Kreis und quer:Schleich di bloß

Der Dialekt ein No-Go? Schmarrn. Bairisch ist was für Hirn, Herz und Ohr. Und wer das nicht begreift, kann sich auf ein Ohrwaschlrennats gefasst machen

Von Michael Morosow

Die Hüter bairischer Idiome hatten sich sakrisch gfreit, als vor Jahren eine deutschlandweite Umfrage zu dem Ergebnis gekommen war, dass im ganzen Lande die bairische Sprache am meisten Sexappeal besitzt. A so a Freid, wird sich der ein oder andere, zum Beispiel der Dialektpfleger Horst Münzinger, gedacht haben. In der Folge aber mussten Missionare wie er einige Rückschläge verkraften, so auch im laufenden Jahr. Im Juli etwa hatte die Münchner Laptop-und-Lederhosen-CSU ins P 1 zu einer "Lounge in the City-After Work Party mit coolen Drinks" eingeladen. Ja, wennsd ma ned gähst. Im Herbst auf der Wiesn dann vergnügten sich Münchner und ihre Gäste zuerst bei einem Wiesn Warm up, um sich später bei einer After-Wiesn-Party den Rest zu geben. Ja, mi host ghaut.

Wahrscheinlich hat Münzinger von all dem gar nichts geschnallt, sonst hätte ihn wohl der Schlag getroffen und er hätte am Freitagabend nicht im Janker im Heimatmuseum Unterhaching zum Thema: "Boarisch fürs Hirn, Herz und Ohr" referieren können, unterstützt durch den Poeten Ludwig Brandl und den Musikanten Anderl Lipperer. Eine ideale Gelegenheit für Hiesige und Zuagroaste, künftig Bairisch besser erklären und verstehen zu können, hieß es im Einladungsschreiben. Man weiß nicht, ob sich ein "Zuagroasta" am Freitag mit einem "Tach auch" oder einem "Hello" zu den Hiesigen gesellt hat. Aber ganz sicher wird der Unterhachinger Heimatpfleger Günther Staudter mit einem "griaß eich" erschienen sein, um sich ein wenig Balsam auf seine gequälte Seele pinseln zu lassen. Staudter, so muss man wissen, gehen insbesondere die stetig mehr werdenden Anglizismen "aufn Zoaga" sowie ganz die Gscheidn, die Dialekte für eine Krankheit halten. Das ist nun wirklich ein No-Go. Er hat dabei schon mehreren dieser Ignoranten sinnbildlich ein "Ohrwaschlrennats" verpasst, und wenn der Heimatpfleger heute zu einer Veranstaltung kommt, heißt es schon einmal: "Da Staudter is do, bloß koa englischs Wort!" Inzwischen überlegen Veranstalter, ob sie etwa ein Schlittenrennen mitten in Bayern: "Heimatabend goes Rodeln" taufen oder zum "Late-Night-Shopping" einladen.

Staudter wird am Freitagabend hoffentlich ausreichend viel "Boarisch fürs Hirn, Herz und Ohr" aufgesogen haben, denn davon wird er bis zum Jahresende zehren müssen. Schon an diesem Samstag wird er das Polster gebrauchen können. Stichwort: Halloween. Er wird sicher kein Kind davonscheuchen, wenn es ihm mit der Frage: "Süßes oder Saures?" kommt. Aber vielleicht ganz schön zwida sein ob dieses "Blädsinns." Halloween mag zwar ein keltisches Brauchtum sein, ist aber nach seiner Überzeugung in Nordamerika zu Hause und keinesfalls in Bayern dahoam. Beinahe noch schlimmer als über die Kürbisköpfe ärgern sich Brauchtumpfleger wie Staudter und Münzinger über die vielen Weihnachtsmänner, die "Merry Christmas" singen und nach und nach den hiesigen Nikolaus ins Abseits drängen.

Was sich die beiden wohl vom Weihnachtsmann zum Xmas-Fest wünschen? Dass er sich schleicht und dem Christkindl Platz macht.

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