Süddeutsche Zeitung

Kreis und quer:Wenn die Meise Schwein hat

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Zum Jahreswechsel kann man es mächtig krachen lassen, aber es geht auch leiser: zum Beispiel mit Weintrauben oder einem roten Slip

Kolumne von Iris Hilberth

Schon mal versucht, mit roter Unterwäsche dem Glück auf die Sprünge zu helfen? In Italien zumindest gilt das Tragen von Dessous in dieser Farbe speziell in der Neujahrsnacht als Garant für Glück und Erfolg. In Österreich werden Schweinchen aus Marzipan oder Schokolade verschenkt, und in Spanien verlässt man sich auf die Wirkung von zwölf Weintrauben, die um Mitternacht nach und nach mit jedem Schlag der Glocken verspeist werden. Das hat alles Tradition. Man muss sich also auch nicht grämen, wenn man in Mexiko an Silvester einen Koffer vor die Tür gestellt bekommt. Das ist kein Rausschmiss, sondern allein der Hoffnung geschuldet, das neue Jahr möge viele Reisen bescheren.

Wer die Tage zwischen den Jahren traditionell anderswo verbringt, kennt das alles. Auch wer mal den schon traditionellen Besuch aus den Partnerstädten - und derer gibt es viele im Landkreis - erwartet hat, kennt solche Bräuche. Wann so etwas wie das Linsenessen an Neujahr in den USA oder das Kartenspielen zum Jahreswechsel in Griechenland zur Tradition erhoben wurde, wissen die wenigsten. War halt schon immer so. Wie so vieles in dieser Zeit, in der es auf den Jahreswechsel zugeht. Angefangen mit den traditionellen Weihnachtskonzerten, über die traditionellen Adventsfeiern, bis hin zum traditionellen Streit unterm Christbaum und dem nicht wegzudenkenden Gedudel von "Last Christmas" und "Dinner for One" in Dauerschleife. Auch Raclette und Fondue gehören in den Stunden vor dem neuen Jahr für viele schon zum Kulturgut. An einer Tradition allerdings wird jetzt mächtig gerüttelt. Gehörte das Feuerwerk für die meisten bislang zu Silvester dazu wie der kalt gestellte Sekt, so beginnt auch im Landkreis eine Nachdenken über den Sinn und Unsinn der Böllerei. Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl wirbt für "Lacher statt Kracher" und fordert die Leute auf, das so gesparte Geld lieber zu spenden.

Einige Gemeinden versuchen durch zentrale Feuerwerke das Abbrennen von Pyrotechnik einzudämmen und so den Feinstaub zu reduzieren und die Tiere zu schützen. Es heißt: Kleine Vögel wie Meisen verlieren vor lauter Schreck zwanzig Prozent ihres Gewichts in der Silvesternacht. Aber wirkliche Feuerwerk-Verbote gibt es anders als in der Münchner Innenstadt kaum. So werden vermutlich einige im Landkreis dieses Jahr mit der Tradition brechen, in der Silvesternacht in die Stadt zu fahren. Ob es deswegen einen Pendlerstrom von Knallfröschen in die andere Richtung geben wird, ist schwer vorhersehbar.

Aber solchen Stadtflüchtern sei vorab gesagt: So viele "böse Geister", die es ja traditionell mit dem Feuerwerk und insbesondere den lauten Böllern zu vertreiben gilt, gibt es hier eigentlich gar nicht. Auch wenn man das ob der sich inzwischen offenbar vermehrenden Perchten glauben mag, die im Landkreis fast schon als traditionell gelten. Also einfach mal mit roter Unterwäsche versuchen. Die kleine Meise würde das gut finden.

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SZ vom 31.12.2019
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