Kreis und quer:Trostloser Trucker-Alltag

Was sich auf der A99 abspielt, rückt nur bei schrecklichen Unfällen in den Blick. Dabei zeigt sich dort das Elend einer verfehlten Verkehrspolitik

kolumne Von Bernhard Lohr

Meist rückt der Irrsinn, der sich auf der A 99 abspielt, nur dann ins Blickfeld, wenn wieder ein schrecklicher Unfall passiert. Fast wöchentlich fährt ein Lastwagen in ein Stauende. Es gibt Schwerverletzte und Tote, und ehrenamtlich tätige Feuerwehrleute müssen zur Unfallstelle, um unter physisch und psychisch belastenden Bedingungen um das Leben von in Führerhäusern eingeklemmten Menschen zu kämpfen. Was sich zwischen diesen Unfallmeldungen an normalen Wochentagen auf der am stärksten befahrenen Transit-Strecke Europas abspielt, regt dagegen keinen groß auf. Sollte es aber.

Es gehört leider zum gewohnten Bild auf der Autobahn, dass sich dort ein Lkw hinter dem anderen zu einer nicht enden wollenden Kette reiht. Sicher, es gibt gerade jetzt Gründe dafür. Die Baustelle am Nordkreuz der A 99 macht aus der breiten Betonpiste ein Nadelöhr. Doch der Güterverkehr auf der Ostumfahrung hat auch massiv zugenommen. Jedenfalls sitzen Hunderte Lkw-Fahrer dort Tag für Tag fest. Immerhin sind ihre Kabinen wohl temperiert, möchte man in diesem Hitzesommer sagen. Wenn die schweren Lkw-Motoren schon keine Güter bewegen, halten sie wenigstens die Klimaanlagen am Laufen und machen schlecht bezahlten Truckern, die für Speditionen aus vielen Ländern auf Tour sind, den Stillstand einigermaßen erträglich.

Es ist dringend notwendig, dass durch den Einbau von automatisierten Abstandhaltern und Bremssystemen in Lkw vermeidbare Unfälle verhindert werden. Aber auch die Blechkolonnen dürfen nicht als naturgegeben hingenommen werden. Diese sind ein Armutszeugnis für eine Gesellschaft, in der schier alles machbar zu sein scheint. In dem Transit-Landkreis München wird über das autonome Fahren geforscht. Es werden die Möglichkeiten künstlicher Intelligenz ausgelotet. Politiker reden über Flugtaxis und Weltraum-Projekte in Taufkirchen und Ottobrunn. Vieles davon ist aktuell nicht mehr als schönes Wortgeklingel oder Zukunftsmusik. Die Realität ist auf der A 99 zu beobachten.

Diese interessiert wenige, solange die Lkw auf der Autobahn bleiben. Ob sie nun rollen oder stehen, wird da zur Nebensache. Wer noch einen Blick dafür hat, nimmt das Ganze kopfschüttelnd als Beleg für eine gescheiterte Verkehrspolitik wahr. Doch das ändert sich, sobald die Lkw-Fahrer mit ihren schweren Trucks die Autobahn verlassen und den Weg auf der B 471 durch die Orte im Münchner Osten nehmen. Bürgermeister der an der Bundesstraße gelegenen Kommunen fordern nun ein Lkw-Durchfahrtsverbot. Es ist ein spannender Vorstoß, dem sich nun die Grünen im Kreistag angeschlossen haben. Die Diskussion wird sicher das Sommerloch überdauern. Kommendes Jahr sind schließlich Kommunalwahlen. Anders als die Trucker haben die Menschen in Aschheim, Feldkirchen, Haar, Putzbrunn und Hohenbrunn eine Lobby. Sie werden sich genau anschauen, wer einen Ausweg aus der Verkehrsmisere aufzeigt.

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