fiel der 6. Januar auf einen Freitag und so kann man mit dem, was der vom Nichtstun begeisterte Gerhard Polt mal als "Herumschildkröteln" bezeichnet hat, in eine zweitägige Verlängerung gehen. Das Telefon klingelt erst wieder am 9. Januar.

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