Kreis und quer:Schönen Dank auch, ihr Städter!

Da draußen im Landkreis München heißt jetzt nicht mehr Umland, sondern Region. Klingt besser, hätte es aber nicht gebraucht

Kolumne Von Martin Mühlfenzl

Es gibt sie noch, die "Stoderer", die ihr ganz eigenes Bild vom Landkreis München pflegen, diesem urtümlichen Landstrich mit seinem hemdsärmeligen, rückständigen Bauernvolk von Unterschleißheim über Ottobrunn bis Grünwald. Land, Acker, Furche, Graben, Tracht - aus diesem Fünfklang besteht für manche Münchner bis heute die Sicht auf "die da draußen". Aber es ist etwas in Bewegung geraten: Die Münchner entdecken ihre Empathie. Umland wollen sie plötzlich nicht mehr sagen, das klinge abwertend, sagt Münchens oberster Stadtentwicklungsplaner. "Region" ist das neue Wort der Wahl. Das klingt besser, moderner, partnerschaftlicher. Danke dafür, liebe Münchner.

Wie viel tatsächlich in der Beziehung zwischen Stadt und Umland - Verzeihung: Region - in der jüngeren Vergangenheit in Bewegung geraten ist, lässt sich am Beispiel des Landkreises München besonders eindrucksvoll ablesen. Mittlerweile pendeln mehr Menschen tagtäglich aus München in den Landkreis in die Arbeit als umgekehrt; das gilt auch für Gymnasiasten, die sich auf die Hochschulreife im Umland vorbereiten. Der modernen Schulen wegen. In der "Schlafstadt" Ottobrunn und der "Trabantensiedlung" Taufkirchen sind Weltkonzerne wie Airbus und IABG zuhause.

In der "Gartenstadt" Grünwald wissen sie nicht wohin mit dem Geld, aber sehr genau, dass sie München nicht mehr gönnen als den Anschluss an ihre Trambahn. Die "Mediengemeinde" Unterföhring finanziert dagegen mal schnell den Ausbau des Föhringer Rings mit. Müsste sie nicht, aber Umlandgemeinden können das. In der größten Vorstadt im Umland, in Unterschleißheim, forscht wiederum BMW am autonomen Fahren, während in München so gut wie nichts mehr fährt.

Region - dieser Begriff soll das Umland aufwerten. Er klingt nach Metropolregion. Wo doch München, diese selbst ernannte Weltstadt mit Herz, vom Status einer Metropole so weit entfernt ist wie die Löwen von der Champions League. Aber wahrscheinlich haben die Blauen die Hände sogar näher am Henkelpott.

Keine Frage: München ist schön. Diese Puppenstube für Gutbetuchte, die an sonnigen Tagen so glänzt, als wäre sie von den einstigen Kammerdienern der Residenz herauspoliert worden. Klar gibt es in der großen Stadt im Zentrum der Region Leben und Herz, aber nicht immer da, wo Reiseführer oder Gastrokritiker es verorten. In Berg am Laim etwa, diesem einstigen Arbeiterviertel, sind in der Tram frühmorgens alle Sprachen dieser Welt zu hören, und der türkische Friseur lebt mit dem Tattoo-Laden neben dem alten Kiosk eine friedliche Koexistenz vor. Ganz so wie in Ottobrunn an der Rosenheimer Straße oder in Unterhaching an der Münchner Straße. Da draußen im Umland, wo der Puls so viel schneller schlägt und die Entwicklung so viel weiter ist, als sich das mancher in der Stadt vorzustellen vermag. Die Region - und vor allem der Landkreis München - haben das Mitgefühl der Städter wahrlich nicht nötig.

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