Kreis und quer:Von Störenfrieden und Nesträubern

Kreis und quer: Iris Hilberth sucht noch nach Möglichkeiten, Griesgrame zu vergrämen.

Iris Hilberth sucht noch nach Möglichkeiten, Griesgrame zu vergrämen.

Der Vicinus vulgaris macht nicht nur Krähen und Jugendlichen das Leben schwer

Von Iris Hilberth

Es gibt eine weit verbreitete Spezies in Mitteleuropa, die Bürgermeister besonders fürchten. Oft sind Vertreter dieser Art sehr lärmempfindlich und brauchen viel Schlaf. Sie verteidigen ihr Territorium hartnäckig, meist mit großer Empörung, mitunter auch aggressiv gegen vermeintliche Eindringlinge. Der wissenschaftliche Name der häufig in Gruppen auftretenden Gattung ist nicht bekannt. Man könnte das gewöhnliche Exemplar dieser Art vielleicht als vicinus vulgaris bezeichnen. Und ja: Er hat natürlich Feinde. Glaubt der gemeine Anwohner zumindest selbst. Dazu zählen Kinder, Krähen, Bauvorhaben und ganz besonders Jugendliche.

Und weil der Vicinus vulgaris sich selbstverständlich als zu schützende Art betrachtet und daher von seinem Bürgermeister erwartet, dass der all seine störenden Feinde abwehrt und aus seinem Lebensraum vertreibt, kommt es mitunter zu seltsamen Einfällen. In Wales etwa wurde ein Gerät entwickelt, um Jugendlichen durch Beschallung den Aufenthalt an bestimmten Orten unerträglich zu machen. Mit "The Mosquito" wird ein Signal im Ultraschallbereich erzeugt, das mutmaßlich nur junge Menschen hören können. Weil das Gehör mit dem Alter nachlässt, sollen Leute über 25 Jahre das nervige Geräusch nicht wahrnehmen. Und in Hamburg hat man mal versucht, mit klassischer Musik Junkies aus U-Bahnhöfen zu vertreiben, weil die angeblich Vivaldi, Mozart und Bach nicht ertragen. Noch gibt es in Gemeinden im Landkreis zum Glück wohl keine Haushaltsstelle für derartige Beschallung. Dafür aber zweifelhafte andere Ideen und groteske Veränderungen in der Ortsgestaltung.

Will eine Gemeinde Krähen aus einem Wohngebiet vertreiben, lässt sie häufig deren Nester aus den Bäumen entfernen und Äste abschneiden, um es den Vögeln dort möglichst ungemütlich zu machen. So in etwa wird sich das wohl auch Neubiberg gedacht haben, als man sich dort eine Strategie überlegte, Jugendliche vom See am Grünanger zu verscheuchen. Einfach die Bänke abschrauben, auf denen sich die jungen Leute zum Feiern treffen, und schon ist man sie los. Mittlerweile ist die Gemeinde von diesem Plan aber wieder abgerückt. Schließlich ist so ein See ohne Bänke auch für den Vicinus vulgaris irgendwie blöd. Und die Taktik mit den Nestern hat auch nie so richtig geklappt.

In Unterhaching hingegen hält man an der baulichen Veränderung des Territoriums der lärmempfindlichen Anwohner noch fest, um es Jugendlichen dort unbequem zu machen. Die nämlich hatten auf der Stumpfwiese einen durch den Wegebau entstandenen etwa vier Meter hohen Erdhügel als ihr Reich auserkoren und dort oben tatsächlich Decken ausgebreitet. In der Pandemie sind Treffen unter freiem Himmel an sich die beste Idee. Fanden die Anwohner aber nicht, zumindest nicht vor ihrer Gartentür. Und so ging die Gemeinde hin und formte den zuvor eher flachen Hügel zu einer wahren Alpspitze, auf deren Gipfel maximal eine Maus Platz hat. Oder eine Krähe?

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