Kreis und quer:Sprache für Hirn und Herz

Bairisch ist sexy, das belegen Studien immer wieder. Trotzdem beherrschen es immer weniger Menschen. Horst Münzinger steuert gegen

Von Michael Morosow

Die Hüter und Pfleger des bairischen Dialekts haben sich sakrisch gfreit, als im Vorjahr wieder einmal eine bundesweite Umfrage zu dem Ergebnis kam, dass ihre Sprache am meisten Sex-Appeal besitzt. Ganz am Ende rangierte verständlicher Weise die Spracherotik der Sachsen ("Isch liebschd"), denen daher ultimativ geraten wird, in Liebesdingen künftig besser den stillen Genießer zu geben. Aber Dialekte teilen das gleiche Schicksal wie der große Brachvogel: Erst wenn sie vom Aussterben bedroht sind, steigt die Sorge um ihren Erhalt. Die bayerische Mundart führt seit mehr als hundert Jahren schon einen Verteidigungskrieg gegen sprachliche Eindringlinge aus dem Norden der Republik und das Angelsächsische schlechthin. Doch ihr weißblauer Schild wird zunehmend durchlässiger.

In München wäre das bayerische Idiom ohne eine regelmäßige Infusion durch bemühte Mundartdichter bereits ausgestorben wie in Sibirien das Tschulymisch, aber wenigstens im Umland sprechen Kinder weitgehend noch die Sprache ihrer Großeltern - und müssen höllisch aufpassen, dass sie in der Schule sprachlich den Schalter umlegen. Wenn der Opa zum Beispiel sagt: "Gäh weida Franzl, bring ma da Oma sei Tasch'n, do is da Butta drin, der schmeckt mia bessa ois wia da Kas", dann regt sich niemand darüber auf. Formuliert der Franzl aber dasselbe im Schulaufsatz, schreibt der Lehrer drunter: "Falscher Artikel, falsches Possessivpronomen, falscher Komparativ, 15 Ausdrucksfehler - Ungenügend." So wächst die Jugend im Landkreis gezwungenermaßen zweisprachig auf - bairisch mit deutsch-englischen Einschlägen. Und so liest man auf einem Schild draußen vor der Wirtschaft "Coffee to go" und drinnen am Stammtisch: "Dositzndedeoiweidositzn" - übersetzt für die vielen Tausend Neubürger, die Jahr für Jahr in die Boomregion ziehen: "Schwing dich."

Wenn auch nicht ausschließlich, aber doch in erster Linie an die unzähligen Zuagroasten denken Dialektpfleger wie Horst Münzinger, wenn sie in München und drumherum Bairisch-Kurse anbieten. "Boarisch fürs Hirn, Herz und Ohr" heißen diese, zuletzt lief einer im Bürgerhaus Unterföhring, den nächsten hält Münzinger im Herbst in der Volkshochschule Haar, wie er jetzt schon ankündigt. Die meisten Teilnehmer, egal ob aus Castrop Rauxel, Berlin oder Hamburg, bringen zu Bairisch-Kursen Vorkenntnisse mit, wissen, was "mia san mia" bedeutet, können beim Wirt eine "Maaaaas" bestellen und jeder kennt den "Oachkatzlschwoaf", der freilich bereits einen Stammplatz in der Ruhmeshalle der bayerischen Dialektgeschichte hat. Nun also, zur Vorbereitung auf den Herbstkurs in Haar, eine kleine Übersetzungsübung für Fortgeschrittene: "Jasacklzementzefixhallelujamilecktstamoschscheißklumpvarreckts".

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