Kreis und quer:Todeskampf der alten Tante

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Die Parteienlandschaft befindet sich im Umbruch, auch im Landkreis

Kolumne von Martin Mühlfenzl

Gravierende Veränderungen lassen sich natürlich in Zahlen messen. Mehr als 350 000 Einwohner hat der Landkreis München heute, gerade einmal 250 000 waren es vor 20 Jahren. Ein Mathematikstudium oder Ahnung von Statistik ist nicht erforderlich, um zu erahnen, wo die Reise hingehen wird. Der Bayer würde mit seiner Nonchalance sagen: "Weniger werns ned." Ein anderes Beispiel: Bei der Kreistagswahl 2014 holte die SPD 23,5 Prozent, wurde klar zweitstärkste Kraft nach der CSU; 2017 bei der Bundestagswahl waren es 14 Prozent der Zweitstimmen. Und diesen Herbst bei der Landtagswahl?

The trend is not your friend. Oder anders ausgedrückt: Wenn's läuft, dann läuft's - auch im negativen Sinne. Für die Sozialdemokraten geraten Jahresrückblicke auch im Landkreis München immer mehr zu echten Horrorerlebnissen, während die Grünen bereits den nächsten Großereignissen voller Vorfreude und Optimismus - oder wie die Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl, Katharina Schulze, etwas überdreht - entgegenfiebern. Die Europawahl 2019, dann die Kommunalwahl 2020, - möglicherweise irgendwann dazwischen Neuwahlen im Bund. Sie können es kaum erwarten: The trend is your friend.

Wie nachhaltig diese Veränderung der Parteienlandschaft auch im Landkreis München sein wird, muss sich erst noch erweisen. Die strukturelle Schwäche der (einst) Großen aber spielt derzeit vor allem den Grünen in die Hände. Eine hochrangige CSU-Vertreterin hat es am Abend der Landtagswahl so ausgedrückt: "Wenn das aus der Stadt rausschwappt, diese Entwicklung, dann sind wir als Nächstes dran." Sie meinte die grüne Welle, die möglicherweise auch bald im Umland die Christsozialen zu erfassen droht. Bei der Landtagswahl wurde die Ökopartei in der Landeshauptstadt stärkste Kraft, holte fünf Direktmandate. Die CSU brach um nahezu zwölf Prozent ein und kam nur noch auf 24,8 Prozent - und die SPD stürzte dramatisch auf nur noch 12,8 Prozent ab.

Der Landkreis ist eng mit der Landeshauptstadt verwoben, er wird immer urbaner und bunter. Der Zuzug ist ungebrochen, gut ausgebildete und auch wohlhabende Menschen kommen hierher. Und gleichzeitig schwinden die Kernmilieus der Christ- und Sozialdemokraten. Für die CSU bedeutet dies, dass sie ihren Markenkern als echte große Volkspartei verliert, deren Anspruch es stets war und sein musste, absolute Mehrheiten zu holen. Das mag der Partei und ihren Mitgliedern Schmerzen zufügen, aber es bildet die Realitäten einer sich verändernden Gesellschaft ab. Diese Entwicklung ist aber nichts verglichen mit dem, was die SPD durchmacht. Für die einst so stolze Arbeiterpartei geht es schlichtweg um die eigene Existenz.

Die SPD erlebt keine Veränderungen, wie sie hin und wieder vorkommen. Die alte Tante kämpft den Todeskampf. Das zeigt sich im Bund, im Land, in den Landkreisen. Die Zahlen belegen es.

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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