Es wirkt surreal - auch nach mehr als einem Jahr. An der Wand hängen die ausgedruckten Seiten der Print-Ausgabe vom 16. März 2020. "Nadler zwingt Göbel in die zweite Runde", lautet die Überschrift des Aufmachers. Und über einer Meldung: "Das Leben kommt zum Stillstand." Zeitungsredaktionen haben die Angewohnheit, vor Andruck der Printausgabe einen Blick über alle Seiten zu werfen und Überschriften und auch Bildunterschriften und Zwischentitel, BUs und Zwitis genannt, zu kontrollieren. Am 15. März vor einem Jahr, dem Abend der ersten Runde der Kommunalwahl, war dies das letzte Mal der Fall. Dann kam das Home-Office.
Zwei Wochen später dominierte noch einmal die Kommunalwahl die Berichterstattung, der Sieg von Landrat Christoph Göbel (CSU) über seinen Herausforderer Christoph Nadler (Grüne) in der Stichwahl, der sensationelle Erfolg von Andreas Bukowski von der CSU gegen SPD-Bürgermeisterin Gabriele Müller im Rennen um das Rathaus in Haar, die Abwahl von Oberschleißheims Rathauschef Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) und der knappe Sieg von Susanna Tausendfreund (Grüne) in Pullach. Doch während die Aufregung um die Wahlen irgendwann abflachte, bestimmt ein Thema weiterhin die Schlagzeilen: Das Virus, das nicht verschwinden mag und den Alltag der Menschen bis heute dominiert.
Mit Schlagzeilen ist es so eine Sache: Sie sollen Aufmerksamkeit generieren, den Leser, wie es in den Redaktionen so schön heißt, in die Geschichte hineinziehen. Die Headline vom 16. März vergangenen Jahres, das Leben im Landkreis komme nun zum Stillstand, war schon richtig, aber dennoch nicht ganz korrekt: Denn vollkommen geruht hat das Leben im Landkreis nie. Und gerade jetzt erwacht es in allen Bereichen - im Sport, in der Kultur, der Gastronomie, im Tourismus - in einem derart hohen Tempo, dass manch einem schwindelig werden dürfte und sich die Frage stellt: War da nicht was? Eine Pandemie etwa, die fast dazu geführt hätte, dass die Stichwahlen bei der Kommunalwahl im Frühjahr 2020 abgesagt worden wären.
Wurden sie aber nicht. Weil die Politik festgestellt hat, dass für die Menschen in einer Krise Beständigkeiten wichtig sind. Vielleicht hat deshalb Göbel die Stichwahl vor einem Jahr gewonnen - weil das jeder so erwartet hat. Möglicherweise streiten auch deswegen die Pullacher Gemeinderäte nach wie vor in jeder Sitzung wie die Kesselflicker - weil das schon immer so war. Und wahrscheinlich haben die Haarer ihre Bürgermeisterin abgewählt, weil Überraschungen halt zum Leben gehören. Die Überschrift damals lautete: "CSU beendet SPD-Vorherrschaft." Kaum zu glauben.