Wie kann man Menschen mit völlig unterschiedlichen Ansichten dazu bringen, sich in erträglicher Zeit auf einen Modus Vivendi zu einigen? Für die Papstwahl hat die katholische Kirche mit dem Konklave ein gutes Mittel gefunden. Die Kardinäle werden ganz einfach so lange in die Sixtinische Kapelle gesperrt, bis sie sich auf einen Kandidaten verständigt haben. Sieht man von dem Konklave anno 1268 ab, das 1005 Tage dauerte und erst endete, nachdem die wütende Bevölkerung die Kardinäle auf Wasser und Brot gesetzt und ihnen das Dach über dem Kopf abgerissen hatte, haben sich die Konklaven bewährt. Noch trägt das Schloss Bellevue in Berlin ein Dach. Und als sein Hausherr, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, am Donnerstag mit den drei Wahlverlierern Angela Merkel, Martin Schulz und Horst Seehofer Sondierungsgespräche für eine große Koalition führte, wurde sicher Kaffee, wahrscheinlich Paderborner Loser-Coffee, und Gebäck gereicht. Und was ist dabei herausgekommen? Heiße Luft. Nach nur zwei Stunden verließ das Trio wieder Schloss Bellevue, lächelnd.
Die Zeit ist reif für ein politisches Konklave, eines, das erst mit dem Tag endet, da die neue Bundesregierung steht. Und weil bis dahin keine 1005 Tage vergehen sollen, bietet sich für das gemeinsame Nachdenken eine Örtlichkeit an, die neben völliger Abgeschiedenheit ein hohes Maß an Schlichtheit garantiert, sodass nichts, aber auch gar nichts die Gedankenflüge der drei stören kann.
Zufällig steht gerade eine dafür hochgeeignete Location leer: der Ayinger Erdstall, ein unterirdisches, 60 Meter langes Tunnelsystem, circa 1000 Jahre alt, ohne Handyempfang und dunkel wie die Nacht, sodass die Verhandler allein auf die Kraft ihrer Worte setzen müssen. Den Weg zum Besprechungsraum müssen sie, der Festere zuerst, in Bückstellung, streckenweise kriechend zurücklegen, in angemessener Haltung halt. Am Ende aber wartet auf sie die große Schlusskammer, in der zufällig genau drei Nischen in die Wände geschlagen sind, für jeden eine. Merkel und Seehofer könnten hier mit Marx- und Engelszungen auf Martin Schulz einreden, ohne dass dieser Reißaus nehmen könnte.
Einen Notausgang hat der Erdstall nicht, rund um das Einstiegsloch müsste man freilich die kräftigen Ayinger Burschen postieren, quasi als Obergrenze. Für einen Familiennachzug eignet sich der Erdstall weniger, aber zur Förderung schneller Kompromissbereitschaft, sagen wir mal von Horst Seehofer, kann man leicht Leute wie, sagen wir mal Markus Söder, bis zum Anschlag in den engen Schlupfgang nachschieben. Und wenn trotz allem lange kein weißer Rauch aus dem Erdstall dringt - Deckel heben, Söder rausziehen und das Malzaroma von der nahen Brauerei und Bratenduft aus der Küche des Bräustüberls in die Gänge fächeln. Muss klappen. Wenn nicht, die Burschen reinschicken.