Kreis und quer:Kirching ist nicht Entenhausen

Wie Gemeinden in Krimis groß rauskommen und warum Taufkirchen nur scheinbar mal wieder benachteiligt wird.

Kolumne von Iris Hilberth, Taufkirchen

Die Tote im Strandkorb von Rügen, die Entführung einer Schrotthändler-Gattin in Viechtach, blutbeflecktes Geld auf einem Dachboden in Castrop-Rauxel - es gibt so viele Verbrechen wie Orte in Deutschland, erzählt auf unzähligen Buchseiten. Vermutlich ist kein Kaff mehr davor sicher, dass ihm nicht von irgendeinem Autor ein Mord angehängt wird. Ist schließlich schön gruselig, wenn man die Gegend und die Ortsnamen kennt und mit dem Leser geographisches Detailwissen teilt. Selbst der Landkreis München, von der Polizei gerne als Insel der Seligen mit sehr geringer Kriminalitätsrate dargestellt, beflügelt so manchen Krimiautor. "Mord im Paradies" spielt in Planegg und Gräfelfing. "Tod beim Martinsumzug" macht Ottobrunn zum Tatort, Pullach kommt gleich in mehreren Werken vor und sogar Unterhaching hat eine Gemeinderätin inspiriert, über fiktive Verbrechen zu schreiben. Aber was ist mit Taufkirchen?

Im Internet gibt es eine Seite, auf der sämtliche Orte vermerkt sind, die in Krimis vorkommen, alphabetisch sortiert von Aachen über Grevenbroich und Köttelbach bis Zypern. Taufkirchen ist nicht dabei. Das ist insofern ärgerlich, weil Moritz Hürtgen, ehemaliger Chefredakteur des Satiremagazins Titanic, einen Roman mit dem vielversprechenden Titel "Der Boulevard des Grauens" veröffentlicht hat, in dem sein Heimatort nahe München eine große Rolle spielt. Nur heißt er dort nicht Taufkirchen, sondern "Kirching". Das wird die Taufkirchner wurmen. Vor allem den Bürgermeister, der sehr empfindlich reagiert, wenn die Nachbarorte im Rampenlicht stehen und seine Gemeinde, eingequetscht zwischen dem großen Unterhaching und dem nach eigenem Ermessen großartigen Oberhaching, als Underdog des Hachinger Tals gesehen wird. Die anderen haben Spitzensportler, eine klimaneutrale Senffabrik und einen Tuba spielenden Bürgermeister. Taufkirchen hat nicht mal ein Gymnasium. Deshalb wird man dort so grantig, wenn der Ludwig-Bölkow-Campus irrtümlich wieder mal Ottobrunn, die Jochen-Schweizer-Arena München und Ikea Brunnthal zugeordnet werden.

"Boulevard des Schreckens" wäre also eine Gelegenheit gewesen, groß rauszukommen. Zum Trost: Aschheim geht es genauso. In dem fiktiven Thriller über den Wirecard-Skandal "Das Jahr der Gier" von Horst Eckert heißt die Gemeinde Moosbruck. Dieses kleine Rätsel um den eigentlichen Namen muss aber kein Nachteil sein, sondern kann die Neugierde beflügeln. Wer jemals Bullerbü gesucht hat: Es heißt eigentlich Sevedstorp. Und welches der 16 Springfields in den USA Vorbild für den Wohnort der Simpsons war, blieb lange ein Geheimnis. Man weiß auch: Ein hartnäckiges Gerücht, dass es Bielefeld eigentlich gar nicht gibt, hat dessen Bekanntheit nur gesteigert. So lauten die eigentlichen Fragen nach der Lektüre von "Boulevard des Grauens": Gibt es Taufkirchen überhaupt oder heißt es in Wahrheit vielleicht doch Kirching? Und wo liegt eigentlich Entenhausen?

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:"Vielleicht kommen zur Lesung sogar ehemalige Wirecard-Mitarbeiter"

Der Autor Horst Eckert hat den Skandal um den Zahlungsdienstleister in seinem fiktiven Thriller "Das Jahr der Gier" verarbeitet. Jetzt stellt er das Buch in Aschheim vor, wo das Unternehmen seinen Sitz hatte.

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