Kreis und quer:Repatriierungsfahrt in den Biergarten

Auslandsreisen erinnern dieser Tage eher an Beusche in der DDR. Wohl dem, der da den Überblick behält

Glosse von Lars Brunckhorst

Die Zeiten, als man durch Europa nach Lust und Laune frei reisen konnte, liegen schon eine Weile zurück; erst kam die Zuwanderung, dann Corona. Beides hat zur Folge, dass die Grenzen mehr oder weniger geschlossen sind - ein Umstand, der seit 1995, als das Schengener Abkommen unterzeichnet wurde, überholt schien. Jüngere konnten sich gar nicht vorstellen, dass man für ein Skiwochenende in Tirol oder einen Kurzurlaub am Gardasee mitten auf der Autobahn anhalten und Pässe vorzeigen musste. Ein Vierteljahrhundert später kommen vor dem Pfingsturlaub im benachbarten Ausland Erinnerungen an Besuche in der DDR auf.

Denn vor der Einreise nach Österreich, wohin es die Familie heuer zieht, hat Europa die Einreiseanmeldung gesetzt. Zu dieser gehört das Einreiseformular, das für jedes Familienmitglied einzeln auszufüllen ist, mit Name, Geburtsdatum, Wohnort, Telefonnummer, Mail-Adresse, Aufenthaltsort in den zurückliegenden zehn Tagen, Datum der Einreise sowie der geplanten Ausreise und Kennzeichen des Autos. Dazu muss wiederum viermal ein Fragebogen beantwortet werden: Handelt es sich um eine "reguläre Einreise"? Eine Einreise aus unvorhersehbaren, unaufschiebbaren familiären Gründen wie Hochzeit, Taufe oder Tod oder um eine Fahrt, für die eine Ausnahme "im zwingenden Interesse der Republik Österreichs" vorliegt? Eine "Repatriierungsfahrt" oder eine Transitfahrt in "ausländisches Territorium"?

Schließlich ist noch ein 3-G-Nachweis erforderlich, also ein ärztliches oder behördliches Zertifikat, ob alle Reisenden wahlweise geimpft, getestet oder genesen sind. Auf dem Rückweg dann noch einmal dasselbe für die Wiedereinreise nach Deutschland. Macht bei einer vierköpfigen Familie acht Anträge und 16 Antwort-Mails mit ebenso vielen Pin-Nummern für die Autorisierung und das Hochladen der Nachweise. Wohl dem, der da den Überblick behält.

Damit der nicht verloren geht, gibt es bei der Rückkehr gleich eine SMS von der Bundesregierung - ja, die hat offenbar ein Handy (die Nummer wird hier aber nicht verraten) - in der es international heißt: "Please follow the rules on tests/quarantine." Und auch das "Corona Einreisenden Team" aus dem Gesundheitsamt München-Land erinnert per Mail freundlich, aber bestimmt daran, dass bei der Rückkehr aus einem Risikogebiet - so etwas ist Österreich heutzutage - eine Absonderungs-, sprich Quarantänepflicht von zehn Tagen gilt, die freilich bei Vorliegen eines negativen Testergebnisses oder eines Impfnachweises "selbständig" beendet werden kann.

Zur Feier des Tages geht es heute Abend in den Biergarten. Wie viele dürfen da bei einer Inzidenz unter 35 noch mal an einem Tisch sitzen? Zehn aus drei Haushalten? Aber Kinder unter 14 zählen nicht und Oma ist geimpft. Dann nur noch rasch den Impfpass einstecken und das Anmeldeformular ausfüllen.

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